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„Theologie“ in der Antike

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Augustins Varro-Paraphrase

Die griechische Herkunft des Begriffs verdeckt, dass er im paganen – also nicht jüdisch und nicht christlich geprägten – Altertum eine andere Bedeutung hatte, als sie ihm heute zukommt. Quintus Mucius Scaevola (ca. 140–82 v. Chr.) und Marcus Terentius Varro (116–27 v. Chr.) kannten eine „dreiteilige Theologie“, mit der sich auch christliche Autoren beschäftigten. Einer der bedeutendsten Kritiker von Varros Theologieverständnis war der spätantike Bischof Augustinus von Hippo (354–430), der durch die akribische Art seiner Auseinandersetzung umfangreiche Einblicke in das verlorene Werk Varros bietet.

Quelle

Augustinus von Hippo, De civitate Dei (Über die Stadt Gottes) VI, 5.

Deutsche Übersetzung: Augustinus (1911), Des Heiligen Kirchenvaters Aurelius Augustinus zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat, Band 1 (Bücher 1–8). Aus dem Lateinischen übersetzt von Alfred Schröder (Bibliothek der Kirchenväter), Kempten u.a., 308f. (im Folgenden leicht modifiziert).

„Was hat es sodann damit für eine Bewandtnis, dass [Varro] sagt, es gebe drei Arten von Theologie, das heißt von Weisen über die Götter nachzudenken, und man bezeichne die eine als die mythische, die zweite als die physikalische, die dritte als die staatliche? Auf Latein würden wir, wenn es der Sprachgebrauch gestattete, die an erster Stelle genannte Art das ‚genus fabulare‘ nennen; doch wollen wir lieber ‚fabulosum‘ sagen; denn diese Art wird ‚mythicon‘ genannt nach den ‚fabulae‘, weil das griechische ‚mythos‘ soviel wie ‚fabula‘ bedeutet. Die zweite Art wollen wir als das ‚genus naturale‘ bezeichnen, was heutzutage auch der Sprachgebrauch zulässt. Die dritte Art, das ‚genus civile‘, hat [Varro] ohnehin schon mit einem lateinischen Ausdruck benannt. Er fährt dann weiter fort: ‚Als die mythische Art bezeichnet man die, welche hauptsächlich bei den Dichtern, als die physikalische die, welche bei den Philosophen, und als die staatliche die, welche öffentlich in Gebrauch ist‘.“

Drei Arten der „Theologie“

Augustinus referiert, was römische Philosophen schon vor Christi Geburt unter dem Begriff der Theologie verstanden haben. Die „mythische“ Theologie beschäftigte sich, so Augustinus in seiner Varroparaphrase, mit Sagen oder anderen literarischen Werken, die – man denke an Homers „Ilias“ oder die „Odyssee“ – Ideen enthielten, die man durchaus als Lehre über die Götter verstehen konnte. Die Mythen gaben zum Beispiel Auskunft über die Kosmogenese, also die Entstehung der Welt, über die Anordnung des Pantheons, das heißt die Rangordnung und Verwandtschaftsverhältnisse der Götter untereinander, oder die Mythen trafen Aussagen über das Handeln der Götter in der Sphäre der Menschen.

Nicht spannungsfrei zur „mythischen“ Theologie steht die „physikalische“ oder „natürliche“ Theologie, der es um ein streng vernunftgeleitetes Nachdenken über die Götter – oder über den einen Gott im Singular – ging. Wo etwa der Philosoph Aristoteles (gestorben 322 v. Chr.) von „Theologie“ sprach, unterzog er die Mythen der Alten einer kritischen Überprüfung anhand dessen, was er rein vernünftig über die Götter einzusehen glaubte (vgl. Aristoteles, Metaphysik XII, 1074 b). Wenn von „physikalischer“ oder „mythischer“ Theologie die Rede ist, meint „physis“ oder „Natur“ in diesem Zusammenhang das, was der Mensch mit seiner natürlichen Ausstattung, zu der grundlegend die Vernunft gehört, einsehen kann. Natürliche Theologie erschöpft sich also weder in mythologischem Stoff (so die antike Sinnspitze des Begriffs), noch bedarf sie der Hilfe einer übernatürlichen Offenbarung – so die spätere, christliche Bedeutung der Rede von einer natürlichen Theologie.

Die dritte Art, die Varro nennt, ist die so genannte „zivile“ oder „politische Theologie“. Darunter wurden Betrachtungen über die Beziehung der Götter zum menschlichen Gemeinwesen verstanden. Das Verhältnis zwischen den Göttern und dem Staat war von einer fragilen Gegenseitigkeit geprägt. Solange ein politisches Gebilde dafür sorgte, dass die richtigen Götter in rechter Weise verehrt wurden, garantierten diese Götter dem Staat Wohlergehen. Sie konnten ihm jedoch auch ihr Wohlwollen entziehen. Es war also wichtig darauf zu achten, die Götter nicht zu erzürnen – eine Vorstellung, die natürlich auch eine disziplinierende Wirkung hatte, die sich politisch nutzen ließ, um das Gemeinwesen zu einen.

Christliche Zurückhaltung gegenüber dem Theologiebegriff

Es fällt nicht schwer sich vorzustellen, dass Christen gegen ein solches Verständnis von Theologie einige Einwände hatten. Weil sie nicht an viele Götter, sondern an den einen Gott glaubten, der nach ihrer Überzeugung nicht als Figur für sagenhafte Erzählungen taugte, sondern in der Geschichte Israels und der Kirche wirkte (wo es aber oft nicht weniger sagenhaft zuging als bei den Griechen), erschienen ihnen die antiken Göttermythen problematisch. Unter dem Konzept der politischen Theologie hatten sie zu leiden, weil sich Christen – zumindest ihrem Idealbild nach – weigerten, an Kulthandlungen teilzunehmen. Diese Haltung gefährdete aus Sicht der zivilen Theologie aber womöglich das Wohlergehen des Staates, der auf den Schutz der Götter angewiesen war. Während das Judentum als aufgrund seines Alters geachtete Religion in die Kultvorstellung der Römer derart integriert wurde, dass Juden in aller Regel nicht zur Teilnahme an paganen Opferfeiern verpflichtet wurden, entfiel dieses Privileg für die Christen, als immer deutlicher wurde, dass die Kirche sich als eine von der Synagoge unterschiedene, und damit in den Augen der Römer neue Gemeinschaft etablierte. Daher hatte das Christentum in den ersten drei Jahrhunderten seines Bestehens immer wieder mit zwar zeitlich und regional begrenzten, aber brutalen Verfolgungen zu kämpfen. Einzig und allein die Idee einer natürlichen, also auf vernünftigem Nachdenken beruhenden Theologie, ist bei einigen – nicht bei allen – christlichen Denkern auf Sympathie gestoßen. Der Theologiebegriff schien den allermeisten jedoch zu heidnisch konnotiert, weshalb er im christlichen Sprachgebrauch der Antike, bis auf wenige Ausnahmen, ein Schattendasein fristete.

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