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Donnerstag, 20. August 1998

Alle waren sie mit auf das Schiff gekommen. Es war ein herrliches, verschwenderisch ausgestattetes Boot, weit über dreißig Meter lang, mit sechs Kabinen. Als ich es zum ersten Mal gesehen hatte, hatte ich einen Riesenschreck bekommen, weil ich – genau wie beim Haus – wusste, was diese Ausmaße für mich zu bedeuten hatten.

Es war ein warmer, strahlend blauer Tag. Ich versuchte ihn zu genießen – vielleicht würde heute ja nichts passieren. Manchmal ignorierte er mich sechs oder acht Monate lang komplett.

Aber schon bald spürte ich, dass ihm meine Anwesenheit bewusst war. Er dachte an mich, plante das, was geschehen würde. Und er wusste und genoss es, dass ich das spürte. Es steigerte seine Befriedigung. Das war der Grund, weshalb er sich nie direkt an mich heranmachte.

Am späten Nachmittag sonnte ich mich zusammen mit einigen anderen. Ich tat, als ob ich döste. Plötzlich kam eine heftige Brise auf. Die Leute um mich herum wurden unruhig, redeten und setzten sich auf, um nach Wolken Ausschau zu halten. Küchendüfte drangen aus der Kombüse nach oben und schufen eine verlockend normale Stimmung.

Vielleicht würde es doch nicht so weit kommen.

Aber dann sah ich ihn. Mit einem Nicken befahl er mich zu der Treppe, die zu den Kabinen hinunterführte.

Flüssigkeit stieg mir in den Hals, und ich schluckte sie wieder hinunter.

Ich konnte so tun, als hätte ich ihn nicht gesehen. Er würde es jetzt nicht zu weit treiben; es war schwierig genug gewesen, einen Augenblick abzupassen, wo er mir ein Zeichen geben konnte, in dem die anderen abgelenkt waren.

Dieses Risiko, so nahm ich an, machte einen Teil seines eigenen Vergnügens aus.

Aber dann würde er genau wissen, dass ich ihn absichtlich übersehen hatte, und das bedeutete, dass unsere nächste Begegnung nur noch schrecklicher werden würde.

Ich schluckte noch einmal, stand auf, zog meinen Badeanzug zurecht und schlenderte wie beiläufig auf die Treppe zu.

Ich hatte eigentlich gedacht, er würde mich in eine der Kabinen zerren, aber er fing direkt in dem schmalen Korridor an, seine Hand in meinen Badeanzug zu stecken. »Lieb und brav«, sagte er in diesem leicht schleppenden Tonfall, den ich so hasste, und biss in mein rechtes Ohr, das ohne Ohrstecker. Ich hörte den Atem zwischen seinen Zähnen zischen. Ich ballte die Fäuste und zählte von hundert an rückwärts, als er in meine Brustwarzen kniff.

Aber das reichte ihm nicht, er wollte, dass ich laut wurde, und so drückte er noch stärker zu, bis ich nach Luft schnappte und versuchte mich loszureißen.

Früher hatte ich gelegentlich versucht, mich gegen ihn zu wehren, aber das machte ihm Spaß, und so hatte ich damit aufgehört. Jetzt wollte ich einfach, dass es vorbei war. Manchmal tat er mir besonders weh, um meinen Widerstand zu spüren.

»Das da ziehen wir am besten aus«, sagte er und schob mir die Träger über die Schultern.

»Hier draußen?«

»Soll das heißen, du möchtest mit mir in eine Kabine gehen? Was sind wir heute aber direkt.«

»Du weißt genau, was ich meine, du Scheißkerl.«

»Du sollst lieb sein. Ich hab’s dir gesagt.« Er riss mir den Badeanzug über die Brüste herunter.

Auf der Treppe waren Schritte zu hören. Ich erstarrte. Er kicherte.

Ich huschte in eine Toilette und zog den Badeanzug wieder hoch. Als ich herauskam, war er verschwunden. Für den Rest des Tages würdigte er mich keines Blickes mehr.

Ich war in Sicherheit, bis zum nächsten Mal.

Ohne jede Schuld / Vor aller Augen

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