Читать книгу Verschenke kleine Sonnenstrahlen - Monica Maria Mieck – Herausgeber Jürgen Ruszkowski - Страница 14
Kleine Residenz
ОглавлениеDas würfelförmige weiße Haus schmiegt sich unauffällig in die Reihe der vielen Giebelhäuser, die bei genauem Hinschauen einträchtig vereint wie eine Geschwisterschar auf mich wirkt. Einer stützt in Sturmzeiten den anderen, hilft selbstverständlich und ungefragt beim Ausbessern des Daches mit. Im Schutze der Hauswand klettert ein üppiger roter Rosenstock mit viel Blühkraft, so als wolle er noch in diesem Sommer die Regenrinne küssen. Die schmale Straße, die die Häuser und den Boot tragenden Fluss trennt, schlummert in der warmen Mittagssonne. Auch die Geschäftsleute genießen ihre wohlverdiente Pause.
Ein schlankes braunes Boot liegt artig angebunden am grünen Ufer.
Davor zwischen blau blühenden Lupinen erspähe ich an einem Gartentisch eine malende Frau. Sie scheint ganz in ihr Spiel mit den bunten Farben eingetaucht zu sein. Doch dann läuft ein winziger weißer Hund auf mich zu, schnuppert an meinen Schuhen und Hosenbeinen, und er akzeptiert mich. In diesem Moment treffen sich die Offenheit und Freundlichkeit zweier Frauen. „Darf ich mal schauen, was Sie da malen?“ – „Ja, gerne, kommen Sie doch zu mir und setzen Sie sich in den Strandkorb.“ Unsere Hände berühren sich, aber noch intensiver begegnen sich unsere wachen Augen. Wir sind beide fast gleichaltrig, haben erwachsene Kinder und immer noch viele kreative Einfälle. Gemeinsame Interessen weben schnell eine warme Verbindung. Ich verweile gerne in der Nähe dieser Frau. Ja, ich fühle, dass wir uns besonders gut verstehen.
Die Sonne hat schnell die bunten Farben auf dem Aquarellpapier getrocknet. Der Pinsel hält Ruhepause. Die Besitzerin der „Kleinen Residenz“ zeigt mir, nicht ganz ohne Stolz, die romantischen Puppenstuben im Inneren des Hauses. Gemütlich eingerichtete Zimmer mit zartem Flair, denen man ansieht, dass man sich hier rundum wohl fühlen kann. An den frisch gestrichenen weißen Wänden kann ich den Fleiß und die Phantasie der Hobbymalerin wieder finden. Getrocknete Rosen breiten in Körben ihren verführerischen Duft aus. Das ganze Häuschen lädt zum Verwöhnen ein.
Mit einer kostbaren Weißweinflasche und zwei Gläsern begeben wir uns wieder in die Fülle des duftenden Sommers hinein, zwischen hohe Gräser, blaue Lupinen und stolze Margeriten. Und wir beiden Frauen kommen uns sehr nahe.
„Ich habe mir die „Kleine Residenz“ zu meinem 60. Geburtstag selber geschenkt, damit ich nicht als Witwe so einsam bin.“ Elf Jahre harte Arbeit als Designerin hat sie schon als allein lebende Frau hinter sich, und von diesem Lohn hat sie sich nun diesen Wunsch für die nächste Phase ihres Lebens erfüllt. Eine erfüllende Aufgabe gegen das Alleinsein! Dass aus diesen warmen braunen Augen heute Morgen noch Tränen auf das weiße Kopfkissen gefallen sind, kann ich trotzdem verstehen. Danach hat diese mütterliche Frau sich aber mit viel Elan an das Verwöhnungsfrühstück für ihre Gäste gemacht. Diese schöne Verpflichtung hat sie aus ihrem Bett gelockt. Die Inhaberin dieser außergewöhnlichen Pension hat vor allem noch Zeit für Gespräche, wenn ihre Gäste sie wünschen. Wo die Liebe und das Mitgefühl residieren, sind die Räume warm und bunt. Mit fällt es schwer, mich von dieser beherzten Frau zu verabschieden. Lange schenken wir uns körperliche Berührungen, ehe ich winkend und nachdenklich in die schmale Straße stolpere.
Wenn du mich mit Liebe beherbergst,
kannst du trockenes Brot auf den Tisch stellen.
Es wird süß schmecken.