Читать книгу Irma - Michael Tycher - Страница 3
New York
ОглавлениеWinzig wirken die Miniaturbäume im Kontrast zu den beiden Wolkenkratzern. Die Ecke Albany Street und South End Avenue gehört zur Battery Park City am südlichen Ende Manhattans nicht unweit vom World Trade Center und ist eines der besseren Büroviertel in New York City. Hier werden unfassbare Gewinne erzeugt und Reichtum gesammelt, Kriege angezettelt und Börsen beeinflusst. Jeden Morgen, wenn Caiden die Büroräume der LCSCN Consulting Group betritt, Fahrer und Limousine sich entfernen, schüttelt er den Kopf über diese lächerlichen Straßenbäume.
Caidens Aufstieg begann als Investmentbanker, mit ein paar geschickten Schachzügen und mit schmierigen Kontakten zu Politik, Militär und Kultur machte er sich in den achtziger Jahren selbstständig und sahnte glänzende Gewinne ab. Nach wenigen Jahren galten seine Investitionsstrategien als bares Gold. Es waren nicht nur sein goldenes Händchen und die hervorragenden Verbindungen, die ihm immer zum Erfolg verholfen haben. Es war auch der Wille, Dinge zu steuern oder zumindest so weit zu beeinflussen, dass Profite entstehen konnten. Vorzeitige Kenntnisse und die passende finanzielle Investition seiner Klienten bei einem Militärputsch in Südamerika oder einem Umsturz in Afrika und schon wurden Rohstoffe anders bewertet. Ja, Caiden hatte das Abzocken im Griff, der zweimalige Crash an den Börsen zählte zu seinen besten Zeiten, zumindest finanziell. Es wurde Kasse gemacht. Jetzt steht die LCSCN Consulting Group mit ein paar Partnern, die in Caidens Augen bessere Deppen sind und minimale Anteile am Ganzen besitzen, bestens aufgestellt da und greift nach den Gewinnen der neuen vernetzten und digitalisierten Welt, nach den Sternen. Mit Mitte sechzig mag er sich nicht mehr an allen Fronten kampfbereit präsentieren, das können seine Adlaten machen, doch seine Finger nimmt er nicht aus dem Spiel.
„Guten Morgen, Mr. Caiden!“
Mrs. Roonberg, die Empfangsdame von LCSCN, eine Bilderbuch-Blondine, deren Kleiderschrank gleichzeitig eine prall gefüllte Boutique sein muss, arbeitet seit fünf Jahren für Caiden und seine Partner. Als Empfangsdame legt sie sehr viel Wert auf ihr Äußeres. Der Glencheckrock im matten Grau liegt die vorgeschriebene Handbreit über ihren Knien und passt vorzüglich zur Bluse in hellrosa. Caiden sieht sie, wenn er in New York ist, nur morgens und abends; er wirft gerne einen Blick auf Roonberg. Die Handbreite sollte er mal vergrößern.
„Guten Morgen, ich hoffe, es gab die letzten zwei Tage nichts Wichtiges hier?“
„Nein, Mr. Caiden, alles lief rund. Hatten Sie erfolgreiche Meetings in Singapur?“
„Alles zu meiner Zufriedenheit, ich bin sehr erfolgreich gewesen“, und schon eilt Caiden in sein Büro.
Dieses Projekt wird mir für alle Zukunft den Rücken frei halten, denkt er. Bestimmte Geschäfte sind auf einen sehr kleinen Personenkreis begrenzt: Auftraggeber, Täter und Opfer. Und prompt reduziert sich dieser Personenkreis um eine Figur.
Caiden verschließt das Büro und ordnet an, von niemand gestört zu werden, auch von seinen Partnern nicht. Ein frisches Mobiltelefon mit einer ausländischen SIM-Karte, deren Herkunft, Käufer und Weg zu ihm nie verfolgt werden können, startet. Ein paar chinesische Schriftzeichen verraten einen Hersteller. Das Netz ist aufgebaut, Caiden tippt eine SMS hinein:
„Pl02jslkB23 2903“
Die Nummer des Empfängers wird hinzugefügt, er hat sie im Kopf, sie hat ihn oft gerettet und große Probleme gelöst. Nachdem die Nachricht gesendet worden ist, schaltet Caiden das Handy aus. Er wird es komplett mit Karte in den East River werfen. Zufrieden öffnet er die Bürotür und ruft seinen Partner Brodney an, er möge antreten.