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5. Aristoteles

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Auch Aristoteles (384–322 v. Chr.) hat kein dezidiert sprachphilosophisches Werk verfasst. Er beschäftigt sich dennoch v.a. in der Schrift Περὶ ἑρμηνείας/De interpretatione1 mit Sprache, so dass anhand dieses Traktats die sprachphilosophischen Gedankengänge von Aristoteles herausgearbeitet werden können. Verschiedene Aspekte sind in den Blick zu nehmen: (1) Aristoteles bestimmt das sprachliche Zeichen als σύμβολον. Es ist zu erläutern, wie dies zu verstehen ist und was der Ausdruck παθήματα τῆς ψυχῆς bedeutet. (2) Im Anschluss daran kann nach dem aristotelischen Verständnis von ὄνομα und nach der Wendung κατὰ συνθήκην gefragt werden. In beiden Themenkomplexen wird der Standpunkt des Aristoteles bezüglich der φύσει-θέσει-Theorie aufgegriffen. (3) Weiterhin wird das aristotelische λόγος-Verständnis dargestellt, von welchem ausgehend sich der Fokus auf den Wahrheits- und Falschheitsgehalt von Sätzen richtet. (4) Zuletzt rückt Aristoteles als Realist in den Blick.

(1) Aristoteles interessiert sich für verschiedene sprachliche Relationen, die im Lauf der Untersuchung thematisiert werden. Mit einer Relation beschäftigt er sich allerdings nicht, und das ist diejenige, die die Sprachphilosophie bis dahin bestimmt hat, nämlich das Verhältnis von Laut und Gegenstand. Aristoteles stellt eine neue Frage: Er fragt nicht mehr, warum es Namen gibt und ob eine Entsprechung von Wort und Sache vorliegt, sondern wozu es Namen gibt und worin ihre Funktion für den Menschen besteht. Es reicht Aristoteles nicht aus, einen Namen als solchen zu bestimmen, indem man annimmt, dass Laute etwas ausdrücken, das von den Menschen interpretiert werden kann.2 Aristoteles schreibt dem Wort zu Beginn von Herm. daher eine Symbolfunktion zu:3

Ἔςι μὲν οὖν τὰ ἐν τῇ φωνῇ τῶν ἐν τῇ ψυχῇ παθημάτων σύμβολα, καὶ τὰ γραφόμενα τῶν ἐν τῇ φωνῇ. καὶ ὥσπερ οὐδὲ γράμματα πᾶσι τὰ αὐτά, οὐδὲ φωναὶ αἱ αὐταί. ὧν μέντοι ταῦτα σημεῖα πρώτως, ταὐτὰ πᾶσι παθήματα τῆς ψυχῆς, καὶ ὧν ταῦτα ὁμοιώματα, πράγματα ἤδη ταὐτά. (Herm. 16a 3–8)

Nun sind die (sprachlichen) Äußerungen unserer Stimme ein Symbol [σύμβολον] für das, was (beim Sprechen) unserer Seele widerfährt, und das, was wir schriftlich äußern, (ist wiederum ein Symbol) für die (sprachlichen) Äußerungen unserer Stimme. | Und wie die Buchstaben nicht bei allen (Menschen) dieselben sind, so sind auch die stimmlichen Laute nicht (bei allen) dieselben].4 Die seelischen Widerfahrnisse [παθήματα τῆς ψυχῆς] aber, für welche dieses (Gesprochene und Geschriebene) an erster Stelle ein Zeichen [σημεῖον] ist, sind bei allen (Menschen) dieselben; und überdies sind auch schon die Dinge, von denen diese (seelischen Widerfahrnisse) Abbildungen sind, (für alle) dieselben. (Herm. 16a 3–8)

Stimmliche Äußerungen werden von Aristoteles als σύμβολον bezeichnet. Der Begriff muss dabei von der Semantik des Verbs her verstanden werden. Συμβάλλειν heißt zusammenwerfen; so werden in einem Symbol zwei Sachen zusammengeführt. Bezüglich der vorliegenden Thematik ist dies das gesprochene Wort, das mit den παθήματα τῆς ψυχῆς zusammengebracht wird. Das σύμβολον wird durch das σημεῖον näher erklärt. Das Zeichen macht auf eine zusätzliche Komponente aufmerksam, die nicht im Zeichen selbst enthalten ist. Von seiner Semantik her kann auch σύμβολον Zeichen bedeuten. Vor diesem Hintergrund kommt Hennigfeld zu der Feststellung: „Aristoteles faßt das Wort als ein Zeichen (sýmbolon), über das man sich so geeinigt hat, daß man dadurch jemandem etwas anzeigen, ihn auf etwas verweisen kann (semaínein)“5. Die Symbolfunktion der Sprache steht bei Aristoteles im Vordergrund, nicht etwa der Bezug der Sprache zum Denken. Es liegt im aristotelischen Fokus, sich der Wörter und ihrer Symbolfunktion zu bedienen, um Dinge zu verdeutlichen. Die menschliche Sprache als soziales Phänomen wird damit besonders betont und der Sprache als Kommunikationsfunktion wird Bedeutung verliehen.6

Der angeführte Text aus Herm. wirft eine weitere Frage auf, die in das Zentrum des aristotelischen Sprachverständnisses führt: Wenn stimmliche Äußerungen ein Symbol für die παθήματα τῆς ψυχῆς sind, was ist dann unter diesen zu verstehen? Hennigfeld spricht sich dafür aus, παθήματα als Eindrücke anzunehmen,7 die die Seele von außen aufnimmt und anschließend in einer stimmlichen Äußerung zugänglich macht.8 Weidemann fügt dem hinzu, dass „unter den fraglichen Dingen nicht nur Dinge im engeren Sinne dieses Wortes zu verstehen sind (…), sondern in Entsprechung zu diesen verschiedenartigen Gedanken verschiedene Arten von Dingen in einem weiteren Sinne dieses Wortes“9. Besonders wichtig erscheint dabei, dass die παθήματα „einen Bezug zu den Dingen haben und nicht subjektiv willkürlich sind“10. Aristoteles jedenfalls sieht das im sprachlichen Ausdruck Gesagte bereits als Vorstellung im Geist vorhanden.11

Aristoteles weist erstmals in der Geschichte der Sprachphilosophie direkt die Unterscheidung zwischen Ausdrucks- und Inhaltsseite des sprachlichen Zeichens auf, indem er zwischen φωνή und παθήματα τῆς ψυχῆς differenziert, zwischen beiden aber trotzdem einen Bezug herstellt, indem die Stimme die Erlebnisse der Seele zum Ausdruck bringt.12 Der Laut verweist also auf die παθήματα τῆς ψυχῆς. Diese sind allen Menschen gleich und haben als Abbilder der Dinge einen Bezug zu den Dingen selbst.13 Mit Hilfe der Wahrnehmung wird von den Dingen ein Bild erzeugt, das über ein sprachliches Zeichen ausgedrückt wird.14 Wie ein Wachsabdruck, den man von einem Ring nimmt, dessen Abbild zeigt, aber nicht das Objekt selbst enthält, so ist das Verhältnis zwischen Wahrnehmung und Gegenstand zu erklären.15 Aristoteles wird zum Begründer des sog. semiotischen Dreiecks, das v.a. für die Sprachwissenschaft des 20. Jh. bedeutend wird, indem er das sprachliche Zeichen (ὄνομα) in Signifikant/Ausdruck (φωνή) und Signifikat/Inhalt (πάθημα) unterteilt.16 Er betrachtet nicht die Relation zwischen φωνή und Sache (in der Grafik gestrichelt markiert), sondern zum einen diejenige zwischen φωνή und πάθημα, zum anderen diejenige zwischen Gegenstand und ὄνομα (bestehend aus Laut und Inhalt/Bedeutung).17 Die folgende Grafik kann diese Verhältnisse verdeutlichen:


Das Verständnis des sprachlichen Zeichens bei Aristoteles

Wenn Aristoteles annähme, dass zwischen Laut und Gegenstand kein direkter Bezug besteht, wäre auch der φύσει-θέσει-Streit beigelegt. In der Forschung wird dies kontrovers diskutiert. Leiss stellt dar, dass Aristoteles ein Anhänger der φύσει-These ist. Sie verweist jedoch darauf, dass er in der Forschung häufig der These zugeordnet wurde, nach der die Sprache durch Konvention ihre Legitimation erhält.18 Nach Hennigfeld zeigt sich bei Aristoteles eine Tendenz zur θέσει-These, auch wenn sie in keiner Schrift explizit ausgesprochen wird.19 Coseriu bestreitet auch das, da Aristoteles nicht Wort und Ding in ein kausales Verhältnis bringt, indem ein Name ein Ding abbildet, sondern die Namen bilden die παθήματα τῆς ψυχῆς ab.20 Es wird noch deutlich werden, dass Aristoteles nicht auf die Beantwortung dieser Streitfrage abzielt, sondern bereits die Fragestellung in ihrer Ausgangsform reguliert.

(2) Was bereits anklang, nämlich dass Aristoteles gegenüber den Vorsokratikern und Platon ein anderes Verständnis von ὄνομα hat, muss weiter ausgeführt werden:

Ὄνομα μὲν οὖν ἐςὶ φωνὴ σημαντικὴ κατὰ συνθήκην (…). τὸ δὲ κατὰ συνθήκην, ὅτι φύσει τῶν ὀνομάτων οὐδέν ἐςιν, ἀλλ’ ὅταν γένηται σύμβολον, ἐπεὶ δηλοῦσί γέ τι καὶ οἱ ἀγράμματοι ψόφοι, οἷον θηρίων, ὧν οὐδέν ἐςιν ὄνομα. (Herm. 16a 19 und 26–29)

Ein Nennwort [ὄνομα] ist nun eine gemäß einer Übereinkunft etwas bedeutende stimmliche Äußerung (…). Die Bestimmung ‚gemäß einer Übereinkunft’ (füge ich deshalb hinzu), weil von den Nennwörtern keines von Natur aus (ein Nennwort) ist, sondern (ein jedes) erst dann, wenn es zu einem Symbol geworden ist; denn auch solche nicht buchstabierbaren Laute wie beispielsweise die Laute der wilden Tiere geben ja etwas kund, ohne daß einer von ihnen (deshalb schon) ein Nennwort wäre. (Herm. 16a 19 und 26–29)

Die Bedeutung eines Lautes wird zum wesentlichen Merkmal des aristotelischen ὄνομα. Ὀνόματα repräsentieren Gegenstände, sind aber nicht mit dem Ding identisch. Aristoteles versteht unter Bedeutung diese Repräsentation der Gegenstände im Wort.21 Er benutzt die Wendung κατὰ συνθήκην, um den Begriff ὄνομα weiter zu erklären. Diese erinnert an bereits bekannte Begriffe (συνθήκῃ/νόμῳ) und es entsteht der Eindruck, dass hier erneut die Streitfrage, ob die Namen ihre Legitimation von Natur aus oder durch Übereinkunft erhalten haben, angesprochen wird, wenn Aristoteles φύσει und κατὰ συνθήκην gegenüberstellt.22 Verstärkt wird dieser Eindruck dadurch, dass Aristoteles Vokabular benutzt, das auch Platon im Krat. verwendet, um die These des Hermogenes darzustellen, dass die Richtigkeit der Namen nicht von Natur aus besteht, sondern auf Übereinkunft beruht.23 Deshalb wurde häufig aus dieser Textpassage abgeleitet, dass Aristoteles sich für die Legitimation der Sprache durch Konvention ausspricht.24 Tatsächlich befasst sich Aristoteles hier aber weder mit der Frage nach dem Ursprung der Sprache oder der Richtigkeit der Namen noch will er den bekannten Gegensatz zwischen φύσει und θέσει aufnehmen. Das zeigt sich zum einen daran, dass Aristoteles den φύσει-Begriff in einem anderen Verständnis verwendet, als dies im herkömmlichen Streit der Fall war.25 Er spricht nämlich in diesem Zusammenhang nicht von der φύσις der Dinge, sondern von der φύσις der Laute: „Aristoteles will sagen, daß kein Laut allein ‚seiner Natur nach’ ein Name ist, von der Natur der Dinge redet er nicht.“26 Zum anderen steht φύσει keiner der traditionellen Begriffe wie νόμῳ, ὁμολογίᾳ, συνθήκῃ oder θέσει gegenüber. Aristoteles verwendet mit κατὰ συνθήκην eine neue Formulierung, die auch etwas Neues zum Ausdruck bringen will. Die Wendung bestimmt das Verhältnis zwischen dem gesamten sprachlichen Zeichen (Ausdrucks- und Inhaltsseite) und dem Gegenstand als κατὰ συνθήκην und kann mit ‚gemäß einer Übereinkunft’ wiedergegeben werden.27 Die Formulierung ist nach Coseriu im Sinn von „nach alter Gewohnheit“28 zu verstehen. Es zeigt, dass aus einem sprachlichen Laut ein Wort mit Bedeutung wird. Wörter haben also nicht συνθήκῃ (durch Übereinkunft), sondern κατὰ συνθήκην (gemäß Übereinkunft) eine Symbolfunktion. Im Gegensatz zu den tierischen Lauten kommt den Wörtern der Menschen nicht von Natur aus eine Bedeutung zu.29 Über ihre Symbolfunktion und ihre Bedeutung herrscht dennoch seit langer Zeit Klarheit.30 So kann das aristotelische κατὰ συνθήκην verdeutlichen, dass die Dinge „aufgrund der historischen Überlieferung ihre Namen haben“31.

Die oben zitierte Stelle aus Herm. erklärt auch den Unterschied zwischen artikulierten und unartikulierten Lauten. Artikulierte Laute haben nach Aristoteles Bedeutung, im Gegensatz zu unartikulierten Lauten. Als solche sind Tierlaute oder menschliche Laute, die unmittelbar etwas offenbaren, wie beispielsweise Schmerz, zu verstehen. Solche Laute erhalten ihre Begründung von Natur aus (φύσει).32 Aristoteles stellt heraus, dass auch Tiere durch die Stimme artikulierte Laute produzieren, dadurch wird deutlich, dass Laute keine dem Menschen anhaftende Eigenheit sind. Der Unterschied zu den tierischen Lauten liegt darin, dass Tiere sich ausschließlich auf einer affektiven Ebene verständigen, die Menschen hingegen artikulieren Inhalte des λόγος.33 Deshalb sind Laute auf der affektiven Ebene nicht als ὀνόματα zu bezeichnen, da sie unmittelbar etwas zum Ausdruck bringen und nicht wie die Symbole erst durch die παθήματα τῆς ψυχῆς auf die Dinge verweisen.34

(3) Es findet sich neben den Relationen zwischen φωνή und πάθημα sowie den beiden Seiten des sprachlichen Zeichens und dem Gegenstand bei Aristoteles eine dritte Relation. Sie besteht zwischen Subjekt, das das sprachliche Zeichen und den Gegenstand beinhaltet, und Prädikat.35 Die beiden zuerst genannten Verhältnisse haben gemeinsam, dass sie nach aristotelischer Ansicht nicht auf die Kategorien ‚wahr’ oder ‚falsch’ hin beurteilt werden können. Dieser Sachverhalt ist es jedoch, worauf die dritte Verhältnisbestimmung abzielt. Ihr liegt die Annahme zu Grunde, dass der λόγος im Allgemeinen wie folgt bestimmt ist:

Λόγος δέ ἐςι φωνὴ σημαντικὴ κατὰ συνθήκην, ἧς τῶν μερῶν τι σημαντικόν ἐις κεχωρισμένον, ὡς φάσις, ἀλλ’ οὐχ ὡς κατάφασις ἢ ἀπόφασις. (Herm. 16b 26–28)

Ein Wortgefüge [Der Logos, Anm.] ist eine etwas bedeutende stimmliche Äußerung, von deren Teilen (mindestens) einer eigenständig etwas bedeutet, und zwar als ein Ausdruck, der etwas sagt, nicht als einer, der etwas aussagt. (Herm. 16b 26–28)

Auch wenn jede Rede σημαντικός ist, kann nicht zugleich über ihren Wahrheits- oder Falschheitsgehalt geurteilt werden. Einzelne Wörter können, wie dies auch bei Platon deutlich wurde, nicht als wahr oder falsch bestimmt werden. Sie sagen nichts über die Existenz dieses Dinges aus. Der Mensch kann von Dingen sprechen, die nur gedacht vorhanden sind, aber nicht wirklich existieren, wie beispielsweise der τραγέλαφος (Bockhirsch). Dasselbe gilt auch für Wörter wie ἄνθρωπος, die wir für real halten. Auch über ihre Existenz kann erst geurteilt werden, wenn sie in „einem bejahenden oder verneinenden Aussagesatz (κατάφασις ἢ ἀπόφασις) erscheinen“36. Folglich können erst Sätze in die Kategorien ἀληθές oder ψεῦδος eingeordnet werden, das verdeutlicht die dritte Relation. Es sind Sätze gemeint, die ein ῥῆμα beinhalten, durch welches eine Aussage über das im ὄνομα enthaltene Subjekt getroffen wird37. Erst Sätze können auf ihre Richtigkeit hin untersucht werden, weil Wörter nicht auf die Dinge bezogen sind. Sie sind lediglich Zeichen, Symbol, für die Dinge.38 Darin lieg der Unterschied zu Platon.

Eine Neuerung im Vergleich zu Platon ist, dass das ῥῆμα Bedeutung für die Satzwertigkeit erhält.39 Dabei muss bedacht werden, dass auch ῥήματα allein keinen Aussagegehalt besitzen.40 Erst in der Verbindung von Subjekt, verstanden als Gesamtheit des sprachlichen Zeichens, und Prädikat entsteht ein Satz, der auf einen Wahrheits- oder Falschheitsgehalt hin befragt werden kann.41 Solche Sätze bezeichnet Aristoteles als λόγος ἀποφαντικός. Diesen präzisiert er im fünften Kapitel von Herm. Er bezeichnet die Sätze als ἀποφαντικός, die eine bejahende/behauptende (κατάφασις) oder verneinende (ἀπόφασις) Aussage über ein Subjekt treffen.42 Dadurch wird der wahre Aussagehalt ans Licht gebracht bzw. „das im Subjekt latent Vorhandene patent“43 gemacht. Als solche Sätze, deren Wahrheits- oder Falschheitsgehalt ermittelt werden kann, bestimmt Aristoteles die Aussage- und Urteilssätze.44 Teile von Aussagesätzen, Wunsch-, Frage- oder Befehlssätze hingegen sind davon zu unterscheiden. Für sie kann keine Feststellung über einen wahren oder falschen Aussagegehalt getroffen werden, weil sie als einzelne sprachliche Ausdrücke keine Vorstellungen repräsentieren, die als wahr oder falsch beurteilt werden können. Mit der These, dass es Sätze gibt, für die keine Aussage über ihre Wahrheit oder Falschheit getätigt werden kann, wird die Ansicht abgelehnt, Sprache impliziere grundsätzlich Wahrheit oder bringe sie zum Ausdruck.45

(4) Aristoteles wird in der Forschungsliteratur als Realist bezeichnet. Abschließend ist zu fragen, was dies für seine Sprachphilosophie und das Verhältnis von Sprache und Wirklichkeit austrägt. Leiss ordnet Aristoteles dem reflektierten Realismus und den nichtsäkularisierten Erkenntnistheorien zu. Damit wird das aristotelische Denken in einen Gegensatz zu dem der Anti-Realisten gestellt, das die Welt nur innerhalb des menschlichen Denkens existieren lässt.46 Der reflektierte Realismus unterscheidet sich vom naiven darin, dass die Welt nicht nur so wahrgenommen und erkannt wird, wie sie ist,47 sondern dass eine Strukturähnlichkeit zwischen Denken, Sprechen und Wirklichkeit angenommen wird, da in allen drei Komponenten derselbe λόγος wirkt.48 Durch diesen Zusammenhang wird ersichtlich, dass auch die Sprache die Weltwirklichkeit so repräsentieren kann, wie sie ist,49 denn Sätze sind in derselben Weise wahr wie die Dinge.50 Sprache bildet Wirklichkeit ab und zwar dezidiert in einem Abbildverhältnis. Der Mensch kann die Welt über die Abbilder erkennen.51 Auch die Veränderung der Wirklichkeit kann durch die Sprache abgebildet werden, weil der Satz es erlaubt, die Relation zwischen Subjekt und Verb zu verändern.52 Damit vertritt Aristoteles eine strukturelle Identität von Denken und Wirklichkeit. Die Seele bzw. den Geist versteht Aristoteles als Ort der gedachten Formen.53 Der Geist erfährt „eine Erkenntnis der realen Struktur der Dinge“54, indem er die gedachten Formen aufnimmt, ohne zugleich die Materie dieser Objekte selbst wahrzunehmen.55

Zusammenfassung:

Aristoteles versteht sprachliche Äußerungen als σύμβολον. Sie sind Symbole für die Erleidnisse der Seele. Damit wird die wichtigste sprachphilosophische Neuerung eingeleitet, die der Unterscheidung des sprachlichen Zeichens in Inhalts- und Ausdrucksseite, πάθημα und φωνή. Durch sie gerät auch die Frage, worin sich die Richtigkeit der Namen begründet, aus dem aristotelischen Fokus. Aristoteles versucht nicht mehr, eine Ähnlichkeit zwischen Objekt und Ausdrucksseite des sprachlichen Zeichens herzustellen, sondern beschäftigt sich zum einen mit dem Verhältnis von Inhalts- und Ausdrucksseite und zum anderen mit dem Verhältnis von der Gesamtheit des sprachlichen Zeichens und dem Objekt. Damit wird der Streit zwischen der φύσει- und der θέσει-Theorie beigelegt, weil er mit der Unterscheidung des sprachlichen Zeichens in die Inhalts- und Ausdrucksseite bereits eine Korrektur in der Streitfrage erfährt. Aristoteles wird mit der Unterscheidung von Inhalts- und Ausdrucksseite eines sprachlichen Zeichens zum Begründer des semiotischen Dreiecks.

Mit der Feststellung, dass Laute σημαντικός sind, führt Aristoteles zugleich weiteres sprachphilosophisches Vokabular ein, das erhalten bleiben wird. Die Bedeutung wird zum wesentlichen Merkmal der ὀνόματα und meint die Repräsentation der Gegenstände im Wort. Ihre Bedeutung und Legitimation erhalten menschliche Laute κατὰ συνθήκην, sie liegt nicht in der Natur der menschlichen Sprache, sondern ist aus der historischen Überlieferung übernommen. Auch jeder λόγος hat Bedeutung, ist aber nicht zugleich ἀποφαντικός (erhellend). Das Interesse des Aristoteles gilt der Frage, ob und wann der λόγος als wahr oder falsch bestimmt werden kann. Ein Wahrheits- oder Falschheitsgehalt kann letztlich nur Sätzen zugesprochen werden, die aus ὀνόματα und ῥήματα bestehen. Aristoteles nennt solche Sätze λόγος ἀποφαντικός. So wird die Tendenz, die sich bei Platon abzeichnet, dass nicht einzelne Wörter, sondern erst Sätze als ἀληθές oder ψεῦδος bestimmt werden können, verstärkt.

Sein, Sprechen und Denken gehören für Aristoteles eng zusammen. Das Sein der Dinge wird durch den λόγος offenbart. Die drei Komponenten sind nicht identisch, aber sie weisen eine Strukturähnlichkeit auf. Die größte Bedeutung kommt dabei dem λόγος ἀποφαντικός für die seinserschließende Funktion zu.56 Die Sprache wird insgesamt aber abgewertet, denn ihr wird „keine erkenntniskonstitutive, welterschließende und wahrheitsrelevante Rolle [mehr] zugesprochen“57.

Das Sprachverständnis des Paulus im Rahmen des antiken Sprachdiskurses

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