Читать книгу Die Jägerin - Vergangenheit und Gegenwart (Band 3) - Nadja Losbohm - Страница 16
13. Nervtötend
ОглавлениеNach einem ausgiebigen Schläfchen wachte ich ausgeruht am Nachmittag auf. Ich duschte, zog mich an und machte mich voller Vorfreude auf einen leckeren Frühstücks-/ Mittags-/ Nachmittagssnack auf den Weg in die Küche. Als ich an der Tür von Pater Michaels Schlafzimmer vorbeikam, war ich erstaunt darüber, Stimmen aus dem Inneren zu hören. Ich kannte sie beide und wunderte mich darüber, was sie zu reden hatten. Mein Gott, sie lachten sogar! Neugierig blieb ich stehen und lehnte mein Ohr an das Holz, um zu lauschen. Zu meinem Bedauern konnte ich nicht verstehen, was die beiden sagten. Also blieb mir nur eines übrig. Beherzt packte ich die Klinke, drückte sie herunter und stieß die Tür auf.
Alex und Pater Michael wandten ihre Köpfe blitzschnell zu mir herum und sahen mich für einen Moment mit großen, überraschten Augen an. Pater Michael erholte sich als Erster von dem Schreck. Sein Gesicht verzog sich zu einem liebevollen Lächeln. Er begrüßte mich und erkundigte sich, ob ich auch gut geschlafen hätte. Es waren einfache Worte, nichts Weltbewegendes. Aber die Art, wie er es sagte, machten sie zu den schönsten Worten, die ich seit langem gehört hatte. Er hatte sie so sanft ausgesprochen, dass sie mich fast streichelten. Und seine Stimme war wie süßer Honig auf einem warmen frischgebackenen Brötchen gewesen. Einfach nur wunderbar! Ich glaube, ich hatte ein ziemlich dümmliches Grinsen im Gesicht, als ich ihm versicherte, dass ich gut geschlafen hatte.
Meinem herzallerliebsten Bruder entging dies natürlich nicht, und sein Blick wanderte zwischen mir und Pater Michael hin und her. Ich wusste nicht, was in seinem Kopf vor sich ging, aber anscheinend versuchte er aus unserem Begrüßungscode schlau zu werden. Augenblicklich straffte ich die Schultern, ging selbstbewusst in das Zimmer hinein und tat so, als wäre es mir nicht aufgefallen. Als ich neben dem Bett stand, entdeckte ich den weißen Teller in Pater Michaels Händen. An den dunklen Spuren des Sirups darauf erkannte ich, dass der Padre ihm die weltbesten Pancakes gemacht hatte. Mir lief das Wasser im Munde zusammen, als ich nur an sie dachte, und sofort gab mein Magen ein lautes Knurren von sich. Für jedermann deutlich zu hören. Wie peinlich! Während Alex es galant überhörte (vielleicht war er auch immer noch mit der Grübelei über den Pater und mich beschäftigt), lächelte Pater Michael und bot mir an, eine weitere Portion für mich zu machen. Natürlich sagte ich nicht nein. Ich sah zu, wie er vom Bett aufstand und wurde zusehends ungeduldiger. Ein bisschen kam ich mir vor wie eine Süchtige. Ob es wohl so etwas wie die anonymen Pancakoholics gab? Selbst wenn, würde ich mich ihnen wirklich anschließen wollen? Lassen Sie mich nachdenken… nein!
Pater Michael stand neben mir, als er mir mitteilte, dass er höchstens eine Viertelstunde bräuchte, dann könnte ich zum Essen kommen. Seine Hand legte sich auf meine Schulter und strich von dort sanft über meinen Oberarm. Ich blickte zu ihm auf und erwiderte das Lächeln, das mir auf seinem Gesicht begegnete. Er sah mir einen Moment zu lange in die Augen, und ich war mir sicher, dass er mich gern geküsst hätte. Ich war dankbar, dass er es nicht tat. Es hätte Alex nur noch mehr Zündstoff geliefert. Der Pater löste seine Augen von mir und nahm seine Hand von meinem Arm. Ich sah ihm hinterher, als er das Zimmer verließ.
„Was ist das eigentlich zwischen euch beiden?”
Wie ein geölter Blitz wirbelte ich herum und starrte meinen Bruder an. „Das geht dich gar nichts an!”, presste ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Ich wandte mich ab und lief um das Bett herum.
„Da ist was zwischen euch, hab ich Recht?”, fuhr Alex unbeirrt fort.
Plötzlich fand ich den Spiegel auf der linken Seite des Zimmers außerordentlich interessant und befühlte seinen Holzrahmen. „Da ist nichts zwischen uns,” murmelte ich vor mich hin und rückte den Spiegel zurecht, obwohl es nicht nötig war.
„Ich frage ja nur, weil mir aufgefallen ist, wie sehr seine Augen leuchten, sobald dein Name fällt,” gab Alex zurück. Ich runzelte die Stirn und täuschte vor, unwissend zu sein. Ein Schulterzucken konnte ebenfalls nicht schaden. Also tat ich auch das. „Und wie er dich vorhin angesehen hat. Er wirkte irgendwie ganz verzaubert von dir,” meinte er. Im Spiegel sah ich, wie er sich nachdenklich das Kinn rieb. Unsere Blicke trafen sich kurz, dann setzte ich meine Suche nach Fingerabdrücken auf dem Glas fort, die ich wegwischen konnte, und tat so, als wüsste ich auch nicht, warum der Pater mir solche Blicke zuwarf. „Früher hast du mir immer alles erzählt,” ertönte es hinter meinem Rücken, und ich hörte die Enttäuschung in seiner Stimme heraus.
„Früher war früher. Heute ist heute,” erwiderte ich verbittert und drehte mich zu ihm herum. „Und was bedeutet eigentlich: ,Sobald dein Name fällt?‘ Was habt ihr denn über mich geredet?”, wollte ich ungehalten wissen. In meiner Fantasie malte ich mir aus, wie sie sich über mich und meine manchmal vorhandene Ungeschicklichkeit lustig gemacht hatten, während ich noch friedlich am Schlummern gewesen war.
Alex zuckte mit den Schultern. „Er hat versucht zu erklären, was das hier ist,” antwortete er und sah sich im Zimmer um, um mir zu signalisieren, dass er unsere geheime Welt meinte. „Ist ja wirklich abgefahren! Als ich im Internet etwas über eine „Jägerin“,” er malte Gänsefüßchen in die Luft, „gesehen hatte, dachte ich, es sei totaler Schwachsinn. Aber nun steht sie vor mir, nur hätte ich nie dabei an dich gedacht!“
„Du hast das Video gesehen?“, fragte ich ihn verblüfft.
Alex nickte. „Jeder hat es gesehen. Aber geglaubt hat es wohl kaum einer,“ antwortete er. „Und wenn mich nicht ein echter Vampir angefallen hätte und ich nicht hier in diesem Zimmer wäre, würde ich es wohl auch immer noch nicht glauben. Ich finde es echt mutig, dass du das machst, Ada,” bemerkte mein Bruder.
Bei diesem Bekenntnis konnte ich ihn nur erstaunt anglotzen. „Was hätte ich denn sonst tun sollen?”, fragte ich ihn achselzuckend.
„Du hättest weglaufen können,” meinte Alex.
Ich schüttelte den Kopf und verschränkte die Arme vor der Brust. „Sie hätten mich gefunden, egal wohin ich gegangen wäre. Ich wollte lieber vorbereitet sein und mich wehren können,” gab ich zurück und wusste, dass ich damit die Worte benutzte, die der Pater vor einiger Zeit mir gegenüber verwendet hatte.
„Wie ich schon sagte, echt mutig,” erwiderte mein Bruder und nickte anerkennend. Dann konnte ich beobachten, wie sich sein Gesicht zu einem breiten Grinsen verzog und seine Augen von oben bis unten über meinen Körper wanderten. „Noch dazu siehst du wirklich großartig aus,” bewunderte mein Bruder meine Figur. Er kannte mich ja nur noch als moppelige Zwölfjährige, die nicht dazu imstande gewesen war, auch nur einen 100-Meter-Lauf zu absolvieren.
„Ja, nicht wahr!”, gab ich freudig zurück und teilte seine Begeisterung für meine neuen Formen. Ich drehte mich halb zum Spiegel um und begutachtete für einen Moment stolz meinen straffen Po. Als ich mich schließlich von dem sexy Anblick, den mein Hinterteil mittlerweile bot, löste, entdeckte ich das dümmliche Grinsen auf Alex’ Gesicht. Es amüsierte ihn köstlich, dass ich mich etwas selbstverliebt betrachtet hatte. Sofort wurde ich vor Verlegenheit rot. „Sei bloß still!”, mahnte ich ihn und ging zum Bett. Energisch schüttelte ich die Decke auf und steckte sie um meinen Bruder herum fest.
„Ich sag ja gar nichts,” versuchte Alex mich zu beschwichtigen. Das brauchte er auch gar nicht. Sein vergnügtes Gesicht reichte völlig aus, um mich auf die Palme zu bringen. Verärgert grummelte ich vor mich hin, was Alex nur noch mehr zum Lachen brachte. Je mehr er lachte, desto mehr ärgerte ich mich über ihn und desto dunkelroter wurde mein Kopf. Ich versetzte ihm einen Hieb auf den Oberarm, worüber er sich beschwerte und ich mich freute. Dann stapfte ich wütend davon und war mir ganz und gar bewusst, wie sehr meine Kurven hin und her schwangen. Als ich die Tür zuknallte, hörte ich hinter mir das laute Lachen meines Bruders über meinen Abgang. Hatte ich bereits erwähnt, dass ich ihn echt, so wirklich richtig hasse???