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IV.

Bald war Weihnachten. In der vierzehntägig stattfindenden Teamsitzung legte Mathilda fest, dass Gregor dafür verantwortlich sein sollte, die Fenster der Einrichtung weihnachtlich zu gestalten. Außerdem war ein Weihnachtsmarkt geplant, für dessen Organisation die Kolleginnen diverse Aufgaben von Mathilda zugeteilt bekamen. Zwar durfte diskutiert werden, was auf diesem Markt geschehen sollte und wer welche Aufgaben übernehmen wollte, am Ende jedoch war diese Diskussion hinfällig, da die Chefin bestimmte, was zu geschehen hatte.

Es schien Gregor so, dass sie sich vorab bereits alles genau überlegte, ihren Untergebenen dann aber Selbstständigkeit suggerierte, indem sie sie diskutieren ließ, um anschließend zu bestimmen, was passieren sollte. Ihr Volk nahm ihr Verhalten klaglos hin, ja, es schien es nicht einmal zu bemerken – hier war Mathilda durchaus geschickt.

Gregor wurde immer deutlicher, welch dominierende Stellung sich Mathilda leisten konnte, ohne dass ihre Kolleginnen, wie sie sie immer nannte, dagegen auch nur ein Sterbenswörtchen sagten. Sie nahmen alles hin und folgten: Es herrschte in der Einrichtung eine für Gregor nicht ganz greifbare, irgendwie unterwürfige Stimmung.

Da der Auszubildende selbstverständlich tat, wie ihm geheißen, machte er sich im Folgenden daran, die Fenster mit weihnachtlichen Bildern zu schmücken. Gregor dachte, dass es schön wäre, wenn einige Kinder ihm dabei helfen würden: Die ganze Sache bekam so mehr Wert. Schnell fanden sich mindestens zehn Helfer, die sehr gerne mitmachen wollten und sich ans Werk machten, was schön anzuschauen war. – Man konnte selbstverständlich sehen, dass es sich um Werke des Nachwuchses handelte, was in einer Einrichtung für Kinder so sein sollte, so hatte Gregor jedenfalls bisher gedacht: Die Kinder gestalteten die Fenster, waren mit etwas beschäftigt, woran sie Freude hatten, blickten am Ende mit einem gewissen Stolz auf ihr Werk und zeigten ihren Eltern, was sie erschaffen hatten – so sollte es sein!

Als viele der vorhandenen Fenster bereits geschmückt worden waren, teilte Anja Gregor mit: „Mathilda will dich umgehend in ihrem Büro sehen.“

Da die Chefin einen Befehl erteilt hatte, folgte der Auszubildende selbstverständlich und ging an den Ort, an dem man lernen konnte, wie Verwaltung funktionierte. Überraschenderweise traf er dort auf die Spitze der Lernumgebung, welche ausführte: „Gregor, ich habe doch ausdrücklich gesagt, dass du den Fensterschmuck herstellen sollst! Es ist zwar grundsätzlich gut, wenn die Kinder beschäftigt sind, aber einfach wild und ungeplant mit den Kindern die Fenster zu schmücken, ist nicht professionell: Ein Profi plant, was er vorhat, um gewappnet zu sein. Daher solltest du weihnachtliches Basteln im Rahmen einer Arbeitsgemeinschaft anbieten, damit du die Möglichkeit hast, Schablonen vorzubereiten: Für die Fenster wünsche ich mir einen professionelleren Schmuck, weil wir uns durch solche Dinge nach außen präsentieren, und benutzt du Schablonen, können die Kinder mit diesen Schmuck herstellen, der professionell ist.“

Mathilda war eben stets darauf bedacht, dass die Kinder selbst Dinge ausprobierten, damit sie beständig geschickter wurden. Gregor sagte vorsichtig: „Meiner Ansicht nach ist es für eine Einrichtung, in der Kinder betreut werden, durchaus positiv, wenn dort deren schablonenfreie Werke zu sehen sind, denn es zeigt sich so, dass die Kinder sich in ihrer Betreuung sinnvoll beschäftigen können. Jedenfalls haben sich die Eltern positiv über die geschmückten Fenster geäußert – und die Eltern sind doch wahrscheinlich die Adressaten deiner Präsentation.“

Mathildas Gesichtsfarbe wechselte: Widerspruch war sie nicht gewohnt – und dann auch noch von einem Auszubildenden!

Gregor sah ein, dass er einen Fehler gemacht hatte, er hätte ihr besser zugestimmt. Nun war es aber nicht mehr zu ändern, was auch für die Fensterbilder galt: Mathilda sah ein, dass es im Grunde nicht möglich war, die Bilder zu entfernen, da das für zu großen Unmut bei Kindern und Eltern gesorgt hätte. Also blieben die Bilder, wo sie waren. Mathilda wies Gregor aber unmissverständlich darauf hin, dass er jedes Vorhaben mit ihr zukünftig abzustimmen habe, da sie solche Fehler in ihrer Einrichtung nicht dulden könne. Und Gregor dürfe sich nicht auf die Meinung der Eltern stützen, da diese in der Regel von pädagogisch wertvoller Arbeit keinerlei Ahnung hätten. Die Chefin ergänzte, wo die Ahnung zu finden war: „Ich und meine Kolleginnen“, die Reihenfolge musste bei Mathilda immer stimmen, „sind pädagogisch geschultes Fachpersonal. Wir haben daher einen viel tieferen und professionelleren Einblick in Pädagogik als die Eltern. Pädagogisch sinnvolles Handeln kann nur von Fachpersonal verstanden und durchgeführt werden – und Gregor, weil du noch kein Fachpersonal bist, hast du dich gefälligst an meine Weisungen zu halten, damit du lernst, wie richtiges pädagogisch-professionelles Handeln aussieht. Ich bin auf dem neuesten Stand der Pädagogik und das seid ihr, die Eltern und du, nicht!“, wie sie sehr deutlich betonte: Gregor hoffte bereits, sie würde sich nicht übernehmen und kollabieren; das Thema Fachpersonal schien ihr am Herzen zu liegen. Problematisch dabei war nur, dass nur sechs der elf Angestellten tatsächlich eine offizielle Qualifikation für den Erziehungsbereich besaßen. Aber sie schien eben ihre Meinung zu haben, das hatte sie deutlich kundgetan – hier war kein Platz für Einwände.

Es war Gregor jedenfalls neu, dass es unpädagogisch und unprofessionell war, in einer Einrichtung für Kinder mit Kindern Fensterschmuck herzustellen.

Gregor verließ das Büro und sah eine Lehrerin, die sich mit Anja unterhielt. Die Lehrerin lobte den Fensterschmuck, wie schön die Kinder doch gearbeitet hätten: Anja hatte eine versteinerte Miene.

Der Auszubildende

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