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Großes Moldawisches Reich Tagebuch – 18.01.2003

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Es kommt mir vor wie ein Traum, dass ich dieses Versteck hier gefunden habe. Es soll ganz allein mir gehören! Niemand wird mich hier finden, ich muss nur schnell sein. Ich kann jeden Samstag herkommen, wenn ich mich beeile. Vater würde nie auf die Idee kommen, mir ausgerechnet am Überprüfungstag nachzuspionieren. Wozu auch? Keine Frau im ganzen Reich würde es wagen, nicht zur Magieüberprüfung zu erscheinen. Jeder weiß, was mit denen passiert, die unter Verdacht stehen, sich in eine Hexe verwandelt zu haben. Nein danke!

Und jetzt bin ich hier. Das ist Schicksal. Letzten Samstag war dem neuen Händler beim Einladen seiner Sachen auf unserem Hof dieses Buch hier herausgefallen. Ich hätte warten sollen, bis er weg ist, aber es war so schön, dass ich es sofort aufgehoben habe. Natürlich hat er mich dabei erwischt, so dumm wie ich mich angestellt habe. Was, wenn er mich bei Vater verpetzt hätte? Mir taten noch vom letzten Mal die Rippen weh. Aber er hat kein Wort gesagt. Hat mich nur angeschaut mit langweiligen blaugrünen Augen. Dann hat er plötzlich gezwinkert, in seine Jacke gegriffen und mir etwas zugeworfen. Einen Stift. Kaum dass der Händler vom Hof war, habe ich die Sachen schnell versteckt. Und heute dann finde ich diesen Platz hier, das kann doch kein Zufall sein! Jetzt kann ich jede Woche schreiben, was immer ich will – niemand wird es je zu lesen bekommen!

Aber was soll ich schreiben? Es passiert ja nichts. Oder das: Der Sohn vom alten Rogaciov hat mir gestern Blumen geschenkt. Ich habe ihn gefragt, was ich damit anfangen soll und ob er meint, ich hätte den ganzen Tag Zeit, zu Hause irgendwelche blöden Schneeglöckchen anzuschmachten, die es nach so milden Tagen gibt wie Sand am Meer. Er ist wie immer rot geworden und weggelaufen. So ein Schwächling! Ich habe ihm hinterhergerufen, wie er denn eines Tages einer Frau Kinder machen will, wenn er ihr nicht mal in die Augen schauen kann, oder ob er sie sich dafür dann einfach andersrum hinlegt. War das ein Spaß! Mutters Ohrfeige war saftig, aber sie kann auch härter, daher weiß ich, dass sie insgeheim meine Meinung teilt. Wäre Rogaciov nicht Vaters Freund, würde sie es sicher nicht dulden, dass mich sein Sohn andauernd besuchen kommt. Und das war so ziemlich das Aufregendste, was in letzter Zeit passiert ist. Das ist so armselig! Die einzigen Veränderungen sind die, wenn Vater wieder einmal »der Politik wegen« in die Hauptstadt reist. Nächste Woche ist es wieder so weit. Dann muss ich Mutter wieder Vaters Anweisungen vorlesen und mir ihr Genöle anhören, wie gut ich es doch habe, dass ich immerhin bis ich zwölf war zur Schule gehen durfte. Ich frage mich, warum Vater immer alles aufschreibt. Er wird ja sowieso wieder Onkel Vadim sagen, dass er jeden Tag nach uns schauen soll. Ob Vater eigentlich weiß, wie gründlich Onkel Vadim dann immer nach Mutter schaut? Dabei ist Tante Zinovia ja auch andauernd schwanger. Die Arme. Vier Blagen hat sie schon und kaum hat sie eins unter Schmerzen zur Welt gebracht, schiebt ihr Onkel Vadim das nächste hinterher. Dabei kann jeder Idiot sehen, dass es mit ihrer Gesundheit langsam bergab geht. So will ich auf keinen Fall enden!

Werde ich aber: Nicht mehr lange und ich werde 16 und Vater wird mich verheiraten. Und selbst wenn mein Mann wie durch ein Wunder nicht alt oder fett oder hässlich oder grausam oder dumm oder alles zusammen ist, wird er schon am Tag unserer Hochzeit versuchen, ein Balg in mich reinzumachen. Immer und immer wieder, bis ich von all den Schwangerschaften und Geburten verbraucht und ausgeleiert bin. Außer natürlich ich habe Glück und bekomme so wie Mutter nur zwei Kinder bei sechs oder sieben Schwangerschaften.

Halt, zurück: Das Leben meiner Mutter als Glück zu bezeichnen … Mir wird schlecht. Lieber bringe ich mich eines Tages um, als so zu enden. Nur Arbeit, Vorwürfe und Schläge, wann immer es Vater in den Sinn kommt. Mutter sagt immer, vor meiner Geburt war alles besser. Da hatte sie Vater immerhin schon einen Sohn geschenkt, und es gab noch Hoffnung auf einen zweiten. Aber bei meiner Geburt ist dann etwas in ihr kaputtgegangen, und das war es dann.

Manchmal denke ich darüber nach, dass die Zeit in Mutters Bauch bestimmt die beste meines Lebens war. Weil ich die Welt da noch nicht gekannt habe und vor allem, weil mich meine Eltern da noch nicht kannten. Es muss ja eine Zeit gegeben haben, in der sie beide sich über mich gefreut haben, weil sie dachten, dass ich vielleicht ein Junge werde. Es muss also eine Zeit gegeben haben, in der sie mich geliebt haben.

Hexenherz. Glühender Hass

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