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Vorbereitungsschritt 3: Auf gegenseitige Interessen konzentrieren
ОглавлениеDer nächste Vorbereitungsschritt stammt zwar in seiner Kernaussage aus dem Harvard-Konzept, einem Klassiker der Verhandlungstechnik, ist aber auch in »normalen« Gesprächen sehr hilfreich. Wir neigen gerade in emotionalen Situationen dazu, uns auf die jeweilige Verhandlungs- oder Gesprächsposition zu konzentrieren, und genau das kann eine Lösung verhindern sowie zu persönlichen Angriffen führen. Entscheidend sind in Verhandlungen und Gesprächen jedoch die gegenseitigen Interessen, die sich aus Wünschen, Sorgen oder anderen Motiven zusammensetzen.1 Dazu folgt ein Beispiel aus einem Einzeltraining.
Die Gehaltsverhandlung
Ein Kunde kam auf mich zu, um ihn bei einer Gehaltsverhandlung als Coach und Trainer zu unterstützen. Die Verhandlungen hatten bereits vor einiger Zeit begonnen, waren aber festgefahren. Die jeweiligen Verhandlungspositionen waren sehr klar: Mein Kunde forderte aufgrund seiner ausgezeichneten Leistungen, die auch von seiner Führungskraft bestätigt wurden, mehr Gehalt. Seine Chefin hatte jedoch die klare Vorgabe, in diesem für das Unternehmen wirtschaftlich schwierigen Jahr keinerlei Gehaltserhöhungen zuzulassen. Würde man nun nur auf diese Ausgangslage blicken, so hätte mein Kunde sehr schlechte Karten, und auch seine Führungskraft müsste bangen, ob sie einen zumindest unzufriedenen Mitarbeiter im Team hat oder diesen sogar verliert. Der Gedanke, das Unternehmen zu verlassen, war tatsächlich einer der ersten, den mir mein Kunde im Einzeltraining mitteilte. Er war, bei allem Verständnis für seine Chefin, sehr enttäuscht, dass »sich Leistung so gar nicht lohnt«. Ich stellte ihm daraufhin die Frage nach seinem konkreten Interesse, warum er mehr Gehalt wolle. Eine scheinbar sehr offensichtliche Frage, wer will schon nicht gern mehr verdienen? Mein Kunde erzählte mir dann von einer sehr kostenintensiven längeren Ausbildung, die er machen wolle und für die er einfach mehr finanzielle Mittel brauche. Und damit hatten wir auch schon einen guten Lösungsansatz für die weitere Verhandlungsvorbereitung im Training. Letztlich veränderte er seine Verhandlungsposition dahingehend, dass er nicht nur für dieses Jahr gänzlich auf eine Gehaltserhöhung verzichtete, sondern auch für zwei weitere Jahre. Im Gegenzug verlangte er die Übernahme der Hälfte der Ausbildungskosten durch sein Unternehmen. Sein Vorschlag wurde angenommen, da seine Führungskraft im Bildungsbudget noch Spielraum hatte, während nur die Gehaltserhöhungen nicht möglich waren. So hatten alle Beteiligten ihre Ziele erreicht. Wie ich später erfahren habe, wechselte die Chefin einige Jahre danach in den Vorstand und nahm meinen Kunden, nicht zuletzt aufgrund seiner zu diesem Zeitpunkt abgeschlossenen Zusatzausbildung, bei diesem Karrieresprung mit. Eine deutliche Gehaltserhöhung war damit ebenfalls verbunden.
Leider spielt das Leben nicht immer so wie in diesem Bericht der Gehaltsverhandlung eines Kunden, und es gibt genügend Beispiele dauerhaft verfahrener Gesprächssituationen. Aus Schlagfertigkeitssicht lohnt es sich dennoch zu fragen: Was sind die gegenseitigen Interessen? Und können vielleicht die Wünsche beider Seiten erfüllt werden? Sich auf die jeweiligen Interessen zu konzentrieren fördert meist auch das gegenseitige (richtige) Zuhören und sorgt für mehr Verständnis. Nicht »die uneinsichtige und sture Chefin gibt keine Gehaltserhöhung«, sondern sie hat eine klare Vorgabe und ihr Interesse liegt darin, dieser zu folgen und trotzdem einen guten sowie möglichst zufriedenen Mitarbeiter zu halten. Beides hat sie durch die veränderte Vorgangsweise meines Kunden geschafft. Ein positiver Nebeneffekt: Es kam zu keinen persönlichen Angriffen, sondern im Gegenteil, das gegenseitige Vertrauen wurde sogar gestärkt.