Читать книгу Der Turm von Babel - Morris L. West - Страница 8
Alexandria
ОглавлениеIn der Westkurve der Grande Corniche von Alexandria, in der Nähe des Palasts von Ras-el-Tin, lag eine Villa in einem Garten mit Palmen, Rasenflächen und Blumenbeeten. Auf den ersten Blick machte das alles noch immer den Eindruck von Reichtum und Luxus, obwohl die Glanzzeit der Villa vorüber war, seit ihr griechischer Besitzer sein Vertrauen in Nassers Regime verloren und beschlossen hatte, sein dezimiertes ägyptisches Kapital im Stich zu lassen und in Europa von seinen Papieren zu leben. Der Garten begann jetzt zu verwildern, die weißen Gartenmöbel verrosteten, die Markisen waren ausgeblichen, den Rasen durchwucherte Unkraut, und abgefallene Datteln verfaulten in der Sonne.
Am Tag nach dem Zwischenfall von Sha’ar Hagolan gingen zwei Männer durch den Garten. Der eine war ein kleiner wendiger Bursche mit arglosem Gesicht und milden Augen; er sah aus wie ein Bankier oder ein höherer Beamter. Sein Name war Idris Jarrah. Und er war auch wirklich etwas wie ein Beamter, nämlich Leiter der Operationsabteilung der Palästinensischen Befreiungsorganisation. Seine Nationalität war unbestimmt. Er war Palästinaaraber, in Jaffa geboren. Seine Heimat war jetzt von einem Volk besetzt, das er haßte, von einer Nation, die von Rechts wegen, wie er meinte, keine Existenzberechtigung besaß und deren Vernichtung er sich zum Ziel gesetzt hatte. Auch urkundlich war er eine zweifelhafte Person, denn er besaß mehrere Pässe: einen ägyptischen, einen griechischen, einen syrischen, einen libanesischen, einen jordanischen und einen italienischen. Sein Begleiter war ein großer grauhaariger Mann Anfang Fünfzig, dessen Name sorgfältig geheimgehalten wurde. Er war das Oberhaupt des Planungsstabs der gleichen Organisation.
Der Tag war warm und angenehm. Aus Afrika blies ein lauer stetiger Wind, der einen beißenden Geruch nach Sand und den modrigen Ausdünstungen des Maryut-Sumpfes mit sich trug. Die Palmzweige knackten, und als die beiden Männer über den Kiesweg gingen, wirbelten die welken Blätter zu ihren Füßen in kleinen staubigen Strudeln dahin. Der ältere Mann sprach sehr nachdrücklich und unterstrich seine Worte mit heftigen Handbewegungen. Idris Jarrah redete leise und ohne jede Gestik. Er war ein Mann, der ein Dutzend verschiedene Existenzen führte und gelernt hatte, was Anonymität und Beherrschung waren. Der Namenlose sagte:
»Diese Sache in Galiläa war ein Blödsinn! Eine sinnlose Provokation, die nur die öffentliche Meinung in Israel verhärtet und Syrien zu einem Zeitpunkt ins Scheinwerferlicht rückt, zu dem wir es dort nicht haben wollen.«
»Stimmt«, sagte Idris Jarrah freundlich. »Aber solche Sachen passieren. Die Mine lag wahrscheinlich schon seit Monaten dort.«
»Wenn Sie nach Damaskus kommen, sprechen Sie mit Safreddin darüber. Erinnern Sie ihn nachdrücklich an unsere Abmachungen. Alle Zwischenfälle müssen in Zukunft auf die jordanische Grenze beschränkt bleiben. Machen Sie ihm klar, daß Ägypten nach dem gegenseitigen Beistandsabkommen keine Schritte unternehmen muß, wenn Syrien einen israelischen Angriff provoziert.«
»Ich werde das tun. Das neue Programm erfordert sowieso eine Konzentration unserer Kräfte in Nablos, Hebron und am Toten Meer. Wir werden dort alle Hände voll zu tun haben. Safreddin wird vollauf mit der anderen Sache beschäftigt sein.«
»Wann will er anfangen?«
»In zwei Wochen. Er wartet darauf, daß ich das Geld nach Jordanien bringe.«
»Ist Khalil vorbereitet?«
»Safreddin sagt ja. Aber ich werde selbst alles überprüfen, bevor ich das Geld aushändige.«
»Diesmal muß es funktionieren«, sagte der Namenlose in plötzlichem Ärger. »Eine weitere Säuberungsaktion in der jordanischen Armee würde uns ein ganzes Jahr zurückwerfen – wenn nicht mehr.«
»Ich weiß«, sagte Idris Jarrah. »Wenn Khalils Plan irgendwelche schwachen Punkte aufweist, bin ich ermächtigt, die ganze Aktion zu verschieben. Ist das richtig?«
»Richtig. Und jetzt zum Geld. Wir haben zweihunderttausend Pfund Sterling bei der Pan-Arabischen Bank in Beirut auf ein Konto unter Ihrem Namen deponiert.«
Idris Jarrah blickte überrascht auf.
»Bei der Pan-Arabischen Bank? Wir haben doch sonst immer mit Chakry gearbeitet.«
Sein Begleiter lächelte dünn und humorlos.
»Ich weiß. Wir haben beschlossen, andere Arrangements zu treffen. Ihr derzeitiges Guthaben bei Chakry beträgt siebenundfünfzigtausend US-Dollar. Wenn Sie in Beirut sind, heben Sie das Geld sofort ab und zahlen es auf das neue Konto ein.«
»Gibt es dafür einen Grund?«
»Viele. Erstens ist Chakry für seine Schuhnummer zu groß geworden, und zweitens müssen die Libanesen lernen, daß sie nicht weiterhin Profite machen können, während wir anderen die Risiken tragen.«
»Und siebenundfünfzigtausend Dollar sollen ihnen das beibringen?«
»Kaum. Aber vielleicht fünfzig Millionen.«
»Das scheint ein interessanter Monat zu werden«, sagte Idris Jarrah mit schwachem Lächeln.
»Ich hoffe, Sie bleiben so lange am Leben, daß Sie auch was davon haben. Wann reisen Sie ab?«
»Heute nachmittag drei Uhr. Das Schiff liegt im Hafen. Ich werde morgen vormittag um elf Uhr in Beirut sein.«
»Amüsieren Sie sich gut«, sagte der Namenlose gleichgültig.
»Inshallah«, sagte der mondgesichtige Beamte.