Читать книгу SchattenSchnee - Nané Lénard - Страница 8
Unter der Frankenburg
ОглавлениеSo früh hatte es selten Schnee gegeben. Die letzten Winter waren mild und trist gewesen. Von oben und von der Seite, je nach Wind, hatte es den hier üblichen Nieselregen bei vier Grad gegeben, der überallhin bis auf die Haut kroch. Wenn überhaupt mal eine Flocke gefallen war, dann nur in den höheren Regionen. Dazu konnte man Todenmann wirklich nicht zählen, auch wenn es am Kamm des Wesergebirges lag. Den Begriff Gebirge muss man etwas differenziert betrachten. Jeder Bayer würde sich kaputtlachen. Hier oben in Niedersachsen ist ein Hügel schon ein Berg, denn weiter nördlich gibt es nur noch Flachland. Man kennt es als norddeutsche Tiefebene.
Hauptkommissar Wolf Hetzer witzelte immer, wenn er den Begriff hörte und behauptete, stets im Trockenen leben zu können, selbst wenn die Polkappen schmelzen würden. 153 Meter über NN waren schließlich schon etwas.
Genau an diese Worte musste Moni gerade denken, als sie mit Leo und Ole durchs Hainholz stapfte. Die Hunde tobten durch den Schnee wie ausgelassene Kinder. Allem Klimawandel zum Trotz glaubte dieser Winter wohl, wirklich einer zu sein. Das wäre zu schön, dachte sie. Ein stimmungsvoller Advent mit der Aussicht auf gemeinsame besinnliche Stunden lag vor ihnen. Schon jetzt freute sich Moni wie verrückt auf Weihnachten, denn dann würde Wolf endlich aus der Kurzzeitpflege wieder zu Hause sein. Was hatte sie sich in den vergangenen Monaten um ihn gesorgt. Und in seinen schwärzesten Tagen, als er schon aufgeben wollte, hatte sie ihm Ole auf den Schoß gesetzt. Der pechschwarze Welpe hatte an ihm geschnuppert und sich anschließend schlafend auf seinem Schoß zusammengerollt. Wolfs Herz hatte er mit seinen Knopfaugen im Sturm erobert.
„Wir brauchen dich. Wenn er groß ist, musst du fit sein. Ich kann ja nicht allein mit 60 Kilo Hund spazieren gehen“, hatte sie zu ihm gesagt. „Wir wollen deinen etwas verfrühten Ruhestand mit viel Bewegung an frischer Luft genießen."
„Wie …? Wieso …?“, wollte er fragen, aber Moni hatte ihm ganz sanft ihren Zeigefinger auf die Lippen gelegt.
„Er und seine Geschwister sind Opfer eines Verbrechens, genau wie du“, hatte sie ihm erklärt. „Ich dachte, dass ihr gute Freunde werden könntet. Und Leo ist nicht so alleine, wenn ich dich in den nächsten Wochen besuchen komme.“
Es rührte sie immer noch, wenn sie daran dachte, dass er den Kleinen damals wortlos unter Tränen gestreichelt hatte. Doch anschließend war er wie verwandelt gewesen. Es schien, als hätte er neuen Lebensmut geschöpft, und er hatte sich vorgenommen, ihr nicht zur Last zu fallen.
Mit einem leisen Seufzer dachte sie an die vergangenen Monate zurück …