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Die ersten Schritte

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Ein paar Wochen später bekam ich mit, dass die AfD gegründet worden war – und meldete mich an. Ich tat das spontan und allein, ohne Bekannte oder Freunde. Soziale Kontakte sollte ich schnell knüpfen in der Alternative für Deutschland, auch wenn ich mir das beim ersten Landesparteitag in Rommerskirchen zwischen all den Anzugträgern noch nicht vorstellen konnte.

Die AfD wirkte höflich, fast schon vornehm. »Wie angekündigt, haben wir die hereingekommenen Kandidaturen zusammengefasst. Leider war es nicht möglich, diese per E-Mail an Sie zu senden«, entschuldigte man sich in der Einladung mit Blick auf die Wahlen des Landesvorstands – und bat dann freundlich um Unterstützung: »Es wäre schön, wenn sich im Kreise der Teilnehmer an unserem Gründungsparteitag der eine oder andere ambitionierte Fotograf oder gar Berufsfotograf befände und Bilder der Veranstaltung produzieren könnte.«

In Rommerskirchen stand an jenem Sonntagmorgen eine Menschentraube um einen etwa 60-jährigen Mann mit längerem weißem Haar herum. Martin Renner, einige Jahre CDU-Mitglied, nun einer der Gründer der AfD und draußen meistens mit einer Zigarette anzutreffen – den erkannte ich. Renner hatte auch das Parteilogo entwickelt und saß nun im Organisationskomitee zur Gründung des Landesverbandes. Sein Foto hatte unter der Einladung gestanden. Nun schien er die Aufmerksamkeit zu genießen.

Einige Wochen später sollte Renner mich zu sich in seinen Garten einladen, zusammen mit einem kleinen Kreis von Leuten. Jetzt meldete ich mich erst einmal freiwillig, um am Einlass die Namen der zum Parteitag erschienenen Mitglieder zu notieren. Darum, hatte Renner gesagt und auffordernd in die Runde geschaut, müsse sich jetzt bitte schnell mal jemand kümmern.

Am Ende des Tages hatte ich einen ersten Überblick gewonnen über die Leute, die in Nordrhein-Westfalen Politik mit der AfD machen wollten. Die überwiegende Mehrheit schien mir gutbürgerlicher Herkunft zu sein, mindestens. Einer erzählte, er müsse am Abend noch zum Flieger, es gehe nach Litauen, geschäftlich. Auf solche Menschen war ich im Essener Norden eher nicht gestoßen.

Mir ist aber auch ein Typ in Erinnerung, der nicht so recht hineinpasste in diese Ansammlung langjähriger FDP- und CDU-Wähler. Er sprach mich an, Torsten Lemmer, ein früherer Neonazi, Ex-Manager der Rechtsrockband »Störkraft«, dann zum Islam konvertiert und anschließend bei den Freien Wählern engagiert. Lemmer erzählte mir von Mandaten und guten Listenplätzen für die Kommunalwahl. Auf mich wirkte er eher schmierig.

Und noch jemand vom rechten Rand war erschienen, eine Frau, die irgendeine Funktion bei den »Republikanern« gehabt hatte. Ein Teilnehmer erkannte sie – und verfiel in Panik. »Da vorne sitze eine von den Republikanern«, krakeelte er. Sofort entstand Bewegung, und die Frau wurde mit Nachdruck aus dem Zelt gebeten. Sie musste den Parteitag verlassen. So unnachgiebig Rechtsradikalen gegenüber war die AfD damals.

Dem Anfang wohnte auch bei der AfD ein gewisser Zauber inne. Wir trafen uns fast wöchentlich, bald nach dem Parteitag schon wieder in einem Jazz-Club in der Stadt Hilden, nicht weit von Düsseldorf. In der Einladung stand, das Treffen solle als »politischer Clubabend« verstanden werden, »ohne großes, festgelegtes Programm und ohne ellenlange Ansprachen, aber mit vielen interessanten Einzelgesprächen«. Es gehe um die Gründung des AfD-Bezirksverbandes Düsseldorf und den Aufbau der Kreis- und Ortsstrukturen. »Jeder, der will, wird Gelegenheit haben, das Wort zu ergreifen, sich vorzustellen und zu sprechen. Ganz im Stile der politischen Clubs im alten England.«

Das klang feinsinnig und exklusiv. Tatsächlich ging es an dem Abend jedoch knallhart um die Frage, ob die AfD nicht die Anhänger der Freien Wähler aufsaugen könne. Martin Renner sprach recht offen über diesen Plan. Andere wussten ihn dann zu verhindern.

In Essen etablierten wir einen Kreisverband. Dass die Versammlung im reichen Süden der Stadt stattfand, nun ja: Das war völlig angemessen. Aus dem sozial schwachen Norden nahm wahrscheinlich nur ich daran teil. Ich schwankte manchmal ein wenig zwischen Begeisterung und Distanz. Einerseits bewegte sich etwas, das spürte ich, das spürten alle. Und das zog mich auch an. Diese Partei war kein halb totes Projekt wie die Freiheit. Andererseits fremdelte ich, wenn ich ehrlich zu mir war, mit den allermeisten Parteifreunden. Ich traf auf Wirtschaftsingenieure und eine Psychologin, ein Parteifreund arbeitete für die Kirche. Alles in allem vollkommen etablierte Leute, die nach der Eurokrise 2009 und den Hilfspaketen für Griechenland wohl Angst um ihr Geld hatten. Die Gespräche drehten sich manchmal sogar um Gold als Anlageform.

Ich wollte lieber über Migration reden. Es kamen damals, 2013, schon spürbar mehr Flüchtlinge nach Deutschland. Aus meinem Viertel im Essener Norden wusste ich ohnehin, dass die Integration alles andere als ein Selbstläufer ist. Einige radikale Muslime halten eine pluralistische Gesellschaft wie die deutsche grundsätzlich für schwach. Sie fühlen sich sozial überlegen und denken nicht im Traum daran, sich auch nur ein wenig anzupassen. Das liberale Klima nutzen sie für sich aus.

Diese Ansicht vertrat ich bei der Versammlung im feinen Essener Süden im Gespräch mit einem AfD-Mitglied. Der Mann, ein Herr Ende 40, erschrak regelrecht, als er mir zuhörte. »Hören Sie mal, wir dürfen uns auf keinen Fall nach rechts orientieren«, gebot er mir, und ich glaube nicht, dass er das nur aus taktischen Gründen sagte. Ich denke, nur ganz wenige in der Essener AfD hätten sich damals als politisch rechtsstehend bezeichnet. Man war liberal oder konservativ. Punkt.

Ich ließ mir allerdings schon damals ungern etwas vorschreiben. Dass dieser Parteifreund das Thema Migration kurzerhand zum Tabu erkor, gefiel mir gar nicht. Doch Leute wie er hatten das Sagen. Als die AfD in Nordrhein-Westfalen im Sommer zwölf Arbeitskreise zu Themenfeldern bildete, waren darunter Verbraucherschutz, Europäische Union und Gesundheit, Verteidigung und Familie. Heute ist es undenkbar, damals aber zählte Migration nicht zu den zwölf wichtigsten Themenkomplexen der AfD.

Im Bann der AfD

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