Читать книгу Bohnenviertel - Monika Lange-Tetzlaff - Страница 16
Der Leonhardsplatz als Marktplatz
ОглавлениеWo sich heute eine Bushaltestelle mit Fußgängerüberweg befindet, und ein etwas leerer Platz gähnt, befand sich im 18. Jahrhundert ein Marktplatz. Genau genommen waren es mehrere Märkte, denn der Marktinhalt wechselte. So war der St. Leonhardsplatz 1715 Holz- und Krautmarkt, 1746 jedoch Rüben-, Kübel- und Holzmarkt. Direkt bei der Kirche gab es 1764 noch den Heumarkt und den neuen Hafenmarkt (Hafen = schwäbisch Gefäß). 1791 durften sehr zum Ärger der Einheimischen auswärtige Fischer ihre Fische dort aufbewahren, bis sie verkauft werden konnten. Vermutlich betraf dies vor allem Stockfische. Ein Markt hatte eine wichtige Funktion: Er versorgte nicht nur die Bevölkerung mit den notwendigen Dingen des Lebens, sondern war für die Stadt auch eine Einnahmequelle, da die Händler für die Marktstände – wie heute auch – eine Gebühr bezahlen mussten. Sie war zwar mit maximal einem Kreuzer nicht hoch, aber es summierte sich eben doch. Auch für das Handeltreiben überhaupt benötigte man eine behördliche Genehmigung, wodurch die Behörden einen Überblick über die Handelstätigkeit behielten. Oft versuchten gerade ärmere Leute, sich durch ein bisschen Warenverkauf ein Zubrot zu verdienen. Allerdings nutzten nicht alle die Möglichkeit von Märkten, sondern manche wichen auch auf Wirtshäuser und Privatwohnungen aus. Das kostete keine Gebühr und konnte ohne Einwilligung der Behörden geschehen, auch wenn diese das nicht gerne sahen.
Abb. 4 Leonhardsplatz mit Kirche (Biedermeier)
Als die einzelnen Märkte in der Stadt immer größer wurden, d.h. die Buden wurden zahlreicher und standen dichter, erhöhte sich natürlich dadurch auch die Brandgefahr, was die Behörden zum Eingreifen veranlasste. Der große Platz neben der Leonhardskirche wurde zu Beginn des 19. Jahrhunderts ebenso für auswärtige Händler und Händler anderer Professionen freigegeben: Nun boten auch Nadler, Dreher, Bürstenmacher, Buchbinder, Strumpfweber, Zinngießer und viele andere Handwerker ihre Produkte an. Die Behörden achteten wegen der Brandgefahr darauf, dass zwischen den einzelnen Ständen ausreichend Platz blieb. Strikt verboten war das Hausieren, was vor allem bei der ärmeren Bevölkerung eine beliebte Einnahmequelle war. Das heißt aber nicht, dass dieses Verbot unbedingt eingehalten wurde.
Wer übrigens glaubt, heute würde von behördlicher Seite zu viel reguliert und früher sei alles besser gewesen, der schaue sich einmal die „Wirt- und Gastgeberordnung“ von 1736 an. Sie enthält genaue Preisangaben für Unterkunft, Speisen und Getränke, Stallmiete und Schlafgeld. Eine Erbsensuppe wurde mit 3 Kreuzern pro Person berechnet, ein Pfund gebackener Aal mit einer halben Zitrone(!) wurde mit 24 Kreuzern, eine Wildente mit 40 Kreuzern veranschlagt.33
Nur die Ausbildung der Wirte war nicht geregelt, sodass sich unter den Wirten auch Chirurgen und Kaufleute befanden. Zu den bekanntesten Wirtschaften zählte am Leonhardsplatz die „Goldene Krone“, die bereits 1594 erwähnt wurde. Neben den eigentlichen Gasthöfen, den Schildwirtschaften, gab es auch Gassenwirte, die das Recht hatten, Wein auszuschenken, aber eigentlich keine Gäste beherbergen durften, was nicht immer eingehalten wurde. Grundsätzlich durften alle Bürger selbst erzeugten Wein ausschenken,34 was gerade im heutigen Bohnenviertel eine zusätzliche und willkommene Einnahmequelle darstellte.
Ein großes Problem im 18. Jahrhundert stellten die Bettler dar, die sich heimlich durch Lücken in der Stadtmauer einschlichen und vor allem auf Märkten ihr Glück versuchten, manchmal auch mit Diebstählen. Deshalb wurde 1734 auch untersagt, ohne behördliche Genehmigung Fremde zu beherbergen.35 Damit bekam man jedoch das Bettelunwesen nicht in Griff, und es wurden härtere Maßnahmen gegen die Bettler eingesetzt, vor allem weil die Bürger sich massiv beklagten. So wurde 1739 den Haus-, Garten- und Grundeigentümern gestattet, Fremde des Nachts von ihrem Grundstück zu verjagen, notfalls auch, unter Straffreiheit, zu töten.36
Das soziale Elend zeigte sich auch an der hohen Zahl ausgesetzter Kinder. Im März 1750 wurde ein etwa einjähriges Kind beim Esslinger Tor gefunden, dessen Eltern trotz behördlicher Bemühungen nicht gefunden werden konnten. Dieses Kind war kein Einzelfall. Meist lag beim ausgesetzten Kind ein Zettel, mit der Bitte, es aufzunehmen und einem Hinweis darauf, ob das Kind getauft war oder nicht.