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Die Nacht bricht herein. Man kann dabei zusehen, und doch ist es jedes Mal beängstigend. Wie ein Vorhang, der fällt. Die guten Menschen verschwinden, und die Schlechten übernehmen die Show. Es ist ein Kreislauf, der kein Ende nimmt, der mich auszehrt, mit jedem Tag ein Stück. Ich möchte raus. Mit einer Sense möchte ich mich durch den Betonurwald kämpfen, das Unkraut jäten, bis die Wurzeln freiliegen und das Übel dieser Welt ein für alle Mal vom Erdboden getilgt wurde.

Stattdessen bin ich in diesen engen vier Wänden eingesperrt. Ich gehe von Zimmer zu Zimmer. Mein Polizist sagt, nur hier drinnen sei ich sicher. Unter ständiger Überwachung, in seiner Obhut. Ich weiß, er hat recht, aber wenn man nicht kämpft für seine Freiheit, welchen Sinn hat der Widerstand dann noch? Meine Tage sind gezählt. Wenn ich mich weiterhin verstecke, finden sie mich. Denn sie wissen, wo sie suchen müssen. Aus irgendeinem Grund wissen sie es immer.

Mein Rucksack ist gepackt. Die Waffe ist geladen. Wenn sie mich haben wollen, hier bin ich. Ich komme zu ihnen. Und dann werden wir sehen, wer stärker ist.

Die Stadt dampft. Der Regen hat erst vor Kurzem eingesetzt und spült die Kälte aus den Straßen hinaus. Der Dreck jedoch bleibt. Vermummte Gestalten, gesichtslose Männer, überall ist man von ihnen umzingelt. Menschen, die Böses im Sinn haben. Menschen auf dem Weg zu ihrer nächsten Schandtat. Je näher man der Donnerkuppel kommt, umso stärker spürt man die negative Energie, die von diesem Ort ausgeht. Es ist fast so, als würde dieses Haus mich rufen. Der Treffpunkt des Gesindels, aufpoliert und restauriert. Dieses Haus kann niemandem etwas vormachen. Was einmal die Fliegen angezogen hat, wird das auch weiterhin tun. Blut lässt sich nicht mit Farbe überstreichen.

Ich betrete den Club. Die Tanzfläche ist voll. An der Bar ist kaum noch Platz. Ein Mann mit Bierfahne hat mich entdeckt und bietet mir energisch seinen Hocker an.

»Setz dich, Schätzchen, nur keine Scheu. Was trinkst du?«

»Nur Wasser.«

»Zwei Tequila für mich und die hübsche Dame!«

»Macht acht Euro fünfzig.«

Wieder dieser Barkeeper. Er könnte Stars Zwilling sein. Was für eine abartige Ironie. Überall könnte er arbeiten, in jedem Club der Stadt, aber er ist hier. In dem Haus, das Sklaven macht, zwingt er mich, seinen vertrauten Anblick zu ertragen.

»Und, schöne Frau, was hat dich heute hierher verschlagen?«

Ich gebe keine Antwort, halte keinen Blickkontakt. Der Mann lässt nicht locker.

»Darf man fragen, wie du heißt? Komm, nur nicht so schüchtern. Oder soll ich raten?«

»Ich warte hier nur auf jemanden.«

»Oh, auf wen denn? Heute noch eine Verabredung?«

»Könnte man so sagen.«

Er beugt sich näher zu mir herüber. »Dann war es aber sehr unhöflich von dir, mir meinen Platz wegzunehmen, du kleine Schlampe.«

»Ist alles in Ordnung?«, fragt der Barkeeper, der eben die Shots bringt.

»Klar«, antwortet der Typ und schüttet seinen Drink hinunter. Dann genehmigt er sich auch noch den zweiten Shot und quatscht die Frau an, die sich gerade neben ihn gestellt hat.

Ich bin wieder allein. Nein, nicht ganz. Der Barkeeper steht immer noch vor mir. Seine blauen Augen mustern mich eingehend.

»Ich kenne dich«, sagt er.

»Da musst du dich irren.«

»Doch. Du warst neulich schon mal hier.«

»Und?«

Er lächelt, und die Ähnlichkeit zu Star verschwindet. Ganz plötzlich. Als hätte er eine Maske abgenommen.

»Wie ist dein Name?«, fragt er.

»Linda.«

»Wieso bist du allein hier?«

»Ist das verboten?«

»Es wundert mich nur. Du wirkst, als solltest du nicht allein sein.«

Im Licht der Spotlights sieht man es nun – wie dunkel seine Augen sind, wie wenig darin zu lesen ist. Unwillkürlich weiche ich zurück. Sie haben gelernt, sich zu tarnen. In ein Kostüm zu schlüpfen, damit ich ihnen vertraue. Damit ich ihnen genau in die Falle tappe.

»Wie viel macht das Wasser?«, frage ich.

»Gar nichts.«

»Dann gehe ich jetzt.«

»Warte noch«, sagt er. »Warte. Es gibt da jemanden, der mit dir sprechen will.«

Das Blut rauscht in meinen Ohren. Er betritt einen Raum hinter der Bar und wählt an einem Standtelefon eine Nummer. »Sie ist hier«, sagen seine Lippen. Nein, bin ich nicht. Ich bin weg, mit der Menge verschmolzen, hektisch auf der Suche nach einem Ausgang. Es ist so eng, ich kann mich kaum bewegen. Über den Köpfen der Tanzenden leuchtet das Schild eines Notausgangs auf. Dorthin versuche ich mich durchzuschlagen, an den Leuten vorbei hinaus ins Freie. Fast habe ich es geschafft. Da packt mich plötzlich jemand am Arm.

»Ganz ruhig«, sagt Viktor, als ich herumwirble. »Nicht umdrehen. Sie sind hinter dir. Am Eingang.«

Die Luft gefriert. Ich spüre es deutlich, ihre toten, kalten Augen, die in der Menge nach mir suchen. Ich lag falsch, ich bin noch nicht bereit dafür. Noch nicht bereit für den Kampf. Auf der anderen Seite deutet der Barkeeper in meine Richtung. Zeigt der Horde, wo ich bin. Viktor nimmt meine Hand.

»Komm mit. Verschwinden wir, bevor sie uns entdecken.«

»Wie viele sind es?«, frage ich, während er mich durch die Menge zieht.

»Weiß nicht. Zwei oder drei. Komm jetzt.«

»Wohin gehen wir? Woher wusstest du, dass ich hier bin?«

Er antwortet nicht. Wir erreichen den Hinterausgang, Viktor öffnet die Tür. Dahinter wartet ein stinkender, nasser Innenhof, der durch ein offenes Gittertor auf die Straße führt. Ums Eck parkt ein kleiner schwarzer Wagen. Viktor holt einen Schlüssel aus seiner Tasche und steigt ein. Ich bleibe auf dem Bürgersteig stehen.

»Komm schon!«, ruft er.

»Woher wusstest du, dass ich hier bin?«, frage ich erneut.

»Denkst du, du bist die Einzige, die Leuten hinterherspioniert?« Er öffnet die Beifahrertür und winkt mich herein. »Jetzt steig schon ein, verdammt. Wir stehen auf derselben Seite.«

Eine schwierige Wahl. Die Höllenarmee oder eine Fahrt ins Ungewisse. Doch ich glaube nicht mehr an Zufälle. Heute ist noch nicht der Tag der Abrechnung. Heute nicht.

Ich steige ein, und wir fahren in die verregnete Nacht.

Mit mir die Nacht

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