Читать книгу Die Caravaggio-Verschwörung - Nicole-C. Vosseler - Страница 11

6. Kapitel

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In der Küche schmorte und brutzelte es; aus den Töpfen quollen Dampfschwaden empor und in den Pfannen prasselte siedendes Öl. Das Aroma von gebratenem Fleisch verteilte sich durch das Erdgeschoss, von frisch aufgeschnittenen Zwiebeln und Knoblauch, von gesottenem Gemüse und gehackten Kräutern. Simonetta, die Köchin des Palazzo Salerno, die drei Mägde, die ihr unterstellt waren, und der Küchenjunge hatten alle Hände voll zu tun.

Zum Mittagsgeläut stand das Essen unten in der Halle auf der langen Tafel, an der sich nach und nach die Angestellten des Kontors für die gemeinsame Mahlzeit einfanden, die Caterina herzlich begrüßte und mit ihnen das Tischgebet sprach. Wenn Caterina hier nicht nach dem Rechten sah, ob noch Brot fehlte oder Wein und eine der Küchenmägde um Nachschub schickte, eilte sie treppauf, um die Tischwäsche für den Abend auszusuchen. Und weil Federico di Salerno sich auch heute geweigert hatte, seinen Schreibtisch im Kontor zum Essen zu verlassen, ließ Caterina ein Tablett hinüberbringen, beladen mit einer Karaffe Wein, einem abgedeckten Teller voll eigens für den padrone zubereiteter ravioli – kleine, noch dampfende Teigtaschen, mit einer dicken Kräutersoße übergossen.

Als die Angestellten weit nach Mittag mit vollem Bauch an ihre Arbeit zurückkehrten, wurde es im Palazzo Salerno wieder ruhiger, sodass Caterina nicht nur tief durchatmen konnte, sondern auch das hohle Rumpeln in ihrem Magen bemerkte. Wirklichen Appetit verspürte sie dennoch nicht und begnügte sich daher mit einem Apfel, während sie in ihrem Schreibzimmer das Haushaltsbuch durchblätterte und die letzten Eintragungen überflog.

Die plötzliche Stille im Haus übte auf Caterina eine eigenartige Wirkung aus. Ständig schweifte sie von den Zeilen und Ziffern ab und starrte ins Leere. Dabei war ihr das Haushaltsbuch mit seiner übersichtlichen Gliederung und mathematischen Logik sonst immer eine willkommene Stütze, wenn sie sich in ihrer Eigenschaft als Hausherrin verloren fühlte. Wenn ihr all die Aufgaben und Tätigkeiten über den Kopf wuchsen, das »Donzella hier« und »Donzella dort«. Die Eintragungen in ihrer Gleichmäßigkeit und inneren Ordnung gaben ihr nicht nur Halt; »Mehl« und »Eier«, »Fisch« und »Oliven« bedeuteten Caterina mehr als nur eine Bestandsaufnahme der Vorratskammer und eine Rechtfertigung für die ausgegebenen Summen. Jede dieser Bezeichnungen trug darüber hinaus den Weg in sich, den die Lebensmittel von einem Landstrich Kampaniens bis in den Palazzo Salerno zurückgelegt hatten. Caterina besaß einen angeborenen Sinn für den Handel und alles, was damit zu tun hatte, erschien ihr ungleich farbiger und aufregender als die sich endlos wiederholende Schleife an Hausarbeit, die es Tag für Tag, Woche um Woche zu bewältigen galt.

Gedankenverloren kaute sie auf dem festen, saftigen Fruchtfleisch herum. Immer wieder senkte sich ihr Blick auf die beschriebenen Seiten, als könnte sie hinter den ordentlichen Zeilen die Antwort auf ihre unausgesprochene, ungedachte Frage lesen. Und dann kam es ihr tatsächlich in den Sinn, klar und mit ruhiger Sicherheit: Wann, wenn nicht heute?

Entschlossen schlug sie das schwere, in Leder gebundene Buch zu und legte den halb aufgegessenen Apfel einfach daneben. Später, sagte Caterina sich, jetzt gibt es Wichtigeres als Ordnung.

Im Innenhof war es ruhig; kein Lastenkarren stand darin, keine Soldaten und auch nicht das Reittier eines Boten. Was dafür sprach, dass gerade keine frische Ware oder eilige Korrespondenz eingetroffen war und demnach eine gute Stunde für Caterinas Anliegen verhieß.

Sie betrat das Kontor, das einer wahren Schatzkammer glich. Schwarze und weiße Fliesen bildeten ein geometrisches Muster auf dem Boden, unterbrochen von Säulen, die das Deckengewölbe stützten. An den Wänden der Längsseite wechselten sich Buntglasscheiben unter Rundbögen mit Apothekenschränken aus dunklem Holz und Messing ab. In einem offenen Regal waren verstöpselte Flaschen aus braunem Glas aufgereiht.

Jeder Zoll des Raumes flüsterte dem Besucher auf unaufdringliche Weise zu, dass hier Sinn für Stil und Liebe zum Detail zu Hause waren. Der Name di Salerno verpflichtete eben.

Etwas versetzt von der Mitte des Raumes stand eine lange Theke, ebenfalls aus dunkel schimmerndem Holz, bedeckt von einer Marmorplatte, an der ein Angestellter gerade mit einer winzigen Handschaufel Pfefferkörner aus einer Kiste schöpfte. Ein Leinensäckchen mit dem Stempel des Firmenwappens lag daneben bereit, um mit der kostbaren Ware befüllt zu werden, auf die ein fein gekleideter Kunde bereits ungeduldig wartete.

Das Ungewöhnlichste an diesem Raum war jedoch der Duft, der ihn bis in den kleinsten Winkel erfüllte. Ein Geruch, der die Sinne betörte, den Mund wässrig werden ließ und die Seele wärmte. Obwohl er Caterina vertraut war, so weit sie zurückdenken konnte und obwohl sie wusste, woraus er sich zusammensetzte, war es ihr unmöglich, ihn in seine Bestandteile zu zerlegen. Es roch gleichzeitig süß und scharf; holzig, blumig, krautig, staubig, frisch; gleichermaßen nach Erde, Feuer, Wasser, Luft und die ganze Welt war hier zum Kauf angeboten. Italien gab es hier zu riechen, Frankreich, Spanien und Portugal; den fernen Orient, West- und Ostindien, das wilde Amerika. Die Handelsbeziehungen Federico di Salernos reichten von Venedig über die Niederlande bis nach Spanien und Portugal; ins Osmanische Reich und weit darüber hinaus. Welches Land auch mit den geschmackvollen Kostbarkeiten handelte, welche Nation Spezereien aus ihren weit entfernten Kolonien an Bord ihrer Schiffe nach Europa importierte – im Kontor in der Via Benedetto Croce kamen Lieferungen davon an.

Aus dem Umland Neapels bezog Federico di Salerno heimische Gewürze wie Thymian, Rosmarin, Oregano, Basilikum, Anis, Kümmel, Lavendel und Lorbeerblätter; im Sortiment für diejenigen unter den Kunden, die nicht die Möglichkeit hatten, die Kräuter selbst in Töpfen zu ziehen oder sich zu fein dafür waren. Schließlich lohnte sich der Aufwand in den wenigsten Fällen; bei di Salerno bekam man diese Aromen in bester Qualität und auch noch günstig.

Die wirklichen Schätze bestanden jedoch aus den selteneren und daher wesentlich teureren Spezereien aus fernen Ländern. Caterina wusste, dass diese eine besondere Leidenschaft ihres Vaters darstellten: Vanilleschoten aus Mittelamerika; die zu Stangen gerollte getrocknete innere Rindenschicht des Zimtbaums aus Ceylon; Muskatnüsse und Gewürznelken von den Molukken. Piment aus Westindien, ein begehrtes Gewürz, das noch nicht lange nach Europa importiert wurde. Der zitronig-scharfe Ingwer und sein Bruder, der kräftige, bittere und leicht brennend schmeckende Galgant; Safran und Kardamom.

Unwillkürlich verlangsamte Caterina ihre Schritte. Durch diesen Raum konnte sie nie hindurchhasten, gleich wie eilig sie es haben mochte; nie konnte sie sich an diesen Herrlichkeiten sattsehen, sattriechen. Denn Gewürze ließen auch Caterinas Herz höher schlagen. Als kleines Mädchen hatte sie hier am liebsten ihre Zeit verbracht und sich dabei vorgestellt, eines Tages selbst im Kontor zu schalten und zu walten.

Caterina hatte noch keine vier Jahre gezählt, als es ihr zum ersten Mal gelungen war, mit verbundenen Augen weißen von schwarzem Pfeffer auf der Zunge auseinanderzuhalten, und nur wenig später hatte sie bereits alle denkbaren Sorten an Aussehen, Geruch und Geschmack erkennen können – ein Wettstreit mit ihrem älteren Bruder, den Caterina ein ums andere Mal klar für sich hatte entscheiden können. An dem sie jedoch die Lust verloren hatte, als sie begriff, dass Ludovico eines Tages den Gewürzhandel übernehmen würde und sie, Caterina, nur dazu bestimmt war, gegen eine beträchtliche Mitgift in eine andere Familie einzuheiraten. Daran hatte auch Ludovicos Tod am Fieber nichts geändert, noch der Verlust eines weiteren Bruders und einer Schwester, die gerade noch ihre Nottaufe erlebt hatte – und auch nicht die Fehlgeburten, die Marianna di Salerno danach erlitt, bis die letzte davon sie vor drei Jahren das eigene Leben gekostet hatte. Seither hatte sich für Caterina in den verlockend holzig-scharfen Geschmack puren Pfeffers eine gallige Note gemischt: die Bitterkeit, etwas zum Greifen nahe zu wissen, nach dem sich jede Faser ihres Körpers, ihre ganze Seele verzehrte und es doch nie zu erreichen. Es sei denn, dass . . .

Caterina beschleunigte ihre Schritte bis an das Ende des Raumes, an dem eine Tür in das angrenzende Treppenhaus führte.

»Scusi, Enzo«, sprach sie einen der Angestellten an, ein spilleriges Männchen mit Hakennase, der ihr freundlich über die aufgezogene Schublade hinweg entgegensah, die er soeben mittels einer Schütte mit frischem Sternanis befüllte. »Ist der padrone oben?«

»Aber ja, Donzella Caterina.«

Caterina schob die Tür auf, stieg mit klopfendem Herzen die Treppe hinauf und legte sich bei jeder Stufe im Geiste einen Anfangssatz zurecht und verwarf ihn auf der Stufe darüber gleich wieder. Bis sie im ersten Stock angelangt war und in ihrem Kopf ein unentwirrbares und unbrauchbares Kuddelmuddel an Gedanken und Satzfetzen herrschte.

Die Reihe an Türen auf der rechten Seite des Korridors, zur Piazza San Domenico hin, verbarg die Arbeitszimmer der Schreiber und Buchhalter, die Federico di Salerno beschäftigte – und das waren nicht wenige. Auf der linken Seite, dem Innenhof zugewandt, erstreckten sich die Räumlichkeiten, in denen Federico di Salerno residierte. Zwei angrenzende, durch einen Türbogen verbundene Arbeitszimmer, ein prächtig eingerichteter Raum, um Besucher zu empfangen, und eine Miniatur-Ausgabe des Kontors mit besonders ausgewählten Schätzen.

Eine dieser Türen flog just in dem Moment auf, als Caterina die letzte Stufe hinter sich gelassen hatte. Erschrocken sah sie zu, wie ihr Vater Filiberto, seinen jüngsten Lehrling, im Genick gepackt hielt und über die Schwelle hinaus auf den Gang schubste.

». . . und lass dich nicht eher wieder bei mir blicken, bis du das Ganze in Ordnung gebracht hast!«, hörte Caterina ihn brüllen. »Hast-du-mich-ver-stan-den?!« Eine Mappe, in der ein Stoß Papierbögen steckte, schlug er dem Jungen im rasanten Rhythmus der Silben zum Abschied noch buchstäblich um die Ohren, dass die Blätter heraussegelten und sich großflächig auf den Steinplatten verteilten. Ohne ein weiteres Wort knallte Federico di Salerno die Tür hinter sich zu.

In einer Mischung aus hellem Zorn und Mitgefühl lief Caterina den Korridor entlang, schlitterte die letzten Schritte über den glatten Boden und kniete sich neben Filiberto, um ihm dabei zu helfen, die losen Blätter aufzusammeln, die ihm immer wieder aus den zitternden Fingern glitten.

Der Lehrling, kaum zwei Jahre jünger als Caterina, ein blasses rotblondes Bürschchen, wurde glutrot, als er sah, wer ihm da zu Hilfe kam, und stand wackelig wieder auf, die leere Mappe und seine Hälfte der zerknitterten Papiere vor die Brust seines Wamses gepresst.

»Da-danke, Donzella Caterina«, stotterte er schließlich unter einem ungeschickten Diener, den tränenfeuchten Blick beschämt zu Boden gerichtet.

»Er meint es nicht so«, erklärte Caterina mit einem Gefühl der Hilflosigkeit, als sie ihm die restlichen Seiten übergab. Filiberto zog geräuschvoll die Nase hoch und nickte, schien aber ebenso wenig überzeugt wie Caterina.

»Die nächsten Stunden wird er dich auf jeden Fall unbehelligt lassen. Geh in die Küche und lass dir von Simonetta einen Becher Schokolade machen«, empfahl ihm Caterina, »mit einem Gruß von mir. Va bene?«

Ein winziges Lächeln stahl sich auf das Gesicht des Jungen. »Mille grazie, Donzella.«

Caterina sah ihm nach, wie er den Flur entlangschlich. Ihr Magen zog sich zusammen, als sie gewahr wurde, dass sie eben so gehandelt hatte, wie es ihre Mutter getan hätte. Manchmal, so wie jetzt, vermisste Caterina sie so sehr, dass es ihr den Atem nahm, weil alles in ihr wehtat. Gleich wie sie sich auch bemühte: Es wollte ihr nicht gelingen, die Lücke, die der Tod ihrer Mutter im Haus hinterlassen hatte, wirklich auszufüllen.

Als bewegte sie sich zwischen zwei Welten, keiner von beiden wirklich zugehörig; den Kinderschuhen längst entwachsen und in den zu großen ihrer Mutter keinen Halt findend. Nur wenn sie mit Riccardo zusammen sein konnte, fühlte sie sich am richtigen Platz, ging sie sicher in ihren eigenen Schuhen – wenn es auch tatsächlich die von Anna geborgten waren.

Nachdenklich musterte sie die Tür, hinter der sich ihr Vater nach seinem Wutausbruch zurückgezogen hatte. Vermutlich war dies kein günstiger Moment, ihn aufzusuchen – aber irgendwann musste sie den Anfang machen und jetzt war so gut wie irgendwann.

Mit einem Anflug von Bauchgrimmen pochte Caterina an die Tür, und ohne eine Antwort abzuwarten, zog sie sie auf.

»Hab ich dir nicht deutlich genug –« Der furiose Auftakt Federico di Salernos fiel in sich zusammen, als er die Augen von seinem Schreibtisch hob und seine Tochter erblickte. »Ach, du bist es, mein Herz«, kam es versöhnlich, geradezu zärtlich von ihm und einige der Furchen in seinem lang gezogenen, hageren Gesicht glätteten sich. »Was führt dich zu mir?«

Wie immer trug er Schwarz; nicht nur, weil der Rohstoff für diese Farbe kostbar war und es viele Arbeitsgänge erforderte, bis die Fasern sich damit vollgesogen hatten und einen satten Ton zeigten, schwarze Stoffe deshalb entsprechend teuer waren und somit ein Symbol für Reichtum. Sondern vor allem, weil er noch immer seinen Stand als Witwer nach außen hin zeigen wollte. Die edle Schlichtheit seiner Kleidung vermittelte zusammen mit dem nahezu ergrauten Haupthaar und Bart, den eckigen Gesichtszügen und den ruhigen dunklen Augen den Eindruck eines Mannes von Ernsthaftigkeit und Bescheidenheit, der seine knapp fünfzig Lebensjahre mit Würde trug.

»Nichts Bestimmtes«, log Caterina und spürte, wie ihre Wangen brannten. »Ich wollte nur nach dir sehen.« Sie schloss die Tür hinter sich und schlenderte betont langsam um den Schreibtisch herum.

Aufseufzend legte ihr Vater die Feder beiseite und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Er nahm den Kneifer ab, der auf seiner massigen Nase saß, und knetete die Hautfalte zwischen den grau melierten Brauen. Caterina umschlang ihn von hinten und drückte einen Kuss auf seine Wange, die welk zu werden begann. »Ich bekomme dich so selten zu Gesicht.«

»Hab Nachsicht mit deinem alten Vater«, murmelte er und tätschelte ihren Unterarm, der vor seiner Brust lag. »Ich weiß, ich vernachlässige dich in letzter Zeit der Geschäfte wegen sehr. Ich wünschte, es wäre anders.«

»Hast du Unannehmlichkeiten?« Caterina schielte möglichst unauffällig auf die beschriebenen Briefbögen und aufgeschlagenen Rechnungsbücher, die den Schreibtisch bedeckten. Was sie den Zahlenreihen auf den ersten, flüchtigen Blick entnehmen konnte, sah mehr als zufriedenstellend aus.

»Nicht mehr als üblich. Einer meiner venezianischen Lieferanten hat am Bab el-Mandeb ein Schiff verloren und ich kann nun sehen, woher ich die bestellte Menge Pfeffer bekomme. Zu allem Überfluss«, er seufzte wieder, »habe ich mir mit Filiberto einen Lehrling ins Haus geholt, der zwar fix im Kopf ist und eine saubere Handschrift pflegt, aber in drei von vier Fällen nicht imstande ist, Summen zusammenzuzählen, die über zwei Stellen hinausgehen und darüber hinaus ständig mit den Währungen durcheinanderkommt.« Er sah zu seiner Tochter auf und schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, ob ich ihn behalten kann, auch wenn ich seinem Vater damit gewiss viel Kummer bereiten werde.«

Caterinas Herz begann, schneller zu schlagen. Sie schmiegte ihre Wange gegen die ihres Vaters, damit dieser nicht die hoffnungsvolle Freude in ihrem Gesicht lesen konnte. »Wäre es dir lieber, er wäre des Schreibens nur in Grundzügen mächtig und dafür ein begnadeter Rechenkünstler?« So wie Riccardo?

»Oh ja, allerdings! Lesen und Schreiben lassen sich lernen und üben – aber wer keinen Sinn für Zahlen hat, ist in diesem Gewerbe von vornherein verloren.«

»Dafür spricht Filiberto gut Spanisch«, tastete Caterina sich weiter vor und leistete im Geiste Abbitte dafür, dass sie den unglücklichen Lehrbuben für ihre Zwecke missbrauchte.

Federico di Salerno schnaubte. »Niederländisch müsste er außerdem können, Portugiesisch, Französisch; doch davon bleibt kaum etwas bei ihm hängen. Dabei war er noch der fähigste unter den Bewerbern. Wie soll ich das Geschäft denn führen, wenn ich keine geeigneten Leute habe? Immerhin ist er fleißig und ehrlich und bemüht sich sehr. Vielleicht wird aus ihm wenigstens ein brauchbarer Schreiber.«

»Und die de Santis sind eine gute Familie«, ergänzte Caterina.

»Ach, die Familie ist unwichtig. Gerade im Handel«, er beugte sich in Caterinas Umarmung leicht vor und tippte mit dem Metallgestell des Kneifers auf die beschriebenen Papiere vor sich, »im Handel kann man es zu etwas bringen, ungeachtet seiner Herkunft! Die ist nicht halb so wichtig wie ein kluger Kopf, Verhandlungsgeschick und ein starker Charakter. Damit kann man sein Glück machen! Im Handel liegen Aufstieg und Fall dichter beisammen als in anderen Gewerben und nur der Tüchtigste gewinnt. Alles andere ist ohne Bedeutung.«

Federico di Salerno bedachte seine Tochter mit einem nachdenklichen Seitenblick und fügte leise hinzu: »Der Gewürzhandel interessiert dich immer noch sehr, nicht wahr?«

Caterina antwortete nicht sogleich; angestrengt kaute sie auf ihrer Unterlippe, während sie überlegte, ob sie es wagen konnte, ihm den Vorschlag zu unterbreiten, Riccardo als möglichen Lehrling einmal kennenzulernen – und das möglichst ohne die Frage gestellt zu bekommen, woher sie ihn kannte. Dafür würde sie sich über kurz oder lang eine gute Ausrede einfallen lassen müssen.

In Unkenntnis dessen, was in seiner Tochter vorging, zog Federico di Salerno die ihm naheliegendste Schlussfolgerung. »Du hast deine Träume also noch immer nicht begraben.«

Caterina zuckte mit den Schultern und ließ ihren Vater los, richtete sich auf und strich über die Silbergravur des Kistchens, das ihres Vaters Siegel beherbergte.

»Ich bin daran wohl nicht ganz unschuldig«, sagte er und seufzte. »Mir war es nicht nur wichtig, dass ihr Bildung erhaltet, sondern auch wisst, woher das Geld stammt, mit dem eure Kleidung und Nahrung bezahlt wird, eure Bücher und die Lehrer. Stolz auf und Liebe für den Handel, das solltet ihr lernen.«

Als Caterina sich unwillig abwenden wollte, hielt er sie am Handgelenk fest und erklärte mit Nachdruck: »Wenn es allein nach mir ginge, könntest du heute noch einsteigen und das Geschäft eines Tages von mir übernehmen. Aber auch der Name di Salerno kann nur bedingt Erfolg garantieren. Kein Mensch in dieser Stadt würde bei einer jungen, unverheirateten Donzella kaufen und kein Händler zwischen Lübeck und Konstantinopel, zwischen Lissabon und Prag würde mit dir Geschäfte machen wollen. Innerhalb weniger Monate wärst du ruiniert – und dann? Was hättest du daraus gewonnen?«

»Das ist so ungerecht«, zischte Caterina und starrte wütend an die gegenüberliegende Wand, vor der ein großer hölzerner Globus stand, unter einer immens großen Weltkarte, mit Dutzenden von Nadeln gespickt, die Gewürzmanufakturen und Lieferhäfen markierten. Sehnsucht schnürte ihre Eingeweide zusammen, dass ihr beinahe übel wurde.

Im Aufstehen legte Federico di Salerno seinen Kneifer auf den Tisch und nahm seine Tochter bei den Schultern. »Ja, das ist es. Aber die Menschen sind nun einmal so und mit Menschen haben wir es jeden Tag zu tun – nicht nur mit Waren. Ich weiß, dass du deine Sache gut machen würdest. Ich kann dir das Geschäft dennoch nicht übergeben, Caterina – so gerne ich es auch in deinen Händen wüsste. Eines Tages wirst du das sicher verstehen.«

Caterina wandte den Kopf und sah ihren Vater an. »Wenn ich jedoch einen Händler heiraten würde, sähe alles anders aus, nicht wahr?« Ihre Stimme schwankte zwischen Hoffnung und Bitterkeit.

Ein feines Lächeln umspielte seine Mundwinkel, als er ihr unter das Kinn griff und in einer Liebkosung leicht daran rüttelte. »Zumindest hätte ich nichts gegen einen guten Mann, der etwas vom Handel versteht, als deinen Zukünftigen einzuwenden.« Er zog seine Tochter mit beiden Händen an sich und drückte kurz die Lippen auf ihre Stirn, ehe er sie wieder von sich weghielt. »Du hast bestimmt noch allerhand vorzubereiten für heute Abend und ich muss mich um eine Ersatzlieferung Pfeffer kümmern. Lass uns ein andermal weiterreden.«

Caterina nickte und wandte sich zum Gehen. An der Tür drehte sie sich noch einmal um. »Hast du noch einen besonderen Wunsch für heute Abend?«

Federico di Salerno, der sich bereits wieder gesetzt und in seine Papiere vertieft hatte, sah seine Tochter über den Rand der Augengläser hinweg an. »Höchstens, dass an nichts gespart wird. Dieser Besuch von Radolovich ist mir besonders wichtig.«

»Natürlich, Vater.«

Jenseits der Tür, im Korridor, blieb Caterina einige Pulsschläge lang stehen und atmete tief durch. Der Zorn, der im Arbeitszimmer ihres Vaters kurz in ihr aufgeflackert war, als das Gespräch an dem ewigen Dorn in ihrer Seele gerührt hatte, begann, sich rasch selbst zu verzehren. Er wich leichtherziger Freude, die Caterina beschwingt in den Hof hinabeilen ließ, um noch ein paar Blütenzweige für den Tisch heute Abend zu schneiden.

Der erste Schritt ist getan . . .

Die Caravaggio-Verschwörung

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