Читать книгу SchattenSchnee - Nané Lénard - Страница 17

Nächtliche Grübeleien

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Manchmal nervte es Nadja extrem, dass bestimmte Untersuchungen in ihrem Institut so ewig dauerten. Wie lahmgelegt fühlte sie sich dann, zum Warten verdammt. In dieser Zeit konnte sie zwar andere Dinge tun oder Mutmaßungen anstellen, aber es waren doch oft nur Spekulationen, die nicht in die richtige Richtung führten, von einigen Ausnahmen einmal abgesehen.

Auch jetzt lag sie nachts wach, obwohl sie eigentlich hundemüde war, weil der Fall sie nicht losließ. Das mochte damit zu tun haben, dass sie selbst nach einer Eileiterschwangerschaft nie mehr Kinder haben konnte. Dieser Fall erinnerte sie wieder an die Vergangenheit. Mist, dachte sie, in den Ovarien habe ich überhaupt nicht nachgesehen. Der erhöhte HCG-Wert könnte natürlich auch bei dieser Frau auf so eine Komplikation hindeuten, wenn sich in der Gebärmutter nichts eingenistet hatte. Aber warum war sie dann entfernt und hineingelegt, aber nicht aufgeschnitten worden?, wenn einer Gewissheit haben wollte. So wusste er gar nichts. Sicher, ein Ultraschall hätte den leeren Raum gezeigt, doch bestimmt hatte der Mörder kein solch kostspieliges Gerät zur Verfügung. Und warum hatte er sich nicht sicher sein wollen? Wenn ein Schwangerschaftstest nun auf die Gravidität hingewiesen hätte, überlegte sie, hätte man doch normalerweise darauf vertraut, dass das so stimmt. Doch hier war es nicht so. Abnorme Verläufe waren im Vergleich selten. Darum fragte sie sich: Wie ließen sich die Aktionen des Täters deuten? Sie spielte folgende Gedankenmodelle durch:

Variante A: Eine Schwangerschaft war nicht gewollt. Der Täter entfernt das Organ und trennt es damit von seinen lebenserhaltenden Versorgungsadern. Wäre ein Fötus darin, würde er absterben. Läge er in den Eileitern, würden die sowieso platzen, wenn man es nicht rechtzeitig erkennen würde. War die Frau verblutet, weil man sie einfach nach der Durchtrennung der Arterien und Venen nicht weiter beachtet hatte? Nadja hatte zwar auf den äußeren Gefäßwänden Zeichen gefunden, die den Einsatz von Klemmen erklären würden, aber keine mehr im Bauchraum entdeckt. War der Tod des Embryos, nicht der der Mutter gewollt gewesen? War etwas schiefgegangen?

Variante B: Von der Schwangerschaft war noch nichts bekannt gewesen. Sie war einem Irren zum Opfer gefallen.

Variante C: Sie war eine Prostituierte, die man zu einem unseriösen Schwangerschaftsabbruch im osteuropäischen Ausland genötigt hatte, aber warum lag sie dann im Herminenpark?

Doch so sehr sei auch grübelte, Nadja fand keine sinnvolle Lösung für das Heraustrennen einer Gebärmutter, die man dann doch an ihrem Platz gelassen hatte, ohne zu wissen, was sich darin befand. Es war auch aberwitzig, dass man die Bauchdecke danach wieder mit einer Naht geschlossen hatte. Warum war das geschehen?

Noch konnte Nadja nicht sagen, ob sie post mortem erfolgt war. Ihrer Meinung nach hätte die Frau aber mit dem Entfernen des Uterus ausbluten müssen. War das nicht geschehen, wusste sie im Moment auch nicht weiter. Es war ein wenig schwierig mit der Geduld, wenn man unbedingt eine schnelle Lösung finden wollte.

Ihre Gedanken schweiften ab zu den schwach entwässerten Zellen, zu der Blutleere und der Substanz. Sie tappten noch völlig im Dunklen. Auch draußen war es schwärzeste Nacht. Dichte Schneewolken verbargen jegliches Licht, und irgendwo gab es jemanden, der nicht verstand. Nicht, wo er war, nicht, was geschah, während ein anderer bangte.

Auch Wolf Hetzer lag wach. Er versuchte, das große Ganze zu sehen und hatte vor seinem geistigen Auge eine schöne Schwangere, die ihm plötzlich das Bild einer Mutter Gottes auf einem Altarbild suggerierte. Vielleicht war das der Schlüssel? Möglicherweise sollten sie diese Verbindung erkennen. Die Frau, die vor ihnen gelegen hatte, war eventuell nicht als Engel drapiert worden, sondern als Mutter Maria mit dem Jesuskind. Wo aber war dieses Kind, das für den Verursacher des Stilllebens so eine große Bedeutung haben musste, wenn er richtig lag?

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