Читать книгу Schlagfertig - Michael Traindt - Страница 8
WAS IST SCHLAGFERTIGKEIT?
ОглавлениеIm Wesentlichen gibt es zwei völlig unterschiedliche Arten von Schlagfertigkeit: Einerseits geht es um die Fähigkeit, schnell und mit passenden, treffenden, witzigen Worten auf etwas zu reagieren, und andererseits geht es darum, wie ich mich vor Untergriffen oder »blöden Sprüchen« schütze und eben nicht sprach- oder reaktionslos werde.
Die erste Variante der Schlagfertigkeit, also der humorvolle Umgang mit einer Situation, trifft für mich dann zu, wenn es sich nicht um ein heikles Gespräch handelt, sondern etwa ein Gespräch unter Freundinnen und Freunden oder mit guten Kolleginnen und Kollegen bei einem Kaffee. Die Stimmung sowie die Beziehung sind also prinzipiell gut oder sogar sehr gut. Es ist ein mehr oder weniger lustiges Scherzen, wobei der Respekt hier nie verloren geht.
Ich bin zum Beispiel Teil einer Reisegruppe von Freundinnen und Freunden aus meiner Studienzeit. Regelmäßig, um nicht zu sagen immer, machen sie sich über meine Eigenart lustig, dass ich überpünktlich am Bahnhof oder am Flughafen sein möchte. Mein Rekord liegt übrigens bei fünf Stunden vor Abflug am Flughafen zu erscheinen, und das für eine Strecke von Wien nach Barcelona. Sie dürfen gern an dieser Stelle lachen. Natürlich ist das leicht verrückt, und ich höre dann Sprüche wie: »Warum verbringst du nicht gleich die Nacht davor auf einer Bank am Flughafen, wenn es dir dort so gut gefällt?« Ich erwidere dann, dass für mich der Urlaub damit bereits fünf Stunden früher beginnt und ich in Ruhe ein Buch oder Zeitungen lese. Darauf höre ich: »Dafür haben wir drei Stunden länger geschlafen, aber gut, du arbeitest wohl an einem Rekord im Zu-früh-Sein, oder?« Ich entgegne, dass ich einen neuen Rekord sicher noch schaffe und mich auf den Tag freue, »an dem ihr alle zu spät kommt, und dann hat das Sich-über-mich-lustig-Machen ein Ende. Der frühe Vogel fängt den Wurm, und der frühe Michael erwischt den Kranich«1. Sie können sich vorstellen, wie dieses »Spiel« weitergeht. Ein Hin und Her, aber ohne böse Absicht. Dies ist jedoch nicht die Schlagfertigkeit, die ich in diesem Buch behandeln möchte. Vielmehr geht es im Folgenden um echte, persönliche Angriffe, die ein sachliches Arbeiten oder ein gutes sowie konstruktives Gespräch schwer oder sogar unmöglich machen.
Davon handelt die zweite Variante der Schlagfertigkeit, bei der es weniger um Humor und auch nicht zwingend um Schnelligkeit geht, sondern um die Abwehr von Angriffen. Unter einem persönlichen, verbalen Angriff versteht man einerseits einen Angriff mit Worten, der die klare Absicht hat, die Angesprochene oder den Angesprochenen zu irritieren, zu treffen oder zu kränken. Andererseits kann es sich um eine Aussage handeln, die verletzt, ohne dass diese Absicht vorhanden ist. In diesem Buch zeige ich Möglichkeiten auf, wie man sich solch einer unfairen Kommunikationsform entgegenstellen kann. Im Wesentlichen gibt es dafür zwei Arten: Entweder mit Gegenangriffen nach dem Motto »möge die oder der Stärkere gewinnen« oder konstruktiv. Ich möchte Ihnen die zentralen Elemente der konstruktiven Schlagfertigkeit näherbringen.
Die Regeln in diesem Werk haben nicht zum Ziel, dass ich bei Angriffen »witzig, schnell oder hart zurückschlagen« kann, sondern sollen im Kern die folgenden Fragen beantworten: Wie mache ich mich weniger angreifbar? Wie bleibe ich selbst auf der Sachebene? Wie kann ich meine Kommunikationsfähigkeiten in heiklen Gesprächssituationen verbessern? In meiner Praxis als Schlagfertigkeitstrainer und auch als Coach habe ich die Erfahrung gemacht, dass diese innere Haltung weit effektiver am Weg zu mehr Schlagfertigkeit oder mehr Reaktionssicherheit in heiklen Gesprächen ist als etwa das Auswendiglernen von Antwortphrasen oder witzigen Satzmustern, die meist weder witzig noch hilfreich sind.
Es wird im Folgenden nicht darum gehen, immer etwas zu kontern oder »nie mehr sprachlos« zu sein, sondern möglichst in jeder Situation eine angemessene Reaktion zu zeigen. Auch ein bewusstes Schweigen kann eine ausgezeichnete schlagfertige Reaktion sein. Für einen Angreifer oder eine Angreiferin ist es oft schlimmer, wenn man »das Spiel der Untergriffe« überhaupt nicht mitspielt. Es geht nicht darum, überhaupt etwas zu sagen, sondern im richtigen Zeitpunkt das Wesentliche zu artikulieren, um sein Gesprächsziel zu erreichen.