Читать книгу Fälle zum Europarecht - Mike Wienbracke - Страница 19
b) Eingriff
ОглавлениеZudem müsste ein Eingriff in den Schutzbereich von Art. 34 AEUV vorliegen.
Neben den hier erkennbar nicht gegebenen „mengenmäßigen Einfuhrbeschränkungen“, d.h. Kontingenten und Verbringungsverboten,14 verbietet Art. 34 AEUV ebenfalls „alle Maßnahmen gleicher Wirkung“ wie diese. Darunter sind sämtliche Handelsregelungen der durch diese Vertragsbestimmung primär verpflichteten Mitgliedstaaten zu verstehen, die geeignet sind, den innerunionalen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell zu behindern.15 In welcher Form dies geschieht – als offen oder versteckt an die Herkunft der Ware anknüpfende Diskriminierung oder als unterschiedslos anwendbare Beschränkung –, ist insofern hingegen irrelevant.16
Nachfolgend hat der EuGH die vorstehende Dassonville-Formel in seinem Keck-Urteil allerdings wieder eingeschränkt. Danach ist die Anwendung nationaler Bestimmungen, die bestimmte Verkaufsmodalitäten beschränken oder verbieten, auf Waren aus anderen Mitgliedstaaten nicht geeignet, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell zu behindern, sofern diese Bestimmungen für alle betroffenen Wirtschaftsteilnehmer gelten, die ihre Tätigkeit im Inland ausüben, und sofern sie den Absatz der inländischen Erzeugnisse und der Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten rechtlich wie tatsächlich in der gleichen Weise berühren17 – was eine Differenzierung zwischen produktbezogenen Regelungen einerseits und vertriebsbezogenen Regelungen andererseits erforderlich macht.18
Im Ergebnis sind damit als Maßnahmen gleicher Wirkung wie mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen jeweils solche anzusehen, (1) mit denen bezweckt oder bewirkt wird, Waren aus anderen Mitgliedstaaten weniger günstig zu behandeln, (2) Vorschriften über die Voraussetzungen, denen die Waren entsprechen müssen, selbst wenn diese Vorschriften unterschiedslos für alle Erzeugnisse gelten sowie (3) jede sonstige Maßnahme, die den Zugang zum Markt eines Mitgliedstaats für Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten behindert (ANETT-Rechtsprechung).19 Letzteres wird vom EuGH in Bezug auf die hier gegenständliche Beschränkung der Verwendung eines Erzeugnisses im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats dann bejaht, wenn diese nach ihrer Tragweite einen erheblichen Einfluss auf das Verhalten der Verbraucher dergestalt hat, dass sie sich im Ergebnis negativ auf den Zugang des Erzeugnisses zum Markt des Mitgliedstaats auswirkt.20 Haben die Konsumenten nämlich im Wissen um die betreffende Verwendungsrestriktion praktisch kein Interesse daran, das dieser unterfallende Produkt zu erwerben, so wird die Nachfrage nach diesem auf dem betreffenden Markt – und folglich dessen Einfuhr dorthin – behindert.21
Aufgrund des „Linkslenkergebots“ dürfen „Rechtslenker“ in M nicht auf öffentlichen Straßen geführt werden. Hierdurch werden die in diesem Mitgliedstaat ansässigen Personen daran gehindert, von derartigen Pkw bestimmungsgemäß Gebrauch zu machen. Die danach allein noch denkbaren Verwendungsmöglichkeiten auf Privatflächen oder „off road“ sind demgegenüber unbedeutend; die zeitlich begrenzte „Touristenklausel“ ist ausschließlich Ausländern vorbehalten. Einwohner von M können ursprünglich als „Rechtslenker“ hergestellte Pkw praktisch vielmehr nur dann in diesem Mitgliedstaat nutzen, wenn zuvor deren Lenkrad jeweils auf die linke Seite versetzt wurde. Die Durchführung einer solchen Umbaumaßnahme ist jedoch äußerst kostenintensiv, weshalb die in M ansässigen potentiellen Erwerber von „Rechtslenkern“ das Interesse daran verlieren, solche Fahrzeuge in einem anderen Mitgliedstaat zu erwerben, in dem ihr Verkauf üblich ist. Folglich behindert das „Linkslenkergebot“ den Zugang von in anderen Mitgliedstaaten rechtmäßig hergestellten und zugelassenen „Rechtslenkern“. Auch wenn dieses – wie von M vorgetragen – unmittelbar weder den Verkauf noch die Einfuhr von „Rechtslenkern“ verbietet, so ist es daher dennoch als Maßnahme gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Einfuhrbeschränkung zu qualifizieren.
Ein Eingriff in den Schutzbereich von Art. 34 AEUV liegt demnach vor.