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Die Rolle der Antifa

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Die Antifa, man kann das gar nicht anders sagen, hat für das Teambuilding der AfD über Jahre eine wichtige Rolle gespielt. Wenn sich eine Gruppe ungerecht behandelt fühlt, ausgegrenzt, gar angegriffen, dann wächst sie zusammen. So war das bei den Katholiken unter Bismarck und auch bei der Arbeiterbewegung im Kaiserreich. Mehr als ein Jahrhundert später ließ und lässt sich diese Reaktion auch bei der AfD beobachten.

Wir fanden in Münster kaum eine Gaststätte, in der wir uns treffen konnten. Dass einige Wirte die AfD so sehr ablehnten, dass sie nicht in Geschäftskontakt mit uns treten wollten, war sicher auch ein Grund dafür. Aber viele Kneipiers hatten schlicht Angst, von der Antifa bedroht oder gar durch Farbanschläge, Demos oder Plakataktionen gebrandmarkt zu werden. Das gab mir zu denken. Ich zählte hier offenbar zu einer Minderheit, der es nicht möglich sein sollte, sich öffentlich zu treffen. Natürlich ist »verfolgt« ein viel zu großes Wort dafür, aber »ausgestoßen« und »diskriminiert« fühlten wir uns durchaus.

Im Alltag mussten wir uns nun halbwegs verstecken. Einen Stammtisch konnten wir auf unserer Homepage oder über Facebook ankündigen, jedoch nur das Datum, nicht den Ort der Veranstaltung. Das bedeutete, dass Interessierte nicht einfach mal vorbeischauen konnten. Sie mussten sich per E-Mail melden – und wurden dann, ohne es zu wissen, erst einmal von uns überprüft. Wir gingen davon aus, dass jeder Interessierte ein Linksradikaler sein konnte, der nur darauf aus war herauszufinden, wo unsere Zusammenkünfte stattfanden.

Für ein erstes Gespräch traf ich einen Interessierten irgendwo in der Innenstadt, am besten auf einem Parkplatz. Kam er mit dem Auto, war das schon mal gut. Ein Antifa-Mitglied, dachten wir, kommt nicht im eigenen Pkw – schon allein deshalb, weil so das Nummernschild bekannt würde. Auch die Kleidung war für uns ein Faktor. Entscheidend aber fand ich immer, ob mein Gesprächspartner bereit war, seinen Ausweis zu zeigen. Es war natürlich irgendwie übergriffig und auch peinlich, ihn danach zu fragen – das Gegenüber hatte ja lediglich vor, sich mal unseren Stammtisch anzuschauen. Doch wir konnten es uns nicht leisten, auf dieses Misstrauen zu verzichten.

Etwas Gutes hatte dieses unwürdige Vorgehen allerdings auch: Man konnte dabei gleich überprüfen, ob sich hinter dem Interessenten ein Altnazi verbarg. Davon gab es in Münster auch einige.

Im Oktober 2015 wollte ich meinen Eltern meine Partei präsentieren, bei einer Vortragsveranstaltung der AfD-Jugendorganisation »Junge Alternative« in Wuppertal. Ich hatte uns per E-Mail angemeldet und erhielt einen Tag zuvor ebenfalls per E-Mail die Nachricht, dass der Wirt bedroht worden sei. Der Vortrag könne nicht stattfinden. Man wolle aber nicht aufgeben und habe kurzfristig eine Demo angemeldet. Ort und Zeit kamen in einer weiteren E-Mail.

Wir trafen uns auf einer Brücke im Stadtteil Barmen, AfD-Mitglieder und bald auch einige Dutzend Gegendemonstranten. Und meine Eltern. Sie hatten verfolgt, dass der AfD-Gründer Bernd Lucke abgewählt worden war und Frauke Petry als Vorsitzende das neue Gesicht der Partei wurde. Nun waren sie, die beiden überzeugten SPD-Wähler, mit mir nach Wuppertal gefahren, einigermaßen offen für das, was ich ihnen zeigen wollte. Mit der Antifa waren sie noch nie in Kontakt gekommen.

Ein Reporter des Online-Magazins Vice beobachtete an diesem Nachmittag »besorgte Bürger«, »wütende Rentner« und den »gestriegelten AfD-Nachwuchs der ›Jungen Alternative NRW‹«. Weiter schrieb er: »Frauke Petry ist noch nicht da – dafür lassen sich nach einigen Minuten die ersten Gegendemonstranten blicken. Einzelne laufen an den AfDlern vorbei und rufen ›Refugees are welcome here‹, der Rest der etwa 40 Gegendemonstranten steht ein paar Meter weiter und beginnt zu pfeifen, als der Vorsitzende der nordrhein-westfälischen AfD-Jugend zum ersten Mal versucht, durch sein Megafon zu sprechen. Die Polizei ist so gelassen wie unterbesetzt.

Als schließlich die AfD-Vorsitzende zu ihren etwa 60 versammelten Anhängern stößt, soll die Demonstration durch die relativ leere Einkaufsstraße beginnen – kommt aber erst einmal nur ein paar Meter weit. Eilig nähern sich die Gegendemonstranten und stellen sich in den Weg. Nach kurzem und harmlosem Gerangel mit der Polizei ist schnell klar: Die AfD-Demonstration wird heute zur Antifa-Demo für Flüchtlinge – zumindest in der Außenwirkung. Die AfD-Demonstranten können zwar nach wenigen Minuten weiterlaufen, sind aber von sichtbar gut gelaunten Antifas umzingelt.«

Es mag sein, dass die teils vermummten Antifa-Leute von außen betrachtet gut gelaunt wirkten. Meinen Eltern und mir erschien es vor allem bedrohlich, wie sie uns einschlossen. Zweimal versuchten sie, die Polizeikette zu durchbrechen. Mein Vater wurde angerempelt, meine Mutter geschubst. Beide waren schockiert. Sie konnten kaum glauben, was da passierte, in einer Stadt mitten in Nordrhein-Westfalen.

Die Kundgebung dauerte dann nicht lange. Frauke Petry musste auf eine Bank steigen und versuchte, sich mithilfe eines Handmegafons Gehör zu verschaffen. Die Trillerpfeifen waren aber schriller.

Ich habe Frauke Petry an diesem Tag kennengelernt. Sie wirkte sympathisch auf mich, wie sie mitten in der Gruppe lief und sich dabei mit den Teilnehmern unterhielt. Ich bat sie um ein Foto und kam so mit ihr ins Gespräch. Sie wollte wissen, wer ich sei; wir unterhielten uns darüber, wie ich als AfD-Mann in der Schule zurechtkäme. Sie sprach auch meine Mutter an und unterhielt sich dann zehn Minuten lang über die Probleme in der Pflege.

Als Frauke Petry mich nach der Situation in der Schule fragte, konnte ich ihr von einer Aktion der Antifa erzählen. An einem Morgen hingen an allen Laternen in der Nähe des Schulgeländes und am Zaun meines Gymnasiums schwarze Poster in DIN-A3-Format. Im Stil eines Fahndungsplakats war mein Kopf zu sehen, darüber stand groß »ALEXANDER LESCHIK« und etwas kleiner »Schüler des Annette-Gymnasiums Münster«. Ich wurde als Aktivist der Jungen Alternative in der AfD bekannt gemacht und hätte mich frühzeitig im »rechtspopulistischen/rechtsextremen Milieu« positioniert, war da zu lesen. »Selbst im Schulunterricht ist er sich nicht zu schade, seine Ideologie zu verbreiten. Er unterstützt somit aktiv die Hetze gegen Geflüchtete, ›Fremde‹, Homo-, Trans-, Bi- und Intersexuelle und steht mit der ›JA‹ bzw. der ›AfD‹ für Konservatismus und Sexismus.« Nirgendwo in Münster gebe es einen Platz für Unterstützer menschenverachtender Hetze, stand weiter auf dem Plakat, und ganz unten, fettgedruckt: »Alexander Leschik – Denk immer daran: Wir wissen, wer du bist«.

Schön war das nicht, sondern extrem unangenehm. Doch eine Aktion wie diese konnte meine Mitschüler nicht gegen mich aufbringen. Die Anfeindungen, die eine solche Plakataktion wohl hatte entfachen wollen, blieben aus.

Im Bann der AfD

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