Читать книгу Unter Piraten - Miriam Lanz - Страница 4
Оглавление05. April im Jahre des Herrn 1703:
An diesem ungewöhnlich warmen Frühlingstag fuhr eine einspännige Kutsche die Hofeinfahrt eines schönen Landhauses in Dartford hinauf. Weder die junge Frau, die mit einem Buch auf ihren Knien auf der Terrasse saß, noch das kleine blonde Mädchen, das im Gras kniete und Blumen pflückte, hörten das herannahende Gefährt.
Als wenige Augenblicke später ein großer Mann in Kapitänsuniform durch die Balkontür trat, erhob sich die Frau; ihre grünen Augen leuchteten vor Freude, als sie ihrem Mann in die Arme fiel.
"Charles, ich habe gar nicht gehört, dass du gekommen bist", rief sie glücklich aus, bevor sie den Kapitän küsste.
„Josefine, du kannst dir nicht vorstellen wie sehr ich euch vermisst habe! Es tut so gut endlich wieder hier zu sein!" Sein Blick schweifte durch den großen Garten, der von blühenden Obstbäumen umgeben wurde und er zog seine Frau näher an sich heran.
„Meine Güte, Gwyn ist ja schon ein richtig großes Mädchen geworden!", stellte er beinahe überrascht fest, als sein Blick auf das Kind fiel.
"Da siehst du mal, wie lange du fort warst." Der Hauch eines vorwurfsvollen Untertons schwang in Josefines Stimme mit. Dennoch lächelte sie, als sich Charles aus der Umarmung löste, um zu seiner kleinen Tochter zu laufen.
Als das blonde Mädchen den Kapitän bemerkte, begann sie zu strahlen.
„Daddy!“ Sie ließ ihre gepflückten Blumen fallen und stürmte ihrem Vater in die Arme.
"Meine Prinzessin, wie ich dich vermisst habe!" Charles drückte Gwyn an sich und küsste sie.
„Daddy, bleibst du jetzt hier?“, fragte sie hoffnungsvoll, wobei sie ihrem Vater den mit Federn geschmückten Dreispitz vom Kopf zog. Der Kapitän sah seine Tochter liebevoll an, bevor er sie wieder an sich drückte.
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"Selbstverständlich ist es eine große Ehre, nach Kingston versetzt zu werden, aber kommt das nicht ein bisschen zu plötzlich? Gwyn ist viel zu jung. Wir können ihr unmöglich eine solch lange Reise zumuten!", erklärte Josefine entschieden, nachdem das Hausmädchen den Braten aufgetragen und das Speisezimmer wieder verlassen hatte.
„Was zumuten?“, nuschelte Gwyn mit vollem Mund.
„Mit vollem Mund spricht man nicht. Und eine Dame schon gar nicht, Liebling.“ Josefine schüttelte amüsiert den Kopf und nahm einen Schluck Wein. Gwyn schluckte hastig den Bissen herunter und wiederholte ihre Frage.
„Nun, ich bin doch ein Kapitän und muss oft ganz weit weg fahren. Damit ich euch nicht immer so lang alleine lassen muss, will euch beide mitnehmen.“ Charles legte sein Besteck auf den Tellerrand und musterte seine dreijährige Tochter gedankenversunken.
„Du hast Recht, Josefine. Die Fahrt nach Kingston ist zu viel für sie“, räumte er schließlich ein und griff wieder nach seinem Essbesteck. Gwyn zog eine Schnute und sah ihren Vater beleidigt an.
„Zuerst werde ich nur mit Mami nach Kingston fahren, und wenn es ihr dort gefällt, holen wir dich sofort nach. Was hältst du davon, Prinzessin?“
Josefine sah ihren Mann fassungslos an, protestierte aber nicht gegen seinen spontanen Entschluss.
Das Mädchen nickte. „Bringst du mir etwals mit?“
„Natürlich! Das schönste Geschenk, das ich sehe. Großes Ehrenwort.“ Charles streichelte seiner Tochter, deren grüne Augen vor freudiger Erwartung leuchteten, über den Kopf.
Einige Tage später wartete eine beladene Kutsche in der weitläufigen Einfahrt des Landhauses. Der Kutscher hatte sich die Krempe seines Huts tief ins Gesicht gezogen und lehnte gelangweilt an seinem Gefährt.
„Du hältst hier die Stellung, Nancy! Ich verlasse mich auf dich“
„Selbstverständlich, Sir!“ Gwyns Gouvernante verbeugte sich vor dem Kapitän.
„Hör auf Nancy! Sie wird mir alles berichten!“ Josefine kniete vor ihrer Tochter.
„Ja, Mami.“ Gwyn umarmte ihre Mutter. „Ich hab dich sehr lieb, Mami!“
Josefine küsste ihre kleine Tochter. „Ich dich auch, meine Süße.“
„Pass´ gut auf Nancy auf.“ Charles lächelte und nahm seine Tochter in die Arme.
„Wenn du wieder kommst, liest du mir dann vor?“
„Ja, hundert Geschichten mindestens.“ Charles gab seiner Tochter einen Abschiedskuss bevor er seiner Frau in die Kutsche half.
Als der Kutscher die Pferde antrieb und ihr die Eltern zum Abschied winkten, begann Gwyn zu weinen. „Mami, Daddy, kommt bald wieder!“