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Theologie zwischen Seminar und Universität
ОглавлениеUniversitäre Bildung: Eine elitäre Sache
Während die Geistlichen der Reformation ihrem Selbstverständnis nach unbedingt eine gute theologische Ausbildung brauchten, weil der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit im Predigtdienst lag (und, wie schon Abaelard formulierte, nur derjenige predigen kann, der weiß, was er wie zu sagen hat, der also über rhetorische und theologische Kenntnisse verfügt), hinkte der Ausbildungsstand der meisten katholischen Geistlichen dem der Protestanten lange hinterher. Die Reformation als theologische Bewegung war eng mit den universitären Reformbewegungen des späten 15. und frühen 16. Jahrhunderts verbunden und der Übergang Martin Luthers (1483–1546) vom Reformator der Wittenberger Universität zum Reformator der Kirche – und umgekehrt – verlief fließend (vgl. Lohse 1995, 49f.). Aber auch dort, wo altgläubigen, nun im konfessionellen Sinne katholischen Humanisten die Bedeutung von Universitätsreformen einleuchtete, erreichten diese Reformen den überwiegenden Teil der katholischen Geistlichen, die ja nie an einer Universität studiert hatten, nicht. Erst das Konzil von Trient, das mit längeren Unterbrechungen von 1545 bis 1563 tagte, versuchte, die Ausbildung der Geistlichen durch die Einrichtung so genannter „Seminare“ neu zu regeln, die theologisches, aber auch pastoral-praktisches Wissen vermitteln sollten. Die Katholisch-Theologischen Fakultäten an den Universitäten bestanden, wo sie sich nicht der Reformation angeschlossen hatten, parallel zu den Seminaren weiter, blieben allerdings elitäre Orte.
Stichwort
Konzil
Ein Konzil oder eine Synode ist eine Zusammenkunft, die meist (aber historisch nicht nur) von Bischöfen besucht wird und auf der wichtige Fragen des Glaubens und der Kirchenordnung erörtert werden. Dort getroffene Entscheidungen erheben einen starken Verbindlichkeitsgrad. Die Höchstform des Konzils ist das so genannte Ökumenische Konzil, das einen die Kirche weltweit bindenden Anspruch entfaltet. Die katholische Kirche kennt 21 Ökumenische Konzilien, angefangen bei Nicaea (325) bis hin zum Zweiten Vatikanischen Konzil (1962–1965).
Priesterausbildung an der Universität
Erst im Deutschland des 19. Jahrhunderts entstand nach der Säkularisation, also dem Ende der weltlichen Herrschaft geistlicher Würdenträger, ein Drang zur Konzentration der Ausbildung von Diözesanpriestern an den Universitäten. Die Landesherren sahen sich an vielen Orten in der Pflicht, eine zeitgemäße Seelsorge zu gewährleisten, um damit gleichzeitig sicherzustellen, dass sie selbst die Kontrolle darüber hatten, was von den Kanzeln ihrer Territorien gepredigt wurde. Viele katholische Bischöfe wiederum verdächtigten die Universitäten, unter dem Einfluss des Staates eine allzu reformorientierte Agenda zu betreiben und versuchten nun das nachzuholen, was in den Jahrhunderten nach dem Konzil von Trient vielerorts versäumt wurde: die Gründung und Pflege von Seminaren. Das 19. Jahrhundert ist also von einem Neben- und Gegeneinander zweier theologischer Ausbildungseinrichtungen geprägt: den Universitäten, die – politisch gewollt – nun immer breiteren Schichten des Klerus zugänglich werden sollten, und den Seminaren, die – kirchlich gewollt – einen abgeschirmten Lebensbereich strenger Rechtgläubigkeit bildeten (vgl. Wolf 1993). Erst im Laufe der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts hat sich diese Dualität entspannt, indem die Seminare sich entweder auf die Vermittlung spiritueller und die Aneignung existenzieller Fragen konzentrierten, während die akademische Ausbildung an die Universität verlegt wurde, oder indem vormalige Seminare selbst zu Hochschulen ausgebaut und damit eines quasi-universitären Status teilhaftig wurden. Erst in dieser Zeit fanden sich verstärkt Studierende an den theologischen Fakultäten ein, die nicht den Klerikerstand anstrebten, sich aber trotzdem akademisch der Theologie widmen wollten. Damit wurde auch Frauen jenseits von Ordensgemeinschaften der Weg in die katholische Theologie erschlossen. Sie bilden heute, obwohl sie in der katholischen Kirche nach wie vor kein sakramentales Amt bekleiden dürfen, die Mehrheit der Studierendenschaft in diesem Fach.
Die deutschsprachige Theologie beider Konfessionen verwaltet durch ihren starken Universitätsbezug im Vergleich zu anderen Ländern, vor allem den vorwiegend katholischen Staaten, wo es die Dualität von Seminar und Universität nicht gab, sondern eine klare Dominanz der Seminaridee im binnenkirchlichen Raum und eine theologiekritische Haltung im außerkirchlichen Bereich herrschte, ein einmaliges Erbe. In keinem anderen Sprachraum ist die Theologie strukturell derart akademisiert und ihrem Selbstverständnis nach so stark eine universitäre Disziplin wie in Deutschland, Österreich und der Schweiz.