Читать книгу Auch ein Mörder macht mal Urlaub - Michael Tosch - Страница 6
Donnerstag, 2. Juli
ОглавлениеHeike lag in ihrem Bett. Sie hatte nicht richtig geschlafen, immer wieder erwachte sie kurz und schlief dann vor Erschöpfung wieder ein. Am späten Vormittag kam sie erneut wieder langsam zu sich. Als sie versuchte sich zu erinnern, war das nur in Fragmenten möglich und als sie realisierte, was mit ihr geschah, fing sie bitterlich an zu weinen.
Heike machte sich schwere Vorwürfe, gab sich selbst die Schuld an der Vergewaltigung. Tausend Fragen gingen ihr durch den Kopf. Wieso ist mir das passiert? Habe ich den Kerl irgendwie zu der Tat provoziert? Warum habe ich mich nicht wehren können? Sie weinte hemmungslos, am liebsten hätte sie laut geschrien. Sie hatte ihr Zeitgefühl völlig verloren. Irgendwann schlief sie wieder ein.
Gegen Mittag wurde sie wieder wach, sie fasste sich ein wenig und rief dann ihre Freundin Elke Mormann in Peine an und erzählte, was ihr passiert war. Elke hörte ihr sehr gut zu und ließ Heike reden. Hin und wieder stellte sie eine Frage und hörte dann wieder zu. Dann versuchte Elke ihrer Freundin vorsichtig klarzumachen, dass sie keine Schuld an dem Verbrechen hatte.
»Hör doch bitte auf, dir Vorwürfe zu machen. Du bist das Opfer. Schuld hat ausschließlich dieses Dreckschwein, das dir das angetan hat. Am liebsten würde ich jetzt sofort zu dir kommen.«
Elke überlegte einen Augenblick: »Geh in jedem Fall zum Arzt! Sofort! Unbedingt!«
Sie riet ihr außerdem zu einer professionellen Beratung und suchte ihr die Telefonnummer des Weißen Rings heraus.
Das Gespräch hatte Heike gutgetan, sie legte sich wieder auf ihr Bett, und fühlte, dass es ihr etwas besser ging. Sie zögerte sehr lange und als sie dann ihr Schamgefühl einigermaßen überwunden hatte, rief sie beim Weißen Ring an. Eine Mitarbeiterin der Außenstelle Aurich/Emden, die sich mit Gudrun Haber vorstellte, übernahm das Gespräch, stellte Fragen und machte konkrete Vorschläge.
»Ich werde so schnell als möglich zu ihnen kommen, ich muss versuchen morgen früh einen Platz auf der Schnellfähre zu buchen. Ich habe ja ihre Nummer. Ich rufe sofort zurück, wenn ich die Daten habe und gebe ihnen Bescheid.«
Dann überzeugte sie Heike davon, sofort zu einem Arzt zu gehen. Es gibt zwar keine Rechtsmedizinische Untersuchung auf Juist, aber jeder Arzt könne die Spuren einer Vergewaltigung feststellen und sichern.
Nach dem Telefonat raffte sich Heike auf, suchte im Internet nach der Adresse eines Juister Arztes und ging zu der gefundenen Praxis. Die Arzthelferin hörte sich kurz Helgas Problem an und sorgte dann dafür, dass sie sofort ins Sprechzimmer des Arztes kam.
Der Arzt stellte dann tatsächlich Hämatome an den Oberschenkeln und im Genitalbereich fest. Der Doktor fotografierte alles und gab ihr die Bilder gleich mit. Leider, so erklärte er ihr, lassen sich die Spuren der KO-Tropfen im Blut nicht mehr feststellen. Nach acht bis zehn Stunden könne man da nichts mehr finden.
»Die Polizei muss von dem Geschehen verständigt werden. Soll ich direkt anrufen?«, fragte der Doktor.
»Nicht nötig, ich will das in jedem Fall der Polizei melden. Morgen kommt eine Frau vom Weißen Ring hier her, die will mich zur Polizei begleiten. Auf jeden Fall zeige ich das an.«
Heike hatte inzwischen ihre Sicherheit fast wieder zurückgewonnen. Der Arzt erklärte ihr noch, wie sie von ihrer Pension den Weg zur Polizei finden könne. Bei der Verabschiedung nahm er Heike in den Arm und drückte sie fest an sich. Heike spürte seine Wärme und verstand, dass er sie trösten wollte. Es tat ihr sehr gut.
»Sie tun mir unendlich leid, ich wünsche Ihnen alles Gute.«