Читать книгу Das Sprachverständnis des Paulus im Rahmen des antiken Sprachdiskurses - Nadine Treu - Страница 22

3.4 Nachzeichnung der Argumentation von De confusione linguarum § 9–15

Оглавление

Im Folgenden wird die Argumentation Philons, in der er sich mit der Kritik der jüdischen Apostaten auseinandersetzt, dargestellt:

§ 9Philon stellt heraus, dass der Gesetzgeber zwischen sprach-/vernunftbegabten und sprach-/vernunftlosen Wesen unterschieden hat.Folglich: Eine gemeinsame Sprache können nur die Wesen haben, die sprach- und vernunftbegabt sind; das sind nach All II § 14 f allein die Menschen.Die Gegner Philons lehnen diese Ansicht ab und bezeichnen es als μυθῶδες, dass es eine Gleichsprachigkeit der Menschen gegeben hat. Sie rechnen den Text des Turmbaus zu Babel zu den mythischen, unwahren Texten.Darstellung der allgemeinen Auffassung bezüglich des Genesistextes:Die Kritiker sagen: Über den Text „Turmbau zu Babel“ sagt man doch, dass die Auflösung der gemeinsamen Sprache in Einzelsprachen dazu beitragen sollte, schlechte Taten zu verhindern, weil Sprache so nicht mehr als Medium, sich über Schlechtes auszutauschen, fungieren kann.
§ 10Referat Philons über die Ansichten der Gegner. Sie sind folgender Ansicht:Der Text kann ja keine Wahrheit enthalten, weil der Plan, mit der Sprachverwirrung die menschlichen Übel zu beseitigen, gescheitert ist, weil es diese auch nach der Sprachverwirrung noch gibt.Grund hierfür ist die Tatsache, dass die Ursache der schlechten menschlichen Taten nicht die Sprache ist, sondern die gleichen seelischen Neigungen zum Bösen.
§ 11Fortführung der Begründung, dass nicht die Sprache Ursache der Übel ist, weil neben der Sprache auch durch Gestik und Mimik Schlechtes zum Ausdruck gebracht werden kann.Ein weiterer Grund ist, dass ein Volk nicht nur durch eine gemeinsame Sprache, sondern ebenso durch Konventionen in Recht- und Lebensanschauungen gekennzeichnet ist und dass auch dadurch Übel entstehen können.
§ 12Aufzeigen des Nutzens von Sprache: Gemeinsame Verständigung ermöglicht Schutz vor Gefahren, z.B. bei Angriffen von Eindringlingen.Feststellung, dass die gemeinsame Sprache nach Ansicht der Kritiker mehr nützliche Aspekte hatte als schädliche.
§ 13Erneute Darstellung positiver Funktionen von Sprache: Sprache schafft Gemeinschaft und Zusammengehörigkeit; wer die gleiche Sprache spricht, wird als Freund angesehen; Sprache vermittelt ein Gefühl der Sicherheit.Zusammenfassender Vorwurf der Gegner: Warum hat Gott die Sprachgemeinschaft aufgelöst, wenn sie doch all diese positiven Funktionen zu verzeichnen hatte?
§ 14 fPhilons Ansicht nach ist die wörtliche Lesart, die Unstimmigkeiten aus dem Weg geht, die einfache Lösung. Sie kann von der Lesart, die diesen Schwierigkeiten nicht aus dem Weg geht, leicht widerlegt werden. Eine solche Argumentation sieht Philon in der allegorischen Interpretation gegeben. Mit dieser beginnt er in § 15.

In Conf § 10–13 beschäftigt Philon sich mit der Ansicht seiner Gegner. Er macht zwar deutlich, dass es ihm bei seiner Auslegung des Textes nicht vorrangig um Sprache geht, stellt aber dennoch sehr ausführlich die Argumente der jüdischen Kritiker dar. Die Paragraphen zeigen Philons große argumentative Fähigkeit: Es gelingt ihm, seinen Lesern essentielle Funktionen von Sprache ‚nebenbei‘ mitzuteilen. Er stellt sie nicht in den Vordergrund seiner Analyse des Genesistextes, wiederholt aber mehrfach die Ansicht der Gegner, dass eine gemeinsame Sprache aller Menschen mehr nützliche als schädliche Aspekte hat. Philon widerspricht dem nicht. Vielmehr macht er seinem Publikum deutlich: ‚Natürlich hat Sprache all diese positiven Funktionen. Das bestreitet niemand. Es ist aber nicht notwendig, das alles anzuführen, um zu zeigen, dass es sich bei dem Text um einen märchenhaften Text handelt. Es geht nämlich in diesem Text überhaupt nicht um Sprache, sondern…‘ Philon kritisiert die Ansicht seiner Gegner, die Erzählung vom Turmbau zu Babel als märchenhaften und unwahren Texten zu verstehen, nicht aber ihre Argumente bezüglich der Funktionen von Sprache. Das wird sich v.a. dadurch zeigen, dass Philon die zentralen Aspekte von Sprache, die er hier in der Argumentation der Gegner erstmals und zusammenfassend benennt, in Conf und in anderen Traktaten immer wieder aufgreift und so bestätigt. Deshalb sind in die Untersuchung im weiteren Verlauf zahlreiche weitere Paragraphen als Belegstellen herangezogen.

Das Sprachverständnis des Paulus im Rahmen des antiken Sprachdiskurses

Подняться наверх