Читать книгу Das Sprachverständnis des Paulus im Rahmen des antiken Sprachdiskurses - Nadine Treu - Страница 18
2. Einführung in die Forschungsliteratur zum philonischen Sprachverständnis
ОглавлениеFür Philon liegen zur Sprache wenige Aufsätze und Monographien vor. Zunächst werden die beiden Monographien von Klaus Otte und Gertraut Kweta vorgestellt, anschließend werden die kleineren Beiträge in chronologischer Reihenfolge behandelt.
Ziel Klaus Ottes ist es, „unter Anwendung eines Analogieschlusses zwischen den Zeitgenossen Philo und Paulus das Sprachverständnis des letzteren zu ermitteln und auf diesem Wege zum Verständnis der Hermeneutik des Paulus beizutragen“1. Der angestrebte (problematische) Analogieschluss wird nicht unternommen; Otte thematisiert, wie letztlich auch der Titel nahe legt, nur die Sprachauffassung Philons. In einem ersten ausführlichen Kapitel behandelt Otte den Zusammenhang von Sprachauffassung und Weltverständnis. Er betont, dass das philonische Sprachverständnis in einem Zusammenhang mit der Auslegung des Seins steht.2 Im Anschluss an die Darstellung dieses Zusammenhangs stellt Otte die Sprachtheorie, die Anthropologie und die Kosmologie Philons dar. In den Analysen will er die Abhängigkeit von der Erkenntnistheorie Philons zeigen, welche im dritten Kapitel zusammen mit der Logologie als Grundlage der Hermeneutik dargestellt wird.3
Den Traktat De confusione linguarum bezieht Otte in seine Arbeit nicht mit ein. Insgesamt ist die Arbeit, wie Kweta richtig feststellt, sprachhermeneutisch überzogen.4 Dies wird dem Denken Philons nicht gerecht. Dennoch arbeitet Otte wichtige Aspekte des philonischen Sprachverständnisses heraus und zeigt den Zusammenhang von Sprache zur Logoslehre und zur Erkenntnistheorie auf.
Gertraut Kweta widmet sich in ihrer äußerst komplexen Untersuchung nicht nur dem Phänomen der Sprache im engeren Sinne, sondern benutzt das Thema, wie Otte, als Schlüssel für eine Darstellung der philonischen Kosmologie, Anthropologie, Theologie sowie der Erkenntnislehre. Dem Thema der Sprache im engeren Sinne sind lediglich Paragraph 3 und 4 im dritten Kapitel („Ursprung und Aufgabe der Sprache und die darein verschlungenen Probleme“) gewidmet.5 Ein wichtiges Verdienst von Kwetas Arbeit liegt darin, dass sie einige klassische Probleme der antiken Sprachphilosophie, nämlich vor allem die Frage nach dem Ursprung der Sprache und die Frage nach dem Verhältnis von Sprache und Wirklichkeit (Abbildproblematik), darstellt. Die Auseinandersetzung mit dieser Arbeit ist von besonderem Interesse, weil Kweta sich umfassend mit den einzelnen Teilen der philonischen Philosophie befasst und diese Aspekte in die Erarbeitung des Sprachverständnisses einbezieht.6 Kwetas Ansatz ist theoretisch/sprachphilosophisch, weniger textbezogen. Auffallend ist, dass sie nur in geringem Umfang auf den Traktat Conf eingeht, von welchem ausgehend das philonische Sprachverständnis hier erarbeitet werden soll.
David Winston beschäftigt sich in seinem Aufsatz „Aspects of Philo’s Linguistic Theory“7 mit der philonischen Theorie von der Entstehung der Sprache. Dabei liegt sein Fokus auf der Entstehung der Namen. Ausführlich behandelt er Adam und Mose in ihrer Funktion als Namengeber,8 worauf noch näher einzugehen sein wird, u.a. weil Winston im Zuge dieser Ausführungen auf die Perikope der Sprachverwirrung und auf die philonische Auslegung in Conf zu sprechen kommt9.
Maren R. Niehoff betrachtet in ihrem Aufsatz „What is in a Name? Philo’s Mystical Philosophy of Language“10 den mystischen Aspekt der Sprache bei Philon und geht folgender Fragestellung Philons nach: Wie kann ein Name tatsächlich die Substanz einer Idee oder eines Dinges wiedergeben? Sie untersucht dazu drei Allegorien, derer sich Philon bedient und die er auf den Schnittpunkt zwischen Name und Idee prüft: Die Allegorie des Wassers,11 des Lichts12 und der Dichtung,13 die Philon nutzt, um die Beziehung zwischen Sprache und Idee zu verdeutlichen. Sie versucht herauszustellen, in welchem Verhältnis für Philon ein Name und die Substanz der Dinge stehen; im Weitesten soll dadurch auch das Verhältnis von Gott als Quelle der Sprache und der stimmlichen Äußerung des Menschen im konkreten Wort bestimmt werden. Hierfür übernimmt der menschliche Geist eine Mittlerfunktion, indem er bestimmte Vorstellungen und Erkenntnisse in Worte fasst. Niehoff widmet sich in einem einführenden Teil den Kennzeichen der göttlichen und menschlichen Sprache und setzt sich, ähnlich wie Winston, ausführlich mit der Entstehung und Bedeutung der Namen auseinander.14 Abschließend fasst Niehoff ihre Ergebnisse prägnant zusammen: „Being a Divine emanation, language structures the universe and contains the essence of all things.”15 Sprache ermöglicht von daher immer einen konkreten Bezug zu Gott und der Welt, ebenso wie einen Einblick in beide Bereiche. Sprache steht deshalb im Zusammenhang mit der Erkenntnis des Menschen.16
David Robertson widmet sich in seiner Monographie „Word and Meaning in Ancient Alexandria. Theories of Language from Philo to Plotinus”17 Sprachtheorien zwischen 50 v. Chr. und 300 n. Chr., die einen Bezug zu Alexandria haben. Er sieht die Notwendigkeit, die antike Philosophie stärker in Bezug zu den Kirchenvätern zu setzen. Robertson stellt das Sprachverständnis von Philon, Clemens, Origenes und Plotin dar. Er verweist des Öfteren auf Kweta, die Monographie Ottes bleibt unberücksichtigt. Es geht Robertson nicht um die Fragen nach Ursprung und Funktion von Sprache. Er untersucht das Verhältnis von sinnlich wahrnehmbarer Wirklichkeit und mit dem Verstand wahrzunehmender Wirklichkeit. Anschließend setzt er sich mit dem philonischen Verständnis von λόγος und νοῦς auseinander.18
Damit liegen zum philonischen Sprachverständnis Untersuchungen vor, die unterschiedliche Schwerpunkte setzen: Sprache als Seiendes, Namen, Entstehung oder Erkenntnis. In der folgenden Untersuchung können die jeweiligen Schwerpunkte der bereits vorhandenen wissenschaftlichen Literatur eingebracht werden; es soll nun versucht werden, das Sprachverständnis Philons anhand der Leitfragen eigenständig zu bearbeiten, systematisiert darzustellen und Philon im Rahmen der antiken Sprachphilosophie zu positionieren.