Читать книгу Sullivans Gesetz/ Sullivans Rache/ Dunkler Garten - Nancy Taylor Rosenberg - Страница 29

Kapitel 23

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Als Carolyn am Montagabend kurz nach neun die Küche aufräumte, klingelte das Telefon. Eine männliche Stimme sagte leise: »Wie wär’s mit einem Drink bei mir?«

Da Carolyn den Anrufer für Brad hielt, sagte sie gereizt: »Kannst du mich nicht endlich in Ruhe lassen?«

Während ihrer Affäre hatte er regelmäßig spätabends angerufen und versucht sie zu überreden, ihn heimlich in ihr Schlafzimmer zu schmuggeln.

»Es ist wohl etwas zu spät für einen Anruf«, entgegnete Paul Leighton steif. »Ich melde mich ein andermal wieder.«

»Entschuldigen Sie bitte«, sagte Carolyn. »Ich habe Sie mit jemandem verwechselt.«

»Nein, ich muss mich entschuldigen«, sagte er. »Waren Sie schon im Bett? Eigentlich wollte ich Sie früher anrufen.«

»Ich räume gerade die Küche auf.«

»Kommen Sie doch anschließend auf einen Schlummertrunk zu mir. Lucy ist schon zu Bett gegangen. Und sollten Sie Ihre Sprösslinge nicht allein lassen wollen, kann ich Isobel zu Ihnen rüberschicken. Sie wirkt zwar nicht sehr einschüchternd, würde aber jeden, der es auch nur wagt, sich Ihren Kindern zu nähern, in die Flucht schlagen. In fünfzehn Minuten?«, fügte er hinzu. »Ich erwarte Sie in meinem Patio.«

»Ja, bitten Sie Isobel rüberzukommen«, sagte Carolyn. »Ich kann aber nicht lange bleiben.«

Nachdem sie ihr Haar gebürstet und etwas Parfüm aufgetragen hatte, nahm sie ein schwarzes, eng anliegendes Strick-Top aus ihrem Kleiderschrank und zog ihr T-Shirt aus. Dann änderte sie ihre Meinung und hängte das Top in den Schrank zurück. Ein Abendessen zusammen mit den Kindern beim Professor war etwas anderes als ein Rendezvous spätabends.

Und ihre Beziehung zu Brad musste sie endgültig beenden. Während ihrer Affäre hatte er nie von Heirat gesprochen. Ihre Mutter hatte immer behauptet, die beste Art, eine Beziehung zu beenden, bestehe darin, eine neue einzugehen. Doch sie wollte bei Paul nicht den Eindruck erwecken, sie sei auf der Suche nach einem Mann. Kaum war ihr dieser Gedanke gekommen, musste sie sich fragen, ob er der Wahrheit entsprach. Wenn sie – wie so oft – nachts unter Schlaflosigkeit litt, weinte sie allein in ihrem Bett. Überall auf der Welt hatten Menschen unglückliche Ehen hinter sich und gaben trotzdem nicht die Hoffnung auf eine neue, glücklichere Beziehung auf. Auch sie wollte den Rest ihres Lebens nicht allein verbringen.

Carolyn schlüpfte in eine weiße Bluse mit Spitzenkragen und zog eine schwarze Hose an. Als sie jemanden an der Hintertür klopfen hörte, ging sie schnell hin und öffnete.

»Ich bin die Aufpasserin«, sagte Isobel und trat ein. Sie trug einen orangefarbenen Pullover und Pyjamahosen. Ihre Füße steckten in Plüschpantoffeln.

»Es ist wirklich sehr nett von Ihnen, dass Sie gekommen sind«, sagte Carolyn und fragte sich, ob Paul Leightons Haushälterin schon geschlafen hatte. »Möchten Sie im Wohnzimmer fernsehen?«

»Ich sehe nie fern«, antwortete Isobel und hielt ein Taschenbuch hoch. »Heutzutage gibt’s in dieser Glotze doch nur Schund. Sagen Sie mir nur, wo sich Ihre Kids aufhalten, und zeigen Sie mir einen bequemen Sessel mit gutem Leselicht. Dann bin ich schon zufrieden.«

Nachdem es sich Isobel gemütlich gemacht hatte, schaute Carolyn in Johns Zimmer in der umgebauten Garage. Er saß wie üblich über seinen Büchern. Sein Haar war zerzaust und er hatte dunkle Ringe unter den Augen. Er starrte auf das Blatt mit Gleichungen vor ihm auf dem Schreibtisch und klopfte sich dabei mit dem Bleistift an die Stirn.

»Ich gehe noch ein Stündchen zu Paul Leighton«, sagte Carolyn. »Du kannst mich jederzeit übers Handy erreichen. Paul hat Isobel hergeschickt, damit sie auf euch aufpasst. Sie sitzt im Wohnzimmer.«

John schien sie nicht gehört zu haben, drehte sich dann aber um und verkündete aufgeregt: »Sag Paul, dass ich wahrscheinlich die Lösung gefunden habe. Vielleicht kriege ich doch noch eine Eins in Mathe. In Trigonometrie kriege ich eine Eins, das hat mir mein Lehrer schon gesagt. Doch mit diesen Infinitesimal-Differential- und Integralrechnungen hatte ich das ganze Jahr über Probleme.«

»Was ist mit deinen anderen Fächern?«, fragte Carolyn. »Wenn du bei der Aufnahmeprüfung gut abschneiden willst, musst du in allen Fächern gut sein.«

»Die sind doch ein Kinderspiel für mich«, sagte John, ohne aufzusehen. »Da habe ich nur Einser.«

»Großartig«, lobte Carolyn ihren Sohn. »Ruf mich an, wenn du mich brauchst.«

Carolyn saß auf einem der beiden Liegestühle mit den grünen Kissen in Pauls Patio. Paul öffnete eine Flasche Chardonnay und füllte ihre Gläser.

»Haben Sie mit Ihrem Vorgesetzten über die Pläne für das Exoskelett gesprochen?«

»Ja«, sagte Carolyn. »Jetzt muss ich mir nur noch das Einverständnis des Urhebers geben lassen. Dann kann ein Wissenschaftler die Unterlagen bewerten. Ich rede demnächst mit dem Mann.«

Carolyn lehnte sich zurück und sah zum sternenklaren Himmel hoch. In einer Ecke des Patio stand ein großes Teleskop auf einem Stativ.

»Möchten Sie sich die Sterne näher betrachten?«, fragte Paul.

»Ja, gern«, sagte Carolyn und folgte ihm mit ihrem Glas Wein in der Hand. Nachdem Paul das Objektiv eingestellt hatte, beugte sich Carolyn vor und schaute durch das Okular.

»Kennen Sie alle Sternbilder?«, fragte sie.

»Wahrscheinlich schon«, antwortete er, »aber ich höre lieber Ihnen zu. Astronomie ist nicht mein Spezialgebiet.«

Als er hinter Carolyn trat und per Knopfdruck die Position des Teleskops veränderte, spürte sie seinen warmen Atem an ihrem Nacken. Sie richtete sich auf und drehte sich um. Ihre Körper berührten sich.

»Sie sind eine wunderschöne Frau«, sagte Paul und streichelte ihr Haar. »Ich freue mich, dass Sie gekommen sind.«

»Ich mich auch«, sagte Carolyn und hielt den Atem an.

Er umfasste ihren Nacken und presste seine Lippen auf ihre. Seine andere Hand lag auf ihrem Rücken, unterhalb der Taille. Sein Kuss dauerte nicht sehr lange, erregte sie jedoch. Spontan umfasste sie sein Gesicht, küsste ihn leidenschaftlich und entzog sich ihm dann abrupt.

»Mein Gott!«, sagte sie lachend. »Was tue ich da? Wir kennen uns doch kaum.«

»So etwas passiert eben«, sagte er und nahm sie wieder in die Arme. »Ich habe dich vom ersten Augenblick an begehrt. Dieses Gefühl hatte ich seit Jahren nicht mehr. Und ich bin mir ziemlich sicher, dir ist es genauso ergangen.«

Ihre Affäre mit Brad war mehr physischer Natur gewesen. Denn wie hätte sie einen Mann lieben können, von dem sie wusste, dass er sie betrügen würde? Diese bittere Erfahrung hatte sie schon mit Frank gemacht.

»Vielleicht wollte ich dieses Gefühl nicht wahrhaben«, sagte sie schließlich.

»Ich wahrscheinlich auch nicht«, überlegte Paul. »Durch meinen Umzug hierher wollte ich Abstand von der Universität gewinnen. Es ist mir sehr wichtig, dieses Buch fertig zu schreiben. Aber ich werde wohl nicht für immer hier bleiben.«

»Du kannst doch zurückkommen«, sagte Carolyn und legte ihm die Hand auf die Brust. »Wozu brauchst du ein Haus, wenn du nicht darin wohnst?«

»Ein Jahr vergeht schnell. Willst du nicht wissen, wohin uns das führt?«

»Vielleicht in den Himmel?«, sagte Carolyn und schmiegte sich an ihn.

»Es gibt keinen Himmel«, entgegnete Paul. »Das ist nur ein Hirngespinst, wie alles, was mit Religion zusammenhängt.«

Abrupt entzog sich Carolyn ihm. Seine Bemerkung hatte ihr gründlich die Stimmung verdorben.

»Bist du etwa Atheist?«, fragte sie ernüchtert.

»Lass uns lieber den Wein genießen«, sagte er ausweichend.

»Nein«, beharrte Carolyn, packte seine Hand und hielt ihn zurück. »Ich möchte mit dir über dieses Thema reden.«

»Na gut«, lenkte Paul leicht zögernd ein. »Ich halte mich eher für einen Agnostiker. Ich kann weder beweisen, dass es keinen Gott gibt, noch glaube ich an die Existenz Gottes oder übersinnlicher Kräfte. Ich negiere seine Existenz aber nicht, wie es Atheisten tun ... Entschuldige bitte. Ich hatte nicht den Eindruck, dass du religiös bist.«

»Danach hast du mich ja nie gefragt«, entgegnete Carolyn mit einem flauen Gefühl im Magen.

»Ist das für dich wichtig?«

Als Carolyn Pauls besorgten Blick sah, fragte sie sich, ob ihm seine Einstellung zur Religion Probleme bereitet hatte und ob daran seine Ehe gescheitert war.

»Versteh mich bitte nicht falsch«, sagte sie. »Ich bin keine religiöse Fundamentalistin. Aber ich bin ein gläubiger Mensch, so wie meine Kinder. John ...«

Paul ging ein paar Schritte zum Holzgeländer, lehnte sich daran und starrte in die Nacht.

»Dein Sohn ist noch jung«, sagte er. »Und da er Physiker werden will, wird sich sein Glaube zwangsläufig bald ändern.«

»Davon will ich nichts hören«, sagte Carolyn. Ihre romantische Vorstellung, sich in Paul verlieben zu können, war verflogen. »Ich muss jetzt gehen«, fügte sie steif hinzu.

»Ist das wirklich dein Ernst?«, fragte Paul und war mit ein paar Schritten bei ihr. »Können zwei Menschen mit gegensätzlichen Ansichten nicht füreinander da sein und die Überzeugungen des anderen respektieren? Was wäre, wenn ich gern Steaks essen würde und du Vegetarierin wärst? Würdest du mich dann nicht mehr sehen wollen? Könnte ich nicht weiterhin Steaks essen und du dein Gemüse?«

»Das weiß ich nicht«, antwortete Carolyn verwirrt.

»Natürlich ginge das«, antwortete Paul. »Ich will weder dir noch deinen Kindern euren Glauben streitig machen. Ich würde doch meine Zeit nicht vergeuden, hätte ich nicht gespürt, dass zwischen uns so etwas wie Glück, Kameradschaft, Freude, ja sogar eine lebenslange Beziehung möglich wäre? Glaubst du etwa, mir geht es nur um eine flüchtige Affäre? Für die meisten Frauen habe ich nichts übrig. Warum sich eine Frau wie du in dieser Stadt als Bewährungshelferin verkriecht, begreife ich einfach nicht.«

Paul nahm sie wieder in die Arme. Er küsste ihre Stirn, ihre Wangen, ihren Hals. Ihr Körper wölbte sich ihm entgegen und sie stieß einen tiefen Seufzer aus. Sie konnte jetzt nicht gehen. Sie begehrte diesen Mann. Etwas an ihm gab ihr das Gefühl, endlich vollkommen zu sein, so als hätte sie ein fehlendes Teil gefunden. Er nahm sie auf die Arme, trug sie zum Liegestuhl, legte sie darauf und streckte sich auf ihr aus. Seine Zunge erforschte ihren Mund, während er anfing, die Knöpfe ihrer Bluse zu öffnen.

»Hör auf«, sagte Carolyn. »Wir können nicht ...«

»Warum nicht?«, flüsterte er. »Niemand kann uns sehen.«

»Nicht jetzt«, entgegnete Carolyn.

»Wann dann?«

»Das weiß ich nicht«, sagte sie, schob ihn von sich, stand auf und ordnete ihre Kleidung.

»Komm morgen Mittag zum Lunch zu mir.«

»Ich ersticke in Arbeit.«

»Nimm dir die Zeit«, drängte Paul. »In einer Viertelstunde bist du mit dem Auto hier. Ich will dich sehen.«

Seit Jahren hatte sich Carolyn nicht mehr so lebendig gefühlt. Plötzlich steckte sie voller Energie und hatte das Gefühl, über Zäune springen und bis zum Umfallen laufen zu können. Brad hatte ihre körperlichen Bedürfnisse befriedigt, aber Paul brachte ihr ganzes Wesen in Aufruhr. In diesen Mann könnte sie sich verlieben. Ihn vielleicht sogar heiraten. Ernsthafte Gedanken wie diese eigneten sich nicht für impulsive Entscheidungen. Sie wollte sich Zeit lassen, damit sie sich besser kennen lernen und ihre Beziehung sich langsam entwickeln konnte.

Ja, ich könnte mich schon für ein paar Stunden davonstehlen, überlegte Carolyn. Meine Fälle habe ich alle abgewickelt. Das wollte sie Paul jedoch nicht sagen. Die Physik ist in vieler Hinsicht wie ein Spiel oder treffender ausgedrückt: ein faszinierendes Puzzle. Vielleicht war sie für den Professor nicht mehr als ein faszinierendes, menschliches Puzzle, das er in Gleichungen zerlegen und lösen wollte. Sie lebte zwar in der Kleinstadt Ventura, aber ihr jahrelanger Umgang mit Kriminellen hatte sie viel über die menschliche Natur gelehrt.

»Wie kannst du mich nur warten lassen?«, klagte Paul und schlug wie ein bockiges Kind auf den Rahmen des Liegestuhls. »Du machst mich ganz verrückt. Wie soll ich mich da auf mein Buch konzentrieren? Was soll ich nur tun?«

»Versuch’s doch mal mit Beten«, sagte Carolyn trocken und ging lachend die Treppe der Veranda hinunter und zu ihrem Haus.

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