Читать книгу Auch ein Mörder macht mal Urlaub - Michael Tosch - Страница 8
Freitag, 3. Juli, vormittags
ОглавлениеFür Rolf Siemann war es schon die zweite Saison, in der er als Rettungsschwimmer von Mai bis Oktober auf der Insel Juist arbeitete. Sein Einsatzort war der Badestrand in Loog und die Gemeinde- und Kurverwaltung hatte ihn daher auch in Loog in einer Personalunterkunft untergebracht. Das war sehr praktisch, denn es war nur eine kurze Strecke, die er bis zum Einsatzort am Strand zurückzulegen hatte. Da er pro Woche nur etwas mehr als 30 Stunden Dienst hatte, nutzte er die Freizeit auch gerne. Entweder chillte er am Strand, oder er fuhr mit seinem Fahrrad ins Dorf. Hier war wenigstens etwas mehr los als in dem kleinen, verschlafenen Loog.
In seiner ersten Saison hatte er Karin Watzke kennengelernt, die in Juist als Servicekraft im Lütjen Teehuus arbeitete. Sie hatten sich ineinander verliebt, sahen sich aber meistens nur zwei- oder dreimal in der Woche. Da Karin ihre Arbeitszeit in der Gastronomie nicht hundertprozentig planen konnte, trafen sie sich immer erst nach ihrem Dienstschluss im Dorf, gingen noch etwas trinken und übernachteten dann bei Karin.
An zwei Tagen pro Woche hatte Karin frei und die verbrachte sie meist gemeinsam mit Rolf. Bei schönem Wetter war der Strand angesagt oder sie gingen auf der Insel spazieren. Das entsprach allerdings nicht unbedingt dem, was Rolf lieber machte. Er hätte am liebsten die Spaziergänge ausgelassen und stattdessen in Karins Zimmer mit ihr gekuschelt. Diese Augenblicke fanden, nach seiner Meinung, viel zu selten statt.
Rolf Siemann hatte für sich eine Wattführung gebucht. Das hatte er schon im vergangenen Jahr machen wollen, doch bisher fehlte ihm die Zeit dazu. Er wartete in der Carl-Stegmann-Straße, vor dem Gebäude des Nationalpark-Hauses in Juist auf den Start. Es waren offensichtlich nicht zu viele Teilnehmer, denn er hatte gezählt und kam auf elf. Eigentlich hatte er mit einer sehr viel größeren Gruppe gerechnet. Der Wattführer, ein junger Mann, kam aus dem Haus und stellte sich mit Hannes vor. Er verkündete, dass sie noch auf eine kleine Gruppe, einen Lehrer, mit seiner Schulklasse warten würden. Kaum hatte er ausgesprochen, kam ein Mann, offensichtlich der Lehrer, mit sechs Schülern um die Ecke.
Er entschuldigte sich bei Hannes: »Von meinen 16 Schülern, die mit hier auf Juist sind, wollten nur diese sechs zur Wattführung mitkommen. Der Rest hat es vorgezogen, bei dem schönen Wetter lieber an den Strand zu gehen und zu schwimmen.«
Rolf überlegte einen Moment, denn dieser Lehrer kam ihm irgendwie bekannt vor. Aber dann verdrängte er den Gedanken, da ihm nichts weiter dazu einfiel. Die Gruppe marschierte los und folgte Hannes, dem Wattführer. Plötzlich kam ihm ein Gedanke. Er glaubte, ihn erkannt zu haben und überlegte, ist das nicht der Kerl, der dem Mädel etwas in den Drink geschüttet hat? Der Typ aus dem Krullerkopp?
Als sie mitten im Watt standen und sich der Lehrer etwas abseits von seinen Schülern aufhielt, schlich Rolf an ihn heran und flüsterte, denn es sollte ja von keinem gehört werden.
»Ich kenne sie, ich habe sie am mittwochabends im Krullerkopp gesehen.«
Der Lehrer versuchte seinen Schreck zu verbergen und zögerte etwas.
»So? Krullerkopp? Was soll das sein?«, fragt er zurück.
Rolf wurde mutiger: »Das wissen sie ganz genau, sie haben sogar dasselbe Hemd an, wie an dem Abend.«
»Was wollen Sie?«, herrschte ihn der Mann an.
»Ich habe gesehen, wie sie der Frau etwas in den Drink gekippt haben. Das waren KO-Tropfen, denn der Frau ging es hinterher sehr dreckig.«
»Das geht sie überhaupt nichts an, hauen sie bloß ab.«
Der Lehrer entfernte sich und stellte sich zu seinen Schülern. Nach einiger Zeit, Hannes erzählte gerade etwas von den Sandpierwürmern, kam der Lehrer plötzlich auf Rolf zu. Er hatte sich offensichtlich wieder gefangen und sprach jetzt ebenfalls im Flüsterton.
»Wir sollten mal miteinander reden, aber nicht hier.«
Rolf stimmte zu und nickte.
»Haben sie morgen Abend Zeit?«, fragte der Lehrer.
Rolf zögerte.
Der Lehrer setzt nach: »Sie sollten ja sagen und kommen. Es wäre kein Nachteil für sie.«
»Ok«, stimmte Rolf jetzt zu, »ich habe morgen Zeit, ich kann kommen. Wann und wo wollen wir uns treffen?«
Der Lehrer überlegt einen Augenblick und sagt dann leise: »Ich muss mich abends erst um meine Schüler kümmern. Ich könnte sie um 22:00 Uhr treffen. Kennen sie die Domäne Loog?«
»Ja, kenne ich«, flüstert Rolf zurück, »da war ich schon mal. Ok, ich komme, morgen Abend um zehn Uhr.«
»Wir treffen uns am Eingang, ok?« Der Lehrer ging wieder zurück zu seiner Schülergruppe.
Bis zum Ende der Wattführung dachte Rolf über das Gespräch nach. Sie sollten ja sagen und kommen, es wäre kein Nachteil für sie, hatte der Kerl gesagt.
Was meinte er damit? Will er mir Geld anbieten, Schweigegeld? Wenn er mir nichts anbietet, werde ich von ihm etwas verlangen. 10.000 oder evtl. 20.000 Euro?
Rolf grübelte, denn mit Erpressungen hatte er zu wenig Erfahrungen, von zwei, drei Geschichten einmal abgesehen.