Читать книгу Sullivans Gesetz/ Sullivans Rache/ Dunkler Garten - Nancy Taylor Rosenberg - Страница 26

Kapitel 20

Оглавление

Die Geschäftszentrale von Nolan Houstons Golfläden befand sich in einem Hochhaus am Wilshire Boulevard in Los Angeles. Hank hatte am Montagmorgen dort angerufen, um sicherzugehen, dass er Houston antreffen würde, und einen Termin für zehn Uhr vereinbart. Er hatte sich als Beamter des Finanzamts ausgegeben.

»Das funktioniert jedes Mal«, sagte er zu Carolyn, durchtrieben lächelnd. »Sag ihnen, du bist ein Cop, dann wirst du hingehalten oder abgewimmelt. Aber wenn sie das Wort Finanzamt hören, machen sie sich in die Hosen.«

Während der Fahrt nahm Carolyn ihre Puderdose aus der Handtasche und schminkte sich die Lippen.

»Erinnern Sie sich an diesen Physikprofessor? Den Mann, der in meiner Straße ein Haus gekauft hat? Ich habe ihn gebeten, einen Blick auf die Unterlagen zu werfen, die Sie aus Daniels Zimmer im Comfort Inn mitgenommen haben. Er hat die Zeichnungen und Berechnungen einem Kollegen an der Caltech gefaxt.«

»Ach ja?«, sagte der Detective und verstellte den Rückspiegel.

»Ich habe ihm nicht gesagt, von wem diese Unterlagen stammen«, fuhr Carolyn fort. »Und stellen Sie sich mal vor, beide Wissenschaftler halten ihn für so fähig, dass sie ihn für eine Professur vorschlagen.«

»Sie machen Witze!«

»Paul Leighton will zumindest ein Treffen mit den Fakultätsmitgliedern der Uni arrangieren, um Metroix’ Arbeit zu bewerten. Na, wie finden Sie das?«

»Ich habe Metroix am Freitagabend im Krankenhaus besucht«, sagte Hank. »Zugegeben, er war wegen seiner Schmerzen mit Morphium voll gepumpt, aber verstehen Sie mich bitte nicht falsch. Der Kerl tut mir zwar Leid, aber ich halte ihn wirklich nicht für ein Genie. Es würde mich wundern, wenn er sich ein Spiegelei braten könnte. Sie wissen schon, was ich damit sagen will.«

Eine typische Reaktion, dachte Carolyn. Daniels einzigartige Begabung überstieg das Begriffsvermögen eines durchschnittlichen Menschen. Durch seine Krankheit und seine lange Haftstrafe wirkte er hilflos und unglaubwürdig.

»Ich will doch nur Ihr Einverständnis, dass die Universität seine Arbeit bewerten darf«, sagte sie. »Kommt nichts dabei heraus, klärt sich wenigstens die Sache mit Stephen Lackner.«

»Die Unterlagen gehören Metroix«, entgegnete Hank. »Sollten Sie nicht eher ihn um sein Einverständnis bitten, anstatt mich?«

»Diese Papiere könnten vielleicht ein Beweismittel sein«, sagte Carolyn. »Der Gefängnisdirektor ist zwar nicht unser Hauptverdächtiger, aber wenn wir Armstrong und Houston zusammen mit Harrison und Downly ausschließen, stehen wir wieder vor dem Nichts und müssen bei null anfangen.«

»Also gut, finden Sie heraus, was diese Unterlagen wert sind«, sagte der Detective, bog vom Freeway ab und folgte der Auffahrt zum Wilshire Boulevard. Am Bürogebäude angekommen, fuhr er in eine Tiefgarage und parkte dort.

»Was halten Sie davon?«, fragte Carolyn und gab dem Detective das Foto, das bei Daniels Unterlagen gewesen war und aus ihrer Handtasche auf den Sitz gefallen war.

»Es ist ein Schnappschuss von zwei Kids«, sagte Hank schulterzuckend. »Warum? Glauben Sie, es hat etwas mit dem Fall zu tun?«

»Wahrscheinlich nicht«, entgegnete Carolyn, nachdem beide ausgestiegen waren und Richtung Bürogebäude gingen. »Rebecca hat es gestern auf meinem Nachttisch gefunden und gedacht, das Mädchen darauf sei ich.«

Mit dem Lift fuhren sie in den zwölften Stock zur Zentrale von Hole in One hinauf.

»Ich bin froh, dass Sie zuerst mit Houston sprechen wollten«, sagte Carolyn. »Mit Liam Armstrong habe ich schlechte Erfahrungen gemacht.«

»Sie kennen ihn?«, fragte der Detective überrascht.

»Ich kannte ihn früher mal«, antwortete Carolyn und betrachtete die großen goldenen Buchstaben an der Glastür. »Ich war mit Houston und Armstrong auf der High School. Das sind aber schicke Büros, Hank. Dafür bin ich nicht passend gekleidet.« Sie trug eine karierte Bluse, Jeans und eine Jeansweste mit Ziernägeln. »Ich sehe aus wie ein Cowgirl. Eine Steuerprüferin vom Finanzamt ist bestimmt anders gekleidet.«

»Zerbrechen Sie sich darüber nicht den Kopf«, sagte Hank. »Sobald wir einen Fuß in der Tür haben, erfährt Houston, dass wir Cops sind.«

Carolyn entging jedoch nicht, dass auch Hank von der luxuriösen Umgebung eingeschüchtert war. In der Lobby saßen zwei attraktive junge Rezeptionistinnen mit Kopfhörern hinter einer langen Konsole und telefonierten. Auf einem Sofa wartete ein distinguiert aussehender Mann in einem teuren Anzug mit einem schwarzen Aktenkoffer aus Leder neben sich und blätterte in einem Hochglanzmagazin.

Ein großer, gut aussehender Schwarzer in einem grünen Golfhemd mit dem Hole in One-Logo auf der Brust und muskulösen Oberarmen kam durch die Glastür und marschierte flott einen Flur hinunter.

»Wir möchten Mr. Houston sprechen«, sagte Hank zu einer der beiden Rezeptionistinnen, ließ seine Marke aufblitzen und steckte sie schnell wieder weg, ehe die junge Frau erkennen konnte, dass darauf Ventura PD stand. Er sah, wie sie einen Blick in den Flur warf, in dem der Schwarze verschwunden war, was seine Vermutung bestätigte, dass es sich bei dem Mann um Nolan Houston gehandelt hatte.

Die schlanke Blondine mit den großen blauen Augen hob die Hand und bedeutete Hank zu warten, bis sie ihr Telefonat beendet hatte. Dann schob sie das Mikrofon vor ihrem Mund beiseite und fragte: »Haben Sie einen Termin mit Mr. Houston vereinbart?«

»Na klar«, sagte Hank, lehnte sich seitlich an den Counter und zwinkerte Carolyn zu. »Wir kommen vom Finanzamt. Ich schlage vor, Sie rufen jetzt Ihren Boss an und sagen ihm, dass wir hier sind. Und vielleicht erwähnen Sie auch, dass wir nicht gerne warten.«

Während die junge Frau mit Houston sprach, flüsterte der Detective Carolyn ins Ohr: »Ich weiß nicht, wie es um Armstrong steht, aber wie es aussieht, hat der Kerl hier verdammt viel zu verlieren.«

Vor dem deckenhohen Panoramafenster mit Blick über die Skyline von Los Angeles saß Nolan Houston an seinem prunkvollen Schreibtisch und starrte seine beiden Besucher böse an. Die Wände des Büros waren mit Ölgemälden bedeckt und auf weißen Marmorpodesten standen Bronzeskulpturen.

»Ich könnte Sie wegen Amtsmissbrauchs anzeigen«, sagte Houston wütend. »Ihretwegen musste ich meine Teilnahme an einem Wohltätigkeits-Golfturnier im Country Club von Los Angeles absagen. Für Sie mag das vielleicht nicht wichtig sein, aber Golf ist mein Geschäft.«

»Eine Anzeige wäre wohl nicht in Ihrem Interesse«, sagte Hank, ein Zucken im Mundwinkel. »Wir sind gekommen, um mit Ihnen über den Tod von Tim Harrison zu sprechen.«

Carolyn musterte Houstons Gesicht, wartete auf eine Reaktion. Er blinzelte nicht einmal. Sie hatte auch nicht erwartet, dass er sie nach so langer Zeit wieder erkennen würde. Das ist ein eiskalter, berechnender Mann, dachte sie. Es wundert mich nicht, dass er als Geschäftsmann so erfolgreich geworden ist. Dass sich Houston nicht an ein Mädchen erinnerte, mit dem er dieselbe High School besucht hatte, war verständlich. Aber wie konnte er den tragischen Tod eines seiner Freunde vergessen?

Houston griff nach einer silbernen Karaffe, die zusammen mit vier Kristallgläsern auf einem Tablett stand, und goss Wasser in ein Glas, ohne seinen Besuchern etwas anzubieten.

»Tim Harrison ist vor über zwanzig Jahren ums Leben gekommen«, sagte er und hielt das Glas so, dass die untere Hälfte seines Gesichts dahinter verborgen war. »Der Mann, der ihn getötet hat, sitzt doch noch im Gefängnis, oder?«

»Im Augenblick erholt er sich von einer Schusswunde«, sagte der Detective und nahm einen Zahnstocher aus seiner Jackentasche. »Sie wissen nicht zufällig, wer auf ihn geschossen hat, wie?«

»Natürlich nicht«, sagte Houston, doch in seinen Augen flackerte kurz Angst auf. Augenblicke später war sein Blick wieder eiskalt. »Stand das in den Zeitungen? Ich kann mich nicht erinnern, etwas darüber gelesen zu haben. Artikel dieser Art interessieren mich normalerweise nicht. Außerdem lebe ich seit fünfzehn Jahren nicht mehr in Ventura.«

Hank steckte den Zahnstocher in den Mund und rollte ihn von einer Seite zur anderen, um Zeit zu gewinnen.

»Wie kommen Sie darauf, dass dieser Mann in Ventura angeschossen wurde?«

Houston machte eine ruckartige Bewegung, so dass der Stuhl auf der Plastikmatte darunter ein quietschendes Geräusch machte. Er furchte die Stirn und seine Hand zitterte leicht, als er das Wasserglas auf seinem Schreibtisch abstellte – neben den Untersatz, wie Carolyn bemerkte. Sie sah Hank an und fragte sich, ob ihm das auch aufgefallen war. Es waren die kleinen Dinge, die oft mehr verrieten, als jemandem bewusst war.

»Ich habe es eben angenommen, okay?«, zischte Houston mit zusammengepressten Zähnen. »Warum sind Sie überhaupt zu mir gekommen, Detective? Sie glauben doch nicht etwa, ich hätte etwas mit dieser Schießerei zu tun.« Er machte eine Pause und holte tief Luft. »Um ganz ehrlich zu sein, mit Metroix habe ich kein Mitleid. Dieser Bastard hätte nie entlassen werden dürfen.«

Jetzt beschloss Carolyn, sich in die Unterhaltung einzumischen. »Erinnerst du dich noch an mich, Nolan? Wir waren zusammen auf der Ventura High School. Mit Liam Armstrong bin ich mal ausgegangen.«

»Du mit Liam?«, fragte er und legte eine Hand an seine Kehle, als hätte er Schluckbeschwerden. »Wie heißt du noch mal?«

»Carolyn Sullivan«, sagte sie. »Ich bin Daniel Metroix’ Bewährungshelferin und glaube, dass dieselbe Person, die Metroix niedergeschossen hat, mich und meine Tochter von der Straße drängen und umbringen wollte. Und nicht nur das: Metroix’ Motelzimmer war mit Sprengstoff verdrahtet. Ich war dort, als das Gebäude in die Luft flog.«

»Haben Sie in letzter Zeit Ihren Freund Liam Armstrong gesehen?«

»Das letzte Mal vor etwa zwei Jahren«, sagte Houston. »Wollen Sie ihm auch einen Besuch abstatten?«

Weder der Detective noch Carolyn antworteten. Sie war sich sicher, dass Houston Armstrong anrufen und warnen würde, sobald sie sein Büro verlassen hatten. Hank und sie wollten wissen, ob die beiden Männer zusammengearbeitet hatten oder nur einer von ihnen für die Anschläge verantwortlich war. Houston besaß eindeutig die Mittel, um einen Killer anzuheuern, aber war der Mann auch skrupellos genug, eine Bewährungshelferin umbringen zu lassen? Sogar sie hatte sich nach nur wenigen Minuten von Houstons luxuriöser Umgebung blenden lassen.

Carolyn versuchte sich den Abend zu vergegenwärtigen, an dem Tim Harrison gestorben war. Liam, Nolan und Tim Harrison hatten zu den beliebtesten Jungen der Ventura High School gehört. Und als Sohn des Polizeichefs hatte Tim einen gewissen Status genossen. Soweit sie sich erinnern konnte, hatten alle drei schicke Autos gefahren, modische Kleidung getragen und die Mädchen waren verrückt nach ihnen gewesen. Vielleicht hatte auch der Football, dieser aggressive Sport, bei dem Spieler angehalten wurden, jede Schwäche des Gegners auszunutzen, eine Rolle bei diesem Verbrechen gespielt. Was war in den Tagen vor Tim Harrisons Tod passiert? War einer der Jungen von einem Coach zusammengestaucht worden oder war sonst etwas geschehen, das Minderwertigkeitsgefühle hervorgerufen hatte? Gab es eine bessere Möglichkeit, das eigene Ego aufzublasen, als einen kranken Jungen wie Daniel Metroix fertig zu machen, der ihnen zufällig über den Weg gelaufen war?

Carolyn bezweifelte, dass Liam oder Nolan ihren Freund absichtlich getötet hatten. Alles in allem war ihr Verhalten jedoch verabscheuungswürdig gewesen. Nachdem sie Metroix verprügelt und gedemütigt hatten, war die Situation wohl außer Kontrolle geraten. Daniel hatte sich daran erinnert, dass Tim Harrison Streit mit den beiden anderen angefangen hatte, aus Angst, sein Vater könnte herausfinden, was sie getan hatten. Ein Stoß mit einem Ellbogen hier, ein Faustschlag da oder ein Rempler, wie er auf Football-Plätzen üblich war – und Tim Harrison war auf die dunkle Straße getaumelt und vor das heranfahrende Auto gestürzt. Carolyn war nicht nur überzeugt, dass Liam Armstrong und Nolan Houston gelogen hatten, was ihren Überfall auf Daniel Metroix betraf, sondern ihn auch dreiundzwanzig Jahre unschuldig für eine Tat hatten büßen lassen, die sie begangen hatten.

Für Houstons Bemerkung, er habe kein Mitleid für den Mann, den er als Sündenbock missbraucht hatte, wäre ihm Carolyn am liebsten an die Gurgel gegangen. Wieder ließ sie den Blick durch sein Büro schweifen und sie fand, er hätte – moralisch gesehen – nicht einmal das Glas verdient, aus dem er Wasser getrunken hatte.

»Was ist mit Charles Harrison?«, fragte Houston matt, da ihm das absichtliche Schweigen der beiden Officer sichtlich auf die Nerven ging. »Sollte jemand Metroix’ Tod wünschen, dann wohl Tims Vater. Liam und ich hatten schon befürchtet, er würde den Kerl im Gerichtssaal erschießen.«

»Richtig«, sagte Carolyn und sah Houston verächtlich an. Die beiden Jungen hatten immer nur an sich selbst gedacht.

»Chief Harrison ist tot«, sagte Hank. »Er ist Freitagnacht gestorben.«

»Das tut mir Leid«, sagte Houston und starrte auf eine Stelle über ihren Köpfen, während er versuchte, seine Fassung wiederzugewinnen. »Und was ist mit seiner Frau? Sie hatte nach dem Tod ihres Sohnes einen Nervenzusammenbruch. Denn Tim war ihr Leben. Kurz danach wurde ihr die Gebärmutter entfernt. Davon hat sie sich nie mehr erholt. Wenn sie vielleicht noch Kinder hätte bekommen können, wäre es nicht so schwer für die beiden gewesen, über Tims Tod hinwegzukommen.«

Da stand Hank auf und deutete mit dem Kopf zur Tür. Carolyn verstand den Wink: Es war Zeit zu gehen. Auf halbem Weg durch den Raum drehte sich Hank jedoch noch einmal um. Schon griff Houston nach dem Telefon.

»Es gibt neue Informationen«, sagte er. »Daniel Metroix schwört, dass Sie, Tim Harrison und Liam Armstrong ihn an jenem Abend angegriffen haben. Er erinnert sich sogar daran, dass Tim mit Ihnen beiden gestritten hat, nachdem ihr Metroix zusammengeschlagen habt.«

»Das ist eine verdammte Lüge!«, blaffte Houston. Schweißtropfen perlten auf seiner Stirn.

»Da jemand versucht hat, sowohl Metroix als auch Mrs. Sullivan umzubringen«, fuhr der Detective fort, »wurden die Ermittlungen offiziell wieder aufgenommen. Hinzu kommen drei weitere Verbrechen. Sie sind doch ein intelligenter Mann, Houston. Haben Sie wirklich geglaubt, dass die Wahrheit nicht eines Tages herauskommen würde?«

Nolan Houston erstarrte, den Hörer fest umklammert. Das Blut wich ihm aus dem Gesicht.

»Ich brauche einen Anwalt«, murmelte er, ohne zu überlegen.

Hank riss die Tür auf und ließ Carolyn den Vortritt. Mit dem Zeigefinger deutete er auf Houston und sagte: »Sollte Carolyn Sullivan etwas zustoßen, erschieße ich Sie. Haben wir uns verstanden, Houston?«

»Was halten Sie von ihm?«, fragte Carolyn den Detective im Lift.

»Er hat Dreck am Stecken«, sagte Hank und knackte mit seinen Fingerknöcheln.

»Sind Sie sich da absolut sicher?«

»Nichts im Leben ist sicher«, entgegnete Hank, als sich die Lifttüren im Erdgeschoss mit einem leisen Klingelton öffneten. »Wenigstens haben wir eines erreicht: Sollte Houston keine weiße Weste haben, wird er sich hüten, Sie oder Ihre Familie noch einmal zu bedrohen oder zu versuchen, Ihnen etwas anzutun.«

Sullivans Gesetz/ Sullivans Rache/ Dunkler Garten

Подняться наверх