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Großes Moldawisches Reich Tagebuch – 08.02.2003

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Gestern waren gleich zwei Besucher bei uns. Zuerst kam mal wieder der kleine Rogaciov. Er brachte Vater eine Flasche Wodka mit, Mutter einen kleinen Topf Honig und mir einen Kuchen. So ein Trottel! Denkt der etwa, ich könnte mir nicht selbst einen backen, wenn mir der Sinn nach Süßkram stünde? Dann saßen wir eine Weile herum, aßen von dem fürchterlich trockenen Kuchen und niemand sagte etwas. So eine Zeitverschwendung! Warum ist er überhaupt gekommen, wenn er doch keinen Ton herausbringt? Immerhin müsste ich mir bei so einem Mann sicher keine Sorgen machen, dass er mich andauernd schlägt. Vielleicht könnte ich ihn sogar dazu überreden, mich weiterhin allein zur Überprüfung gehen zu lassen? Vater wäre sicher einverstanden. Nicht, dass er dieses jämmerliche Bürschchen auch nur ansatzweise respektieren würde, aber immerhin ist sein Vater, Boris Rogaciov, Vaters ältester und bester Freund und ein loyaler und großzügiger Unterstützer seiner politischen Karriere. Aber will ich wirklich Kinder von so einem Würstchen? Ausgerechnet? Nein, will ich nicht. Aber ich will auch überhaupt keine Kinder. Mutter sagt, ich bin nicht ganz richtig im Kopf. Nina und Olessya sagen das auch. Dass das für eine Frau nicht normal ist. Dass Kinder zu kriegen schließlich unsere Bestimmung ist, das, wofür wir vorgesehen wurden. Kinder kriegen und die Männer bedienen, um es genau zu sagen. Die meisten scheinen damit ja auch glücklich zu sein. Wenn ich mir unsere Nachbarinnen anschaue, denke ich oft, dass ihre Kinder das Einzige sind, das ihnen Freude macht. Es ist kein Geheimnis, dass viele in ihren Kindern den Ausgleich zu ihrem grausamen oder versoffenen Ehemann sehen. Das ist doch verrückt! Und ich? Bin ich auch verrückt? Allein der Gedanke, dass der Samen eines Mannes in mir heranwächst lässt mich würgen. Es würde in mir heranwachsen und immer größer und größer werden und mich von innen auffressen wie ein Bandwurm oder irgendwelche Larven, die aus Eiern schlüpfen. Widerlich! Wenn es doch nur möglich wäre, einen Mann zu heiraten und keine Kinder zu bekommen, dann würde ich sogar irgendeinen alten Sack nehmen, den Vater für mich aussucht, ganz egal. Vielleicht habe ich ja Glück und mein Zukünftiger ist unfruchtbar oder besser noch: Ich bin es! Ich glaube, wenn ich das hier nicht hätte, würde ich eines Tages platzen. Und dann würden sie mich ins Irrenhaus sperren. Vielleicht gehöre ich da ja auch hin. Wenn Vater erfahren würde, was ich hier schreibe, würde er mich totprügeln, und jeder Richter würde ihn dafür freisprechen. Niemals würde er es dulden, dass ich so über ihn geschrieben habe. Vermutlich wäre er sogar froh, endlich einen Vorwand zu haben, verdient habe ich das seiner Meinung nach ja sowieso schon lange. Für meinen Ungehorsam. Für mein störrisches Wesen. Für die Art, wie ich den Kopf hochhalte, wenn er mit mir spricht.

Gestern Abend dann war wieder der Händler da, Michel Michaelowitsch. Er hat Vater ein paar Pläne verkauft. Kon­struktionspläne von irgendwelchen mechanischen Vorrichtungen. Vater war ganz begeistert und hat Michel zu Wodka und einem Abendessen eingeladen. Sogar während sie gegessen haben, haben sie über die Pläne geredet. Anscheinend ist dieser Michaelowitsch weniger ein Hausierer, als einer, der gern herumreist und alles Mögliche an Wissen aufschnappt. Ich habe ihn und Vater belauscht, während ich am Herd gegessen habe. Vater will meistens nicht, dass ich mit am Tisch sitze, wenn er Besuch hat. Nach dem Essen haben sich Vater und Michel noch lange weiter unterhalten. Mutter war viel zu beschäftigt damit, die beiden zu bedienen, sodass sie vergaß, mich ins Bett zu scheuchen. Also bin ich einfach von meinem Stuhl gerutscht und habe mich auf den Boden vorm Herd gesetzt. Dort ist es auch nachts noch schön warm, wenn es sich draußen und im Rest des Hauses längst abgekühlt hat. Irgendwann begann Michel eine Geschichte aus seiner Heimat zu erzählen. Es ging um ein Mädchen und eine Robbe, glaube ich. Ein Märchen. Ich habe keine Ahnung, wie es ausgegangen ist. Ich weiß nur, dass ich irgendwann wach wurde. Es war mitten in der Nacht, und das ganze Haus war dunkel. Mir hätte kalt sein und der Kopf hätte mir wehtun müssen, weil ich so komisch gelegen hatte. Aber nichts davon war der Fall. Im Gegenteil: Ich fühlte mich warm und seltsam wohlig. Ich bin dann ins Bett gegangen und habe bis Mutter mich herausscheuchte tief und fest geschlafen. Schade eigentlich, dass ich nicht mehr weiß, wie das Märchen ausgegangen ist. Ob ich ihn das nächste Mal danach fragen soll?

Hexenherz. Glühender Hass

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