Читать книгу Sullivans Gesetz/ Sullivans Rache/ Dunkler Garten - Nancy Taylor Rosenberg - Страница 27

Kapitel 21

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»Ehe wir uns mit Armstrong treffen, sollten wir unterwegs etwas essen«, sagte Hank zu Carolyn, als die beiden wieder in seinem Dienstfahrzeug saßen. »Ich sehe immer nur, dass Sie sich diese Protein-Riegel in den Mund stecken.«

»Das ist doch Quatsch«, sagte Carolyn. »Ich esse die ganze Zeit. Wir sind mit Armstrong um eins verabredet und jetzt ist es schon nach zwölf. Wo treffen wir uns mit ihm?«

»Etwa fünf Block von hier entfernt«, sagte Hank lächelnd.

»Wie haben Sie das hingekriegt?«

»Ich habe ihm gesagt, ich sei daran interessiert, neunhundert bis tausend Quadratmeter Bürofläche für meine neue Investmentbank zu mieten«, sagte Hank und bog auf den Parkplatz eines Supermarktes ein. »Ich will keine Zeit verlieren. Wir brauchen Beweise. Kevin Thomas vom Büro des Staatsanwalts sollte bis heute Abend die Anträge für die Haftbefehle fertig haben.«

Im China Garden, einem sehr beliebten Restaurant, stellten sich die beiden an die Theke, anstatt auf einen Tisch zu warten. Das Restaurant war voll und laut. Nachdem sie bestellt hatten, sah Carolyn den Detective an und sagte: »Wenn Houston Armstrong angerufen hat, kommt er vielleicht nicht zur Verabredung.«

»Doch, er kommt«, sagte Hank und und legte Carolyn eine Frühlingsrolle auf ihren Teller. »Glauben Sie mir. Armstrong hat nur noch Dollarzeichen gesehen, als ich mit ihm geredet habe. Er hält mich für einen Banker, auch wenn Houston ihm gesagt hat, dass zwei Cops bei ihm waren.«

Ein Kellner stellte eine Schüssel mit Reis und Shrimps auf die Theke. Hank löffelte eine große Portion auf Carolyns Teller.

»Ich will, dass Sie das alles aufessen. Vielleicht reichen Ihnen ja ein paar Stunden Schlaf, aber nur von Luft leben können auch Sie nicht.«

Carolyn entdeckte Liam Armstrong in der Lobby der Wilshire West Towers.

»Das ist er«, flüsterte sie Hank zu und deutete mit dem Kopf in seine Richtung.

Liam Armstrong war nicht so groß und fit wie Nolan Houston. Er bewegte sich steif und schien Probleme mit seinem linken Bein zu haben. Bis auf ein paar Falten um Mund und Augen und das jetzt grau melierte Haar hatte er sich kaum verändert. Carolyn konnte sich noch gut daran erinnern, wie aufgeregt sie gewesen war, als er sie zum ersten Mal gebeten hatte, mit ihm auszugehen. Liam war noch immer ein attraktiver Mann. Er trug einen Nadelstreifenanzug, ein königsblaues Hemd mit dazu passender Krawatte und hatte einen Aktenkoffer bei sich. Er telefonierte über Kopfhörer mit einem Handy.

»Sind Sie Liam Armstrong?«, sprach Hank ihn an.

»Entschuldigen Sie bitte«, sagte Armstrong und musterte Hanks zerknitterten Anzug von der Stange und seine abgetretenen Schuhe. »Ich bin mitten in einem Gespräch.«

Hank streckte die Hand aus und riss ihm den Kopfhörer aus dem Ohr. Dann zeigte er ihm seine Marke und sagte: »Detective Hank Sawyer vom Ventura Police Department. Wo können wir uns ungestört unterhalten?«

Liam Armstrong sah Carolyn neugierig an und sagte dann zu dem Detective: »Sie müssen mich mit jemandem verwechseln«, griff in seine Brusttasche und gab beiden seine Visitenkarte. »Ich bin hier mit einem wichtigen Kunden verabredet. Er müsste jeden Augenblick kommen. Worum geht’s, Officer?«

»Ihr wichtiger Kunde ist schon da«, sagte Hank und warf Armstrongs Visitenkarte in den nächsten Mülleimer. »Wir ermitteln wegen verschiedener schwerer Verbrechen, die alle mit Tim Harrisons Tod zusammenzuhängen scheinen.«

Menschen kamen von der Mittagspause zurück und strömten durch die Doppeltür. Ein Mann rempelte Armstrong so heftig an, dass der Makler beinahe gestürzt wäre.

»Tim ist doch schon so lange tot«, sagte er und hinkte in eine entfernte Ecke der Lobby. »Der Täter wurde zu einer lebenslänglichen Haftstrafe verurteilt. Die Verbrechen, in denen Sie ermitteln, können mit mir nichts zu tun haben.«

»Wir können uns entweder hier unterhalten, oder Sie begleiten mich zum nächsten Polizeirevier«, sagte Hank. »Die Entscheidung liegt bei Ihnen ... Sir.«

Armstrongs Handy piepste laut. Er steckte die Hand in die Tasche und schaltete es ab.

»Gehen wir doch in die leeren Büroräume. Der vorherige Mieter ist schon ausgezogen. Ein Objekt wie dieses in bester Lage – es umfasst das gesamte achte Stockwerk – ist am Wilshire Boulevard kaum noch zu finden.«

Obwohl Hank Armstrong gesagt hatte, wer sie waren und warum sie mit ihm sprechen wollten, benahm er sich, als seien sie die potenziellen Mieter.

Houston ist nervös geworden und hat wie unter Schock reagiert, dachte Carolyn. Doch Armstrong verdrängt entweder die Tatsachen, oder er ist betrunken oder steht unter Drogen.

Sie trat näher an ihn heran, um zu prüfen, ob er eine Fahne hatte. Nichts. Wenn er Alkoholiker war, brauchte er eine Menge Mundwasser.

»Es ist schon lange her, Liam«, sagte Carolyn, als die drei im Lift standen. »Es kränkt mich, dass du dich nicht an mich erinnerst. Als wir beide auf der High School waren, sind wir miteinander ausgegangen.«

»Tut mir Leid«, sagte er kopfschüttelnd. »Damals habe ich viele Mädchen gekannt. Wie heißen Sie?«

»Carolyn Sullivan«, antwortete Carolyn. »Mein Vater hat Mathe unterrichtet.«

»Es geht doch wohl nicht darum ...«, reagierte er endlich.

»Nein«, sagte Carolyn und drückte den Knopf für den achten Stock. Armstrong musste jedoch erst einen Schlüssel aus seinem Aktenkoffer nehmen und ihn in einen Schlitz in der Armaturentafel stecken.

»Ich stelle die Klimaanlage an«, sagte Armstrong, als sie die Büroräume betraten, und öffnete seinen Hemdkragen. »Hier drin sind bestimmt sechsundzwanzig Grad.«

»Ich finde die Temperatur angenehm«, sagte Hank. »Und Sie, Carolyn?«

»Ich bin verheiratet, wissen Sie«, sagte Armstrong aus einem unerfindlichen Grund. »Und habe drei Kinder.«

»Wo waren Sie an diesem Montagabend?«, fragte Hank.

»Zu Hause, bei meiner Familie«, antwortete er. »Warum wollen Sie das wissen? Warum sind Sie überhaupt hergekommen? Warum haben Sie sich als potenzieller Mieter ausgegeben? Ihre Fragen hätten Sie mir doch auch am Telefon stellen können.« An Carolyn gewandt fügte er hinzu: »Bist du jetzt auch Polizistin?«

»Ich bin Bewährungs- und Gerichtshelferin«, antwortete sie. »Daniel Metroix ist meiner Aufsicht unterstellt.«

»Heißt das, er ist entlassen worden?«

»Ja«, sagte Hank. »Wussten Sie das nicht? Ihr Kumpel Nolan Houston hat Sie doch angerufen, oder?«

»Herrgott noch mal!«, sagte Armstrong empört. »Ich habe seit Jahren nicht mehr mit Nolan geredet. Wie kann ein Mann, der zu lebenslanger Haft verurteilt wurde, schon wieder frei sein?«

Hank ging zu einem der Fenster und drehte sich dann um. Armstrong schwitzte jetzt stark.

»Und was ist mit Mittwoch? Haben Sie ein Alibi für die Zeit zwischen zehn und drei?«, fragte der Detective.

Armstrong schluckte schwer, ehe er antwortete: »Ich glaube, ich war bei einem Kunden. Aber das muss meine Sekretärin in meinem Terminkalender nachsehen. Diese Verbrechen, von denen Sie sprachen, wo sind die verübt worden?«

»In Ventura.«

»Schwere Verbrechen?«

»So kann man eine Explosion und eine Schießerei wohl nennen«, antwortete Hank. »Stimmen Sie mir zu, Carolyn?«

»Absolut«, bestätigte sie und lehnte sich gegen eine Wand. Da es keine Möbel in dem Raum gab, mussten alle drei stehen.

»Aber ich begreife nicht, warum Sie mich verdächtigen, in diese Verbrechen – ganz gleich welcher Art – verwickelt zu sein«, protestierte Armstrong. »Ich bin nie in meinem Leben wegen irgendwas verhaftet worden. Ich arbeite hart und sorge für meine Familie. Ich kann Ihnen ein Dutzend Referenzen geben. Brauchen Sie nicht einen handfesten Grund, um auf diese Weise in mein Leben einzudringen?«

»Sie stehen nicht unter Arrest«, sagte Hank. »Wir versuchen nur zu rekonstruieren, was wirklich an dem Abend geschehen ist, als Tim Harrison getötet wurde.«

In Liam Armstrongs Augen glitzerten jetzt Tränen.

»Vor fünf Jahren«, fing er an zu erzählen, »habe ich mein linkes Bein verloren. Ich hatte Knochenkrebs. Bis gestern habe ich geglaubt, die Krankheit überwunden zu haben. Aber mein Arzt sagte mir, er habe etwas Verdächtiges auf einer Röntgenaufnahme gesehen. Morgen muss ich zur Magnetresonanz-Tomografie.«

Er schwieg und sammelte sich, ehe er fortfuhr: »Alles, was ich über Tims Tod weiß, habe ich im Zeugenstand gesagt. Jetzt kämpfe ich um mein Leben. Wenn Sie noch mehr Fragen haben, wenden Sie sich an meinen Anwalt.« Er öffnete wieder seinen Aktenkoffer und gab Hank und Carolyn eine andere Visitenkarte.

Sollte Armstrong etwas mit diesen Verbrechen zu tun haben, dachte Carolyn, hat er einen Preis als Schauspieler verdient. Seine Geschichte hätte sie fast zu Tränen gerührt. Schlafmangel wirkt sich verheerend auf den Gefühlspegel des Menschen aus, sagte sie sich. Am Sonntag war sie im Wohnzimmer auf dem Sofa völlig erschöpft eingeschlafen, aber immer wieder von Rebecca und Lucy geweckt worden. Die beiden waren jetzt unzertrennlich. Schließlich hatte Carolyn das Abendessen gekocht und Lucy nach Hause geschickt.

»Wir befragen jeden, der in irgendeiner Weise mit Tim Harrisons Tod zu tun gehabt hat«, sagte Hank und rieb sich das Kinn, »und zwar in der Hoffnung, Informationen zu bekommen, die etwas Licht in die Ermittlungen bezüglich der anderen Verbrechen bringen.«

Jetzt sah Armstrong noch verstörter aus. »Vielleicht kann ich Ihnen helfen, wenn Sie mir sagen, wonach Sie suchen, Detective. Auf wen wurde denn geschossen?«

»Auf Daniel Metroix«, sagte Carolyn, da er die Artikel über die Ereignisse der vergangenen Tage sowieso im Internet nachlesen konnte.

»Da kann ich Ihnen leider nicht helfen«, sagte Armstrong. »Ich weiß nur, dass Tims Vater an dem Tod seines Sohns beinahe zerbrochen wäre. Chief Harrison ist ein mächtiger Mann. Er hat Tim ziemlich hart rangenommen. Er dachte, sein Sohn könnte Profi-Footballspieler werden. Tim war ein großartiger Quarterback. Schnell wie der Wind und er konnte mit dem Ball umgehen wie kein anderer. Ich bezweifle jedoch, dass er das Talent zum Profi gehabt hätte.«

»Du hast gesagt, Tims Vater habe ihn hart rangenommen. Was meinst du damit?«, hakte Carolyn nach.

»Ach«, meinte Armstrong, »nähere Einzelheiten kenne ich nicht. Jedenfalls hatte Tim Angst vor seinem Vater. Als er mal zu viel gefeiert und einen Ball vermasselt hatte, ist er am nächsten Tag mit gebrochenem Unterkiefer in der Schule erschienen. Er hat behauptet, das sei bei dem Match passiert. Ich fand das seltsam, denn im Umkleideraum am Tag zuvor hatte er nichts davon erzählt.«

»Glaubst du, dass sein Vater ihn so hart geschlagen hat?«

»Wahrscheinlich«, entgegnete Armstrong mit gesenktem Kopf. »Nach Tims Tod bin ich aus dem Team ausgestiegen. Ich schaue mir nicht einmal mehr die Football-Spiele im Fernsehen an. Tim Harrison war mein bester Freund.«

»Rufen Sie uns bitte an, wenn Ihnen noch etwas einfällt«, sagte Hank. »Und viel Glück bei Ihrer Untersuchung.«

Liam Armstrong gab Carolyn die Hand und zog sie in eine Ecke des Raums. Der Detective stand an der Tür und wartete. Carolyn vermutete, dass nicht nur Tim Harrisons Tod das Interesse Armstrongs am Football hatte versiegen lassen. Für einen ehemaligen Leistungssportler musste der Verlust eines Beins verheerend sein.

»Ich schäme mich noch heute dafür, wie ich mich damals dir gegenüber benommen habe«, sagte Liam Armstrong. »Ich war noch so jung und glaubte, die ganze Welt gehöre mir. Ich bin dir dankbar, dass du weder deinem Vater etwas gesagt noch mich angezeigt hast. Vielleicht wäre das sogar besser gewesen, denn dann wäre ich schneller zur Besinnung gekommen.«

Carolyn war um Worte verlegen, entgegnete jedoch: »Du scheinst eine wundervolle Familie zu haben, Liam. Bestimmt gibt sie dir Halt. Ich schließe dich in meine Gebete ein.«

»Du bist wohl immer noch eine gute Katholikin, oder?«, fragte Liam und lächelte das erste Mal.

»Ob ich deshalb ein guter Mensch bin, weiß ich nicht«, sagte Carolyn. »Aber ich meine es ernst. Denn beten tue ich noch immer.«

Sullivans Gesetz/ Sullivans Rache/ Dunkler Garten

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