Читать книгу Schlagfertig - Michael Traindt - Страница 12
Vorbereitungsschritt 1: Die Beweggründe des Angreifers oder der Angreiferin verstehen
ОглавлениеDie erste Frage guter Vorbereitung für schlagfertige Situationen ist: Warum greift man uns überhaupt persönlich an? Eine Antwort ist stets: »Weil sie oder er es kann«, zum Beispiel aufgrund von Position und Macht im Unternehmen oder aufgrund der Stellung innerhalb der Familie. Ein Zeichen von Stärke ist es aber nie, denn ich kann sachlich klar sowie durchaus auch hart sein und trotzdem respektvoll. Hinter persönlichen Angriffen stecken oft inhaltliche oder individuelle Schwächen. Ein Bereichsleiter oder eine Geschäftsführerin stehen zum Beispiel im unternehmerischen Handeln sehr unter Druck und sind unter Umständen auch fachlich nicht so im Detail involviert wie eine Mitarbeiterin, die sie dann im Gespräch persönlich angreifen nach dem Motto: »Angriff ist die beste Verteidigung.« Ich will damit nichts entschuldigen, aber für die Angreiferin oder den Angreifer ergibt eine Provokation in der konkreten Situation durchaus Sinn, zumindest kurzfristig: Ein Angriff lenkt von den eigenen Schwächen ab, ein Angriff stärkt zunächst scheinbar die eigene Position, ein Angriff lässt den Angreifer kurzfristig als Sieger erscheinen, ein Angriff vermittelt erst mal Durchsetzungsstärke im Sinne von »die traut sich aber etwas« oder »der ist wirklich bereit, seine inhaltliche Position mit allen Mitteln durchzusetzen«, und diese Liste ließe sich noch weiter fortsetzen. Eines aber ist klar: Für besondere Souveränität sprechen persönliche Angriffe in keinem Fall.
Unsere Gesprächspartnerin oder unser Gesprächspartner möchte mit einem persönlichen Angriff sehr häufig an unserem Selbstwert kratzen, sodass wir die Selbstkontrolle verlieren und damit womöglich auch unser Ziel und die Sache, um die es im Gespräch oder in der Verhandlung geht. Wir sollen aus der Bahn geworfen werden, damit wir zum Beispiel schneller inhaltlich einlenken oder schlicht, damit sich der Angreifer oder die Angreiferin auf unsere Kosten überlegen und besser fühlt.
In einem meiner Studentenjobs arbeitete ich als Platzzuweiser im Wiener Ernst-Happel-Stadion bei einem Fußballspiel. Unter anderem hatte ich es mit Prominenten zu tun, sogenannte A-, B- und C-Promis. Während in die Kategorie A und B jene Menschen fallen, die Außergewöhnliches leisten oder geleistet haben, sind die der Kategorie C oft jene, denen dieser Erfolg bisher verwehrt wurde, um es diplomatisch zu formulieren. Sämtliche A- und B-Prominenz begegnete mir sehr respektvoll und unterhielt sich mit mir auf Augenhöhe, während so mancher C-Prominente mich hatte spüren lassen, dass ich »nur der kleine Student« war. Besonders ein Herr behandelte mich richtig von oben herab, er griff mich persönlich an und erhöhte sich damit scheinbar auf meine Kosten. Die Pointe ist, dass genau jener C-Prominente vor wenigen Jahren bei mir ein Seminar besuchte. Er erkannte mich natürlich nicht wieder, und ich sprach ihn auch nicht darauf an, aber innerlich freute ich mich schon sehr. Warum erzähle ich diese Anekdote? Es ist für mich ein Beweis, dass persönliche Angriffe nach dem Motto »weil er oder sie es eben kann« nicht für Souveränität sprechen und sich der Spruch »man trifft sich immer zweimal im Leben« tatsächlich oft bewahrheitet.
Es kann bereits eine große Erleichterung sein zu verstehen, was die Beweggründe für einen Angriff gegen uns sind. Es hat sehr häufig nichts mit uns selbst zu tun, sondern vielmehr mit dem Angreifer oder der Angreiferin. Da die Motive für einen Untergriff in der Regel nicht aus einer Position der Stärke und Souveränität kommen, ist es ein lohnender Schritt zu hinterfragen: Warum greift mich ein Kollege, meine Chefin oder ein Familienmitglied an? Was ist sein oder ihr Grund dafür?