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Kapitel 3 ALS HALB-IRANER IN HAMM

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Diskriminiert von den eigenen Leuten: Erfahrungen im Häuserwahlkampf

Nicolai Boudaghi

Bernd Lucke ging bei 40 Grad. Knallhart wählte die AfD im Juli 2015 ihren ersten Bundesvorsitzenden ab. In der Gruga-Halle in Essen war die Klimaanlage ausgefallen. Den hässlichen Begriff vom »Ausschwitzen« bestimmter Mitglieder prägte Björn Höcke erst später. Doch natürlich konnte Höcke wenig anfangen mit dem letztlich liberalen Wirtschaftsprofessor aus Hamburg, der es ablehnte, dass die AfD künftig mit dem Thema Migration punkten sollte. Als Gegenpol zu Lucke hatte Höcke ja bereits den Flügel gegründet.

In Essen eroberte allerdings erst einmal Frauke Petry die Partei. Ihren Ko-Vorsitzenden Jörg Meuthen, ebenfalls ein Wirtschaftsprofessor, nahmen wir nicht allzu ernst. Meuthen wirkte wie ein Azubi an Petrys Seite.

Mit oder bald nach Bernd Lucke verließ auch so manches Mitglied unseres Kreisverbandes in Essen die Partei. Seit Stefan Keuter hier Vorsitzender war und die früheren Republikaner-Mitglieder Günther Weiß und Ken Anders als Stellvertreter amtierten, passten die Lucke-Leute ohnehin nicht mehr richtig bei uns rein.

Im Vorstand der Essen-AfD drehte sich jetzt alles um Stefan Keuter. Wenn man es gut meint mit Keuter, bezeichnet man ihn als Glücksritter. Die AfD ist voller Glücksritter – Menschen, die kurzerhand aufspringen, Einsatz zeigen und sich davon womöglich auch gewisse persönliche Vorteile versprechen. Stefan Keuter hat eine Lehre bei einer Bank gemacht, hat studiert, Bier ausgefahren und mit Jagdutensilien gehandelt. Er hat Pommes verkauft und nach eigener Aussage »viel gewonnen und viel verloren«. Stefan Keuter hat später einem Mitarbeiter über WhatsApp etliche Nazibildchen und rassistische Memes versandt, fast immer kommentarlos. Als Erklärung fiel ihm dazu ein, der Mitarbeiter habe für ihn das politische Spektrum von rechts bis links beobachten sollen. Interessant ist auch der Facebook-Eintrag eines offenbar alten Geschäftspartners. Der wandte sich nach einem Auftritt Keuters im Bundestag direkt an seinen Bekannten und postete öffentlich:

»Gute Rede – leider von der falschen Person gehalten. Ich möchte auf keinen Fall – aus uns beiden wohlbekannten Gründen –, dass du auf unsere Kosten länger im deutschen Bundestag sitzt, schon gar nicht im Finanzausschuss, wo du mit unserem Geld zu tun hast. Daher bitte ich dich, in diesem Jahr noch höflich, dich spätestens zur nächsten Legislaturperiode aus der Politik zurückzuziehen. Ansonsten werde ich nämlich in die Politik einsteigen, und wir werden viel Spaß miteinander haben, das verspreche ich.«

Der Inhalt des Posts spricht für sich, ich lese darin eine freundliche Drohung. Er erschien unter echtem Namen. Um Keuters politische Ausrichtung ging es seinem alten Bekannten nicht.

Wir kannten 2015 in Essen noch nicht all diese Facetten unseres Kreisvorsitzenden. Aber ein unbestimmtes Gefühl hatte ich schon, dass dieser Mittvierziger, der es exzellent verstand, sich in den Vordergrund zu spielen, mit Vorsicht zu genießen war. Das haben später auch andere erfahren müssen.

Mit Keuter fuhren wir politisch erst mal auf Petry-Kurs. Intern proletarisierten wir uns ein wenig und generierten Personen, die nicht zu den oberen Zehntausend zählten. Das war grundsätzlich nicht unsympathisch, und ich selbst entstamme ja auch nicht der Oberschicht. Doch das intellektuelle Niveau sackte dabei ab. Für diese Entwicklung steht in meiner Wahrnehmung vor allem der Vize-Kreisvorsitzende Günther Weiß, der sich im Vorstand um die Mitgliederaufnahme kümmerte. Ich trete ihm nicht zu nahe, wenn ich meinen Eindruck wiedergebe, dass es Weiß in erster Linie darum ging, Gefolgsleute im Kreisverband zu sammeln.

Einmal wollte jemand bei uns Mitglied werden, der Immobilien auch an Kommunen vermietete, und zwar zur Unterbringung von Flüchtlingen. Dieser Mann hatte im Kreisverband Essen keine Chance. Zum Bundesparteitag 2016 nach Stuttgart fuhr er noch mit, begeistert, voller Tatendrang und nicht ahnend, dass sein Aufnahmeantrag da längst abgelehnt war. Ich wusste schon auf der gemeinsamen Autofahrt von der Entscheidung, war aber angewiesen worden, ihm nichts zu sagen. Beim Einlass wies die Security ihn barsch und ohne Begründung ab. Er war wütend, verständlich. Wir haben ihn nie wiedergesehen.

Ich blieb ein Jahr im Kreisvorstand. In dieser Zeit kam auch der dunkelhäutige Youtuber Serge Menga auf uns zu. Serge wirkte auf mich wie ein ausgesprochener Selbstdarsteller, aber ich fand, dass uns ein Youtuber mit kongolesischen Wurzeln guttäte. Andere im Kreisvorstand fanden das nicht. Sein Wunsch, AfD-Mitglied zu werden, blieb unerfüllt.

An Serge musste ich zwei Jahre später nochmals denken, als wir einen Stammtisch der Jungen Alternative in einem Restaurant in Essen-Rüttenscheid veranstalteten. Ungewöhnlich war, dass wir an diesem Tag zwei Interessentinnen zu Besuch hatten. Die beiden waren Studentinnen, höflich, gebildet und ernsthaft an der Partei interessiert. Die eine kam ursprünglich aus dem Kongo, die andere aus Sri Lanka.

Der Stammtisch lief gut, und ich hatte das Gefühl, dass die beiden nicht abgeneigt waren, in die JA einzutreten. Einen Tag danach saß ich gerade zu Hause am Esstisch, als Günther Weiß mich anrief. Meine Freundin und auch Alexander waren zu Besuch. Weiß war richtig sauer. Was mir denn einfallen würde, Neger in die Partei zu holen, schrie er in sein Smartphone. Alex und meine Freundin konnten jedes Wort mithören. Man habe ihn informiert, zeterte Weiß, und das sei doch wohl klar: Solche Menschen gehörten nicht in die AfD. Die würden Bananen von den Bäumen pflücken. Und die würden stinken. Ich habe Günther Weiß als jemanden kennengelernt, der stark in Hierarchien denkt und entsprechend nach oben hin Gehorsam einfordert. Für ihn stellte mein Versuch, diese beiden Frauen für die Partei zu gewinnen, offenbar eine Kriegserklärung dar. Natürlich wurden die beiden Studentinnen keine Mitglieder der JA.

Ein paar Jahre zuvor hätte ich mich geärgert und dann schnell einen Grund gefunden weiterzumachen. Inzwischen, 2018, fand ich es aber nahezu unerträglich, dass mich jemand anrief und vehement aufforderte, Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe nicht in die Partei aufzunehmen. Bei Alex und einem anderen Kollegen aus der Jungen Alternative machte ich meinem Ärger Luft.

29.03.18, 21:56 – Nicolai:

Ich habe diese Partei so satt. Jetzt wird im Kreisverband der AfD gegen mich Stimmung gemacht, weil ich, Zitat, eine Negerin in die Partei holen will. Eine Frau, die studiert hat, besser Deutsch kann, als diese rassistischen Typen mit Hauptschulabschluss es jemals könnten.

29.03.18, 21:57 – Nicolai:

Und ich werde angeschossen.

29.03.18, 21:57 – Nicolai:

In was für einer Partei bin ich eigentlich gelandet?

29.03.18, 21:59 – Nicolai:

Es widert mich nur noch an. Die können ihren ganzen Scheiß bald alleine machen.

Ich beschwerte mich auch bei mehreren Mitgliedern des AfD-Landesvorstands über das Verhalten meines Kreisvorsitzenden. Ich forderte, solchen Rassismus nicht zu tolerieren und Weiß damit nicht durchkommen zu lassen. Doch die Antwort meiner Gesprächspartner war immer dieselbe: Ich solle deswegen am besten gar nichts unternehmen, rieten sie. Diesen Konflikt könne ich ohnehin nicht gewinnen. Sie meinten es wahrscheinlich gut, verdrossen mich aber nur noch mehr.

Letztlich haben mich diese Reaktionen wachgerüttelt. Ich begann, leise und für mich allein, mit der AfD zu brechen. Ausgetreten bin ich dann aber noch lange nicht.

Im Bann der AfD

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