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Vorbereitungsschritt 5: Eine gemeinsame Ausgangslage schaffen und Missverständnisse klären

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Das Überraschende in der Kommunikation zwischen Menschen ist, dass sie überhaupt funktioniert. Viel wahrscheinlicher wäre, dass sie eben nicht reibungslos funktioniert, gerade dann, wenn es um unterschiedliche Interessen geht. Eine wesentliche Quelle für persönliche Angriffe ist jedoch genau die Annahme »das ist doch für jeden klar« oder »das sagt einem doch die Lebenserfahrung und der Hausverstand«. Beide Kategorien – »Lebenserfahrung« und »Hausverstand« – sind jedoch gerade in schwierigen Gesprächssituationen mehr als trügerisch. Wir haben eben unterschiedliche Lebenserfahrungen und auch der sogenannte Hausverstand ist durch unser bisheriges Leben geformt worden. Wie schnell falsche Eindrücke oder Missverständnisse entstehen, möchte ich anhand der folgenden privaten Beispiele deutlich machen.

Was uns trennt, ist die gemeinsame Sprache

Im August vor Beginn meines Studiums wollte ich das Geld, das ich bei einem Ferienjob im Juli verdient hatte, auf einer Interrailreise gleich wieder ausgeben. Mit einem Bahnticket, damals so um die 200 Euro, nahm ich mir vor, innerhalb eines Monats möglichst viele Länder in Europa zu sehen. Ein großes Abenteuer. So tourte ich in jenem Sommer mit Rucksack durch Europa und lernte vor allem während der Zugfahrten viele unterschiedliche Menschen kennen. Eines Tages saß ich in einem Zug von Hamburg nach Kopenhagen. Auf den mir gegenüberliegenden Platz setzte sich eine Frau; eine Hamburgerin, wie ich später erfahren sollte. Wir waren ungefähr im gleichen Alter und begannen, uns zu unterhalten. Sie wollte Freunde in Kopenhagen besuchen und mit denen weiter zu einem Musikfestival nach Roskilde fahren. Wir verstanden uns richtig gut und fanden uns, so glaube ich, gegenseitig sehr sympathisch. Und tatsächlich sagte sie kurz vor Kopenhagen: »Ich muss dir ein großes Kompliment machen.« Ich sah uns schon gemeinsam auf dem Festival und war sehr aufgeregt. Wird sie mir ihre Telefonnummer geben? Fahren wir gemeinsam nach Roskilde? Sie sagte dann mit einem herzlichen Lächeln: »Für einen Dänen sprichst du wirklich hervorragend Deutsch.«

Ich bekam also keine Telefonnummer, wir verabschiedeten uns am Bahnhof von Kopenhagen und haben uns seither nicht mehr wiedergesehen. Was diese Reisebegegnung aber zeigt, ist, wie schnell Missverständnisse oder unterschiedliche Interpretationen entstehen können. Sie hat mich als vermeintlichen Dänen für meine guten Deutschkenntnisse bewundert und ich träumte schon von einem gemeinsamen Musikfestival.

Um die Geschichte doch noch zu einem späten Happy End zu bringen: Auf einer anderen Reise, gut 15 Jahre später, habe ich tatsächlich meine Partnerin kennengelernt, und obwohl sie auch aus Deutschland stammt, war sie nicht nur aufgrund meiner hervorragenden »Deutsch als Fremdsprache«-Kenntnisse an mir interessiert.

An dem Tag, als sie mich ihren Eltern und ihrer Familie vorstellte, ungefähr ein Jahr nach unserem Kennenlernen, war ich natürlich noch aufgeregter als damals auf meiner Interrailreise. Es war eine Viertelstunde nach meiner Ankunft, als ich mit ihrem Vater am Fenster stand und er mir erklärte, wie es hier früher aussah. Sein Elternhaus wurde vor Kurzem abgerissen und so war kaum noch etwas vom ursprünglichen Zustand zu erkennen. Ich habe unser Gespräch noch am selben Abend abgetippt, damit ich diese erste Unterhaltung nicht vergesse, und es passt sehr gut zu unserem aktuellen Thema. Es war eine große Familienzusammenkunft, weil am nächsten Tag der Bruder meiner Lebenspartnerin heiratete. Es waren viele, für mich damals noch fremde Menschen anwesend, und, wie gesagt, ich war noch nicht mal eine halbe Stunde vor Ort und noch sehr angespannt. Nur ja einen guten Eindruck machen und dabei auch noch entspannt ich selbst bleiben. Ich schätze Georg, den Vater meiner Freundin, sehr und daher erlaube ich mir, unsere Unterhaltung an dieser Stelle auch wiederzugeben:

Michael (blickt aus dem Fenster): »Und da stand ursprünglich dein Elternhaus?«

Georg: »Ja. Gehen wir in den Keller?«

Michael: »In den Keller?«

Georg: »In meinem Büro im Keller habe ich Bilder vom alten Haus. Gehen wir runter.«

Michael: »Vielleicht später, nach dem Essen.«

Georg: »Nein. Gehen wir in den Keller.«

So gehen wir also in den Keller, vorbei an den Essensvorräten und der Waschküche. Im Büro angekommen, sehe ich schon das Bild an der Wand.

Georg (zeigt auf das Bild von einem alten, sehr schönen Haus): »Und dort ist das alte Haus!«

Michael (ehrlich interessiert): »Und das alte Haus wäre nicht zu erhalten gewesen?«

Georg: »Nur mit Millionen. Es war billiger, es abzureißen und neu zu bauen.«

Michael: »Verstehe, das war billiger.«

Georg: »Und das dort ist ein guter Spruch.« (Zeigt auf einen Spruch, eine Zeitungskopie an der Wand; der Spruch ist für mich nicht lustig, aber das will ich natürlich nicht zeigen. Einen guten Eindruck zu machen ist das Ziel, und so wichtig ist dieser Spruch ja auch nicht.) Michael (künstlich): »Haha … sehr lustig.«

Georg: »Die Letzten sollte man abschaffen!«

Michael: »Aha.«

Georg: »Ja, alle letzten Plätze. Abschaffen.«

Michael: »Damit Österreich auch bei der Fußball-WM dabei ist, oder warum?«

Georg: »Niemand wäre mehr Letzter.«

Michael: »Gut, aber wir sind im Fußball ja historisch gesehen ohnehin besser als die Deutschen.«

Georg: »Warum das?«

Michael: »Wir haben noch nie ein WM-Finale verloren.« Stille.

Georg (künstlich): »Haha … sehr lustig. Meine Tochter hat uns schon gesagt, dass du sehr lustig bist. Österreicher sind immer lustig.« (Anmerkung: Sie findet »Österreicher« nur begrenzt lustig, aber Georg und ich hatten wohl ähnliche Ziele und wollten uns im Small Talk erst mal kennenlernen.)

Georg: »Kennt ihr die Hummel?«

Michael (überrascht): »Ja. Die Hummel kennen wir.«

Georg (überrascht und zufrieden): »Ihr kennt die Hummel. Die ist von hier.«

Michael: »Das wusste ich nicht, dass man da einen genauen Ursprungsort kennt.«

Georg: »Ja, da drüben. Man sieht sie da drüben … gut, vom Keller nicht, aber man sieht sie.«

Michael: »Sieht man die Hummel?«

Georg: »Ihre Wirkungsstätte.«

Michael: »Also, den Garten.«

Georg (verwundert): »Ja, auch den Garten, zumindest die Bäume.«

Michael (verwundert): »Spannend. Das wusste ich echt nicht.«

An dieser Stelle wurden wir rauf zum Abendessen gerufen. Ich finde dieses kurze Gespräch vor allem im Nachhinein so spannend, weil ich einen möglichst guten Eindruck machen wollte beim ersten Zusammentreffen mit der Familie meiner Freundin und ich bereits nach 15 Minuten allein mit ihrem Vater im Keller gelandet bin, wo wir wunderbar aneinander vorbeigeredet haben. Am Abend sagte ich zu meiner Freundin, dass ihr Vater sehr an Insekten interessiert sei und ich noch nie einen Menschen getroffen hatte, der mit einem so bewundernden Ton über die Hummeln und deren »Wirkungsstätte« spricht. Also, ein Buch über Hummeln wäre wohl ein gutes Weihnachtsgeschenk. Ich habe auch noch nie gehört, dass die Hummeln aus Deutschland stammen und man den Ursprung von Insekten zurückverfolgen kann. Meine Freundin begann laut zu lachen und klärte mich auf. Berta Hummel war eine deutsche Franziskanerin, Zeichnerin und Malerin. Bekannt wurde die Ordensschwester durch Kinderbücher und die nach ihren Entwürfen gefertigten Hummel-Figuren aus Keramik. Und ihre »Wirkungsstätte« war tatsächlich in Sichtweite vom Haus ihrer Eltern. Seitdem ist das ein Running Gag – und ein Buch über Hummeln bekommt er trotzdem irgendwann.

Für unser Thema sind das natürlich sehr harmlose Beispiele, bei denen kein Schaden entstanden ist. Beim Thema Schlagfertigkeit, also bei schwierigen Gesprächssituationen, geht es jedoch nicht um »Hummeln«, sondern um Gehaltserhöhungen, Karrierechancen, Kindererziehung, Hausbau, Wohnungsumbau, Pflege der Eltern oder Großeltern, Erbschaftsfragen und andere wichtige Themen. Das Wichtige dabei ist, von Beginn an um Klarheit bemüht zu sein:

•Gehen wir von derselben Ausgangslage aus?

•Haben wir denselben Informationsstand?

•Ist uns das übergeordnete Ziel des Gesprächs klar?

•Verstehen wir unter den zentralen Begriffen wirklich dasselbe?

Konfliktreiche Gespräche können gerade bei bedeutenden Themen nie ganz ausgeschlossen werden, geht es doch bei Erbschaften oder auch Gehaltserhöhungen meist um unterschiedliche Interessenslagen. Nichtsdestotrotz können unnötige Untergriffe und Provokationen vermieden werden, indem man am Beginn des Gesprächs für einen gemeinsamen Informationsstand sorgt und auch ausreichend Zeit einplant, mögliche Missverständnisse auszuräumen. Denn erst aus Missverständnissen erwachsen persönliche Angriffe und Provokationen, wie die Praxis immer wieder zeigt.

Auf die Frage »Was ist überhaupt ein persönlicher Angriff, ein Untergriff oder eine Provokation?« werden wir bei den folgenden fünf Regeln noch ein paarmal zurückkommen. Gleich vorweg: Es gibt keine eindeutige Antwort. Es kommt sehr stark auf die Situation an, ein »blöder Scherz« unter Freunden bei einem Glas Wein wird weniger ein Problem sein als exakt der gleiche »blöde Scherz« von der eigenen Führungskraft in einem Meeting oder in einer angespannten Familiensituation. Es kommt stark auf die Situation und den Kontext an. Letztlich bestimmen kann es nur der oder die Angegriffene. Ob tatsächlich wir selbst, unsere »Position« oder unsere »Rolle«, die wir beruflich oder privat übernommen haben, angegriffen werden und ob wir in einer bestimmten Rolle Angriffe auch aushalten müssen, werden wir uns unter Regel 1 im Folgenden genauer ansehen.

1 Anmerkung: Der Kranich ist Teil des Logos der Lufthansa AG.

2 Dieser Witz ist meine Abwandlung einer Anekdote aus New York, wo einem Mann zwei Touristen die Frage stellen »How do you get to Carnegie Hall?«, und seine Antwort, wie man ins berühmte Konzerthaus kommt, ist »Practice!«.

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