Читать книгу Auch ein Mörder macht mal Urlaub - Michael Tosch - Страница 10
Samstag, 4. Juli, gegen Mittag
ОглавлениеAm Nachmittag hatte sich Rolf eine Strategie überlegt und fuhr auf seinem Fahrrad nach Juist, um mit Karin zu reden. Während der Fahrt gingen ihm tausende Gedanken durch den Kopf. Ihm war sehr bewusst, dass er Mist gebaut hatte und bereute seinen Fehler sehr. Er war sich sicher, dass er gemeinsam mit Karin eine vernünftige Lösung finden würde. Auf jeden Fall würde er sich bei Karin für sein Verhalten entschuldigen. Vor dem Haus, in dem Karin wohnte, stellte er sein Fahrrad ab und ging hinein. An ihrer Zimmertür blieb er stehen und klopfte.
Es dauerte einen Moment, bis Schritte hinter der Tür zu vernehmen waren. Die Tür wurde einen Spalt breit geöffnet und hinter einer Sicherungskette schaute Karin hervor und fragte: »Was willst du? Geh bitte.«
»Ich möchte mich bei dir entschuldigen, ich habe Scheiße gebaut. Es tut mir wirklich leid. Ich liebe dich doch, nur dich.«
Die Tür zur Nachbarwohnung ging auf und ein Mann schaute heraus.
»Moment«, Karin schloss die Tür, entfernte die Sicherheitskette und ließ anschließend Rolf hinein.
Rolf wollte Karin in den Arm nehmen, doch sie stieß ihn weg.
»Wenn du mich wirklich lieben würdest, hättest du nicht mit der anderen geknutscht. Wahrscheinlich warst du mit ihr auch schon in der Kiste. Stimmts?«
Rolf nickte und stammelte: »Aber nur einmal. Ich liebe dich und nicht sie, da war bei mir nur die Lust auf Sex. Wirklich. Nicht mehr. Ich liebe nur dich, Karin.«
Er versuchte sie erneut in den Arm zu nehmen, aber sie stieß ihn weg und schrie ihn an.
»Du bist so ein dummes Schwein! Ich habe mir geschworen, wenn du mich bescheißt, dann ist es aus, für immer aus.«
»Es war doch wirklich nur dieses eine Mal. Ich habe dich noch nie betrogen, seit wir uns kennen und zusammen sind. Fast schon anderthalb Jahre. Bitte verzeih mir.«
Karin schwieg ein paar Minuten, bevor sie antwortete: »Lass mich nachdenken.«
Karin konnte sich nicht mehr zurückhalten, es platzte aus ihr heraus und sie schrie ihn an: »Du bist ein Scheißkerl. Hast du nichts anderes im Kopf als Sex, denkst du wirklich nur ans Vögeln? Ich bin total enttäuscht, ich bin wütend auf dich. Du bist wirklich ein Riesenarschloch. Hau bloß ab!«
In diesem Augenblick donnerte jemand an die Tür. Karin öffnete und sah ihren Wohnungsnachbarn, der erbost losbrüllte: »Ihr asoziales Pack, das kann doch nicht wahr sein, müsst ihr hier so herumschreien. Ich brauche meine Ruhe, ich muss schlafen. Ihr dämlichen Schreier, haltet endlich eure Klappe!«
Der Nachbar schrie dabei mindestens doppelt so laut, wie Karin zuvor, dann drehte er sich herum und verschwand. Karin schmiss die Tür mit lautem Knall zu und sprach leiser, aber konsequent: »Bitte geh jetzt endlich.«
Rolf hatte sich das Gespräch mit Karin völlig anders vorgestellt und ein anderes Ergebnis erwartet, fügte sich und murmelte beim Verlassen des Zimmers: »Ich liebe dich, Karin.«
Karin verschloss die Tür hinter ihm, warf sich aufs Bett und heulte ihre ganze Enttäuschung aus sich heraus. In ihrem Kopf schwirrten diffuse Gedanken herum. Gedanken zwischen Liebe zu Rolf, bitterer Enttäuschung, Wut und Rache.
Rolf fuhr zurück nach Loog. Er war stinksauer. Einerseits auf sich selbst, denn er wusste, wenn man fremdgeht, darf man sich nicht erwischen lassen. Aber so richtig wütend war er auf Karin, denn die hatte nicht verstanden, dass so ein One-Night-Stand ja wohl kein Problem sein sollte. Na gut, mit Eva hatte er schon häufiger gepoppt, denn die war im Bett schon gut, aber mehr sollte es nicht sein. Mit Karin hingegen, mit der konnte er sich schon mehr vorstellen. Er hatte sich früher schon ausgemalt, dass die Beziehung lange dauern könnte. Karin hatte Stil, mit der konnte man sich super unterhalten. Karin war eben eine clevere Frau. Eva war eher etwas einfacher gestrickt. Wie heißt es so schön, dumm fickt gut. Schade, dass Karin offensichtlich nicht begreifen wollte, dass ein richtiger Mann eigentlich gar nicht treu sein konnte. Männer sind von der Natur dafür geschaffen, ihre Gene zu verbreiten und mit einer Frau alleine, ist das ja gar nicht möglich. So hatte sich Rolf eine Welt in seinem Hirn gestrickt, in der er sich wiederfand und ihn von jeglicher Schuld befreite. Vor dem Haus, in dem er wohnte, schloss er gerade sein Fahrrad ab, als die wasserstoffblondierte junge Frau plötzlich vor ihm auftauchte.
»Eva, schön, dass du hier bist. Komm, wir gehen rein.«
Doch Eva machte keinerlei Anstalten, ihm zu folgen. Sie stemmte ihre Hände in die Hüften und brüllte los: »Du verdammter Drecksack. Du erzählst mir was von Liebe? Du willst ständig Sex von mir und hast dabei eine Andere. Ich habe die Schnauze voll von solchen Kerlen, wie du einer bist. Könnt ihr blöden Typen eigentlich immer nur das Eine? Nämlich eure Frauen verarschen und bescheißen? Ich hasse dich, du blödes Arschloch. Komm mir nicht noch einmal unter die Augen, sonst passiert noch ein Unglück! Ich könnte dich umbringen!«
Eva drohte ihm deutlich und ihr rechter Arm fuchtelte vor seinem Gesicht herum.
Im Hause öffnete sich oben ein Dachfenster und eine Frauenstimme keifte: »Was ist das für ein verdammter Lärm da unten? Ihr seid wohl nicht ganz gescheit. Hört auf mit dem Rumgebrülle, sonst komme ich runter!«
Rolf erkannte unschwer Frau Husmann, seine Vermieterin. Er musste an die Situation von vorhin in Karins Wohnung denken, wo auch ein Nachbar sich einschaltete. Er fand die Duplizität der Ereignisse irgendwie komisch. ‚Comedy‘, dachte er.
»Entschuldigung!« Rolf rief zum Dach hinauf und zu Eva gewandt etwas leiser: »Komm bitte mit rein, dann können wir in Ruhe reden.«
Doch Eva schüttelte den Kopf und brüllte erneut voller Zorn.
»Mit dir reden? Kein Wort rede ich mehr mit dir. Und in deinem Zimmer? Ich weiß genau, was du willst. Du willst nur wieder Bumsen. Am liebsten würde ich dich umbringen, du Arschloch!«
»Ich habe jedes Wort gehört, du alte Zicke, hau bloß ab, sonst komme ich runter!«, drohte Frau Husmann erneut.
Die Blonde schaute Rolf an und er konnte den Hass in ihren Augen erkennen. Es lief ihm eiskalt über den Rücken.
Eva drehte sich um und verschwand, ohne ihm noch einmal in die Augen zu sehen. Sie ging einfach weg. Rolf schaute ihr nach und sah noch, wie Eva um die nächste Hausecke bog. Jetzt bin ich beide Weiber los, ging es Rolf durch den Kopf. Das war ein richtiger Scheißtag.