Читать книгу Der Auszubildende - Neil Nilas Grün - Страница 9
ОглавлениеIII.
Am folgenden Tag waren die Abläufe wieder ungestört. Die Damen, die so unangenehm präsent gewesen waren, waren vergessen. Gregor begann seinen Dienst um 11 Uhr. Er stellte die Stühle wieder auf den Boden vor die Tische und besuchte seinen Freund Ingolf, der vormittags in der Küche arbeitete und nachmittags regelmäßig die Kolleginnen und Gregor bei der Arbeit mit den Kindern unterstützte. Um 11:30 Uhr kamen die Erstklässler in die Betreuung. Sie meldeten sich an, indem sie Gregor begrüßten und dieser hinter ihren Namen auf der Namensliste einen Haken für den betreffenden Wochentag machte. Zwei Kolleginnen trafen ein: Der Tag hatte begonnen.
Gregor spielte mit acht Erstklässlern Fußball und hatte ein Auge darauf, was andere Kinder in den Büschen taten, in denen sie sich eine Hütte bauten. Als er bemerkte, dass sie Äste von den Bäumen absägten, was natürlich nicht erlaubt war, da ansonsten in kürzester Zeit keine intakten Bäume mehr vorhanden gewesen wären, schlug er ihnen vor, den Hausmeister zu fragen, ob er Bretter für sie habe. Nach kurzer Zeit kamen sie mit Brettern zurück und es klopfte herzerfrischend aus den Büschen heraus. Gregor verlor, wie fast immer, ein spannendes und zwischenzeitlich auf des Messers Schneide stehendes Fußballspiel am Ende doch deutlich mit 12:7. Anschließend gingen die Erstklässler zum Essen und Gregor in das Büro der OGS. Es handelte sich um einen kleinen Raum, der als Abstellkammer und Garderobe für die Angestellten diente. Der Schreibtisch, der sich im Büro befand, wurde lediglich als Unterlagenaufbewahrungsort genutzt, denn Gregors Chefin erledigte die notwendigen Verwaltungsaufgaben zu Hause, womit sie durchschnittlich eine Stunde in der Woche beschäftigt war. Büro hieß die Kammer nur, weil irgendwann einmal jemand einen Schreibtisch hineingestellt hatte. Gregor zog sich ein frisches T-Shirt an und setzte sich anschließend an den Maltisch, um mit einigen Kindern Bilder zu malen. Zwischenzeitlich war er an der Werkbank gefragt, wo zwei Kinder sich kleine Holzhäuser bauten. Danach stand die täglich stattfindende Runde am Kickertisch gegen Peter, einen Drittklässler, an, gegen den er tatsächlich oft verlor, auch wenn er ernsthaft spielte ohne Rücksichtnahme. Es folgten das Mittagessen und die sich daran anschließenden Hausaufgaben. Anschließend spielte Gregor erneut eine Runde Fußball, dieses Mal gegen eine Gruppe von Dritt- und Viertklässlern. Zum Abschluss des Tages spielte er mit einigen Kindern Karten.
So oder auf ähnliche Weise verliefen die Tage in der OGS. Aufgrund der ständigen Abwechslung verging die Zeit meist wie im Flug.
Gregor fragte sich, wie es entstehen konnte, dass solch ein funktionierender Ablauf in dem Maße kritisiert werden konnte, wie die Damen es getan hatten.
Zweimal im Monat war in der OGS eine Teamsitzung angesetzt. Die Kolleginnen und Kollegen trafen sich morgens, um aktuell anstehende Angelegenheiten zu besprechen. Zu Beginn hatten sie sich grundsätzlich vorgenommen, pädagogische Themen zu diskutieren. Es ging bei diesen Diskussionen um allgemeine pädagogische Fragen oder um konkrete Kinder, die entweder positiv oder negativ aufgefallen waren, um sich ihre momentane Verfassung und ihren momentanen Stand vor Augen zu führen. Während der Sitzung tranken sie Kaffee, aßen etwas. Es war meist eine gelungene Veranstaltung, bei der darüber hinaus Ergebnisse herauskamen.
Gregor war klar, dass er nun nur noch drei Wochen in dieser OGS sein würde, da er sich in der Zwischenzeit entschieden hatte, in das Praxisjahr zu starten. Zufällig hatte er eine Stellenanzeige gesehen, in der ein Erzieheranwärter für eine OGS gesucht wurde, der sein sogenanntes Anerkennungsjahr, das Praxisjahr, absolvieren wollte. Er hatte sich beworben, war zum Vorstellungsgespräch eingeladen worden und nun hatte er die Zusage erhalten. In seiner aktuellen OGS bestand ja leider nicht die Möglichkeit, ihn Vollzeit zu beschäftigen, was Voraussetzung für die Praxisausbildung war. Daher musste er wechseln.
Es waren also nur noch wenige Wochen, bis er die Einrichtung, in der er so ziemlich alles bis auf die Bezahlung mochte, verließ. Die Dinge liefen weiter wie bisher, nur dass sein Abschied immer näher rückte – es war schon ein ungutes Gefühl, musste er sich eingestehen.
Sein letzter Tag hatte dann eine gewisse Härte: Neben dem Umstand, dass es sein letzter Tag war, was alleine schon schwer genug wog, wurde er auch noch verabschiedet. Viele Kinder waren bedrückt und unzufrieden damit, dass er ging. Aber immerhin war es so besser, als wenn sie seinen Abschied kaum hätten erwarten können.