Читать книгу Die Caravaggio-Verschwörung - Nicole-C. Vosseler - Страница 13

8. Kapitel

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Mit hochroten Wangen schritt Caterina noch einmal um den gedeckten Tisch des Speisezimmers herum, um im buchstäblich letzten Augenblick zum wiederholten Male zu überprüfen, ob sie auch ja nichts vergessen hatte. Stets befürchtete sie, ein wichtiges Detail verpatzt zu haben, das später sie und vor allem ihren Vater in seiner Eigenschaft als Gastgeber blamieren könnte. Doch es hatte den Anschein, als sei alles in bester Ordnung: Das ziselierte Silber der Teller glänzte makellos im Schein der massiven Kerzenleuchter und im frisch polierten Besteck konnte man sich spiegeln. Das Tischtuch leuchtete in reinstem Weiß, ebenso wie die akkurat gefalteten Mundtücher neben den Tellern. Eine kleine Silberschale, wassergefüllt und auf dem Rand mit einer eingekerbten Zitronenscheibe bestückt, stand auf jedem Platz, für den Fall, dass der Gast sich zwischendurch die Finger zu säubern wünschte und die Gastgeber es ihm höflichkeitshalber gleichtun würden. Große Schalen beherbergten Blütenzweige von Oleander und Rosen.

Als Caterina Schritte und Stimmen die Treppe heraufkommen hörte, eilte sie zur offen stehenden Tür und postierte sich im Profil daneben. Hastig glättete sie eine Falte in der salbeigrünen Seide aus einer Neapolitaner Spinnerei und rückte den kegelförmigen, nach spanischer Mode vorne und hinten leicht abgeflachten Reifrock aus Rohrgeflecht unter den Röcken zurecht, ehe sie Haltung annahm. Den Kopf mit dem streng zurückgekämmten und am Hinterkopf in geflochtenen Zöpfen aufgesteckten Haar gesenkt, die Hände vor dem Schoß gefaltet, stellte sie das Idealbild der sittsamen Jungfer aus gutem Hause dar.

»Bitte tretet ein, Signore Marchese«, hörte sie die Stimme ihres Vaters und bemühte sich, noch einen Deut gerader zu stehen. »Darf ich vorstellen: meine Tochter Caterina – Niccolò Radolovich, der Marchese di Polignano.«

»Willkommen in unserem Haus, Signore Marchese«, murmelte Caterina und machte einen formvollendeten Knicks, während sie neugierig unter dem Rand ihrer Lider hervorblinzelte. Flache Schuhe mit kostbaren Goldschnallen sah sie, schlanke Beine mit ausgeprägten Waden in schwarzen Strümpfen, darüber kurze, bauschige Pluderhosen in Schwarz mit aufwendiger Goldstickerei.

Ihr Gegenüber scherte mit einem Bein aus und verbeugte sich in einem Kratzfuß.

Caterina erhaschte einen Blick auf ein gepolstertes Wams mit breiten Schultern und spitzer, enger Taille, ebenfalls schwarz und goldbestickt, mit Einsätzen in schimmerndem Grün und Blau.

»Es ist mir eine Ehre, Donzella Caterina.« Er verfügte über eine angenehme Stimme, tief, mit süditalienischer Sprachmelodie. Sie klang energisch, als sei er gewohnt, dass seinen Äußerungen stets Folge geleistet wurde.

Selbige streckte ihre Hand aus, die der Gast in die seine nahm, sehnig und ringgeschmückt. Kurz drückte er seine Lippen darauf, bevor er sich wieder erhob, eine Vierteldrehung machte und Caterina seinen angewinkelten Arm anbot, auf den sie leicht ihre Fingerspitzen legte. Federico di Salerno ging vorneweg zu seinem Platz an der Stirnseite der Tafel; Radolovich begleitete Caterina zu dem ihren an der Längsseite, wartete, bis sie sich gesetzt hatte, und ließ sich dann gegenüber auf einem der hochlehnigen Stühle mit besticktem Sitzpolster nieder.

Während Wein eingeschenkt und die silbernen Platten mit dem ersten Gang aufgetragen wurden, musterte Caterina verstohlen ihr Gegenüber. Polignano lag in der Provinz von Bari, an der Küste Apuliens, am Hacken des italienischen Stiefels, knapp über dessen Absatz. Nach dem Süden sah Radolovich eigentlich nicht aus: Sein braunes Haar und der Bart tendierten mehr ins Blond denn in dunklere Nuancen und seine Augen waren hell, bei Tageslicht vielleicht blau oder grün. Er war auch recht groß, mit klaren, offenen Zügen, die von einer Adlernase beherrscht wurden. Im Kerzenlicht war er schwer auf ein bestimmtes Alter zu schätzen; anhand der Längskerben beiderseits seiner Mundwinkel und der ersten Linien unter den Augen, wenn er sein sparsames Lächeln zeigte, mutmaßte Caterina, dass er Ende dreißig sein mochte.

Aus dem angeregten Gespräch der beiden Männer entnahm Caterina, dass der Marchese neben seinen Besitzungen in Polignano auch noch welche im sizilianischen Ragusa unterhielt sowie ein Stadthaus in Neapel und mit Korn und Öl handelte. Caterina wusste, dass aus Bari eines der besten Öle stammte; eine anerkennende Bemerkung lag ihr auf der Zunge und eine Handvoll Fragen gleich mit, darüber, wie denn diese überragende Qualität erzielt würde – die sie aber allesamt rasch mit ihrem Bissen Muschelfleisch in Pfeffersahne hinabschluckte. Denn ebenso gut wusste sie, dass sie bei Tisch nur schmückendes Beiwerk darstellen, dem Anlass eine mehr gesellige denn rein geschäftliche Note verleihen sollte. Und so wie von ihr erwartet wurde, dass sie immer nur eine kleine Portion all der Köstlichkeiten auf ihrem Teller hatte, schwieg sie fügsam, nickte nur hin und wieder einem der Mädchen zu, wenn sie sah, dass Wein nachgeschenkt werden musste oder die Platten abgetragen und der nächste Gang gebracht werden konnte, und hörte stattdessen aufmerksam zu.

Offenbar kannten sich ihr Vater und Radolovich bereits längere Zeit über gemeinsame Kunden hier in Neapel. Wenn auch nur flüchtig; erst vor Kurzem hatten sie nähere Bekanntschaft geschlossen und während seines Aufenthalts auf Sizilien im Mai war Federico di Salerno Gast des Marchese gewesen. Zu Simonettas berühmter Octopus-Suppe sprach er Radolovich noch einmal Dank für dessen Gastfreundschaft aus und pries das Haus in Ragusa in den höchsten Tönen, worauf sich dieser revanchierte, indem er sich begeistert über den Palazzo Salerno äußerte und die geschnitzte Wandtäfelung des Speisezimmers bewunderte. Vor allem der Wandbehang, der unmittelbar hinter Caterina eine Madonna mit Kind zeigte, hatte es ihm angetan; er schwärmte von der feinen Stickarbeit und den gekonnt abgestimmten Farbnuancen.

»In Eurem Kontor hört man doch gewiss allerhand, was sich in Neapels Straßen erzählt wird, Don Federico«, ließ sich der Marchese bei Lamm und Wild vernehmen.

Federico di Salerno schmunzelte. »Einiges davon in der Tat, Signore Marchese.«

»Ist Euch vielleicht zu Ohren gekommen, ob es der Wahrheit entspricht, dass sich Caravaggio wieder in Neapel aufhalten soll?«

Während er einen Bissen Wild in mit Zimt gewürzter Rotweinsoße ertränkte, überlegte Caterinas Vater und schüttelte dann den Kopf. »Darüber ist mir leider nichts bekannt. Weshalb fragt Ihr?«

»Nun«, Radolovich spülte seine Kehle mit einem Schluck Wein, »ich hatte vor gut drei Jahren ein Gemälde bei ihm in Auftrag gegeben, während sowohl er als auch ich hier in Neapel weilten. Das war ein halbes Jahr nach . . . nach dieser unseligen Episode in Rom. Eine Madonna mit Kind und San Francisco und San Domenico, die sich in den Armen liegen, neben den Schutzpatronen meiner Familie, San Vito und San Niccolò. Ursprünglich wollte ich noch einen Engelschor im Hintergrund haben; er weigerte sich jedoch, mir einen solchen zu malen. Es würde die Wirkung der Szenerie stören, sagte er.« Er lachte auf. »Die viel gerühmte Freiheit der Kunst! Ich ließ ihm letztlich seinen Willen und in nur drei Monaten hatte er es vollendet – ein wahres Meisterwerk, für das mir schon weitaus mehr geboten wurde als die zweihundert Ducati, die es mich gekostet hat. Die Kirche von Pio Monte hatte für die Sieben Werke der Barmherzigkeit kurz darauf bereits das Doppelte bezahlt. Ich überlege, ob ich mir nicht ein weiteres von ihm anfertigen lasse.«

»Nach allem, was ich zuvor vernommen habe – und das war nicht viel –, so täte dieser Mensch gut daran, sich in einem Erdloch zu verkriechen und sich auch besser nicht mehr hervorzuwagen. Er verdirbt es sich doch, wohin er auch geht, und mit den Ordensrittern hätte er sich ebenfalls lieber nicht angelegt.« Federico di Salernos Stimme klang angespannt, als wünschte er, diesem Gespräch rasch eine andere Richtung zu geben.

Caterina schielte von ihrem Teller auf und sah, wie ihr Vater und Radolovich einen langen Blick tauschten und beide – der eine absichtlich, der andere unwillkürlich – einen Seitenblick auf sie warfen. Sie versteifte sich, spürte gleichzeitig, wie sie sich auf ihrem Stuhl kleiner machte; es war ihr unangenehm, dass ihre Gegenwart offenbar für die beiden Männer ein Hindernis darstellte, offen zu sprechen. Wut stieg in ihr auf und gleichzeitig brennende Neugierde, was sich hinter den geheimnisvollen Andeutungen über diesen Maler wohl verbergen mochte. Sie zuckte zusammen, als der Marchese sie unvermittelt ansprach: »Findet Ihr denn Gefallen an der Kunst, Donzella Caterina?«

Fragend sah sie ihren Vater an, und als dieser kaum merklich nickte, ihr damit die Erlaubnis zu einer Antwort erteilte, entgegnete sie: »Im Grunde schon. Ich – ich hatte nur noch nicht sehr viel Gelegenheit, mich näher damit zu befassen. – Fürchte ich«, schloss sie murmelnd und packte ihre Gabel fester. Sie kam sich unbeholfen und dumm vor.

»Das Reizvolle an der Unkenntnis ist, dass die Welt, die es noch zu entdecken gilt, so viel größer ist als die desjenigen, der schon alles gesehen hat«, erklärte Radolovich. Caterina fühlte sich von seinen Blicken geradezu durchbohrt; rasch schlug sie die Augen nieder und nickte nur.

»Caravaggios Gemälde dürften wohl kaum für empfindsame Gemüter geeignet sein«, warf Federico di Salerno ein und es klang, als äußerte er eine Warnung.

Der Marchese schlug diese in den Wind. »Auch empfindsame Gemüter sollten sich nicht scheuen, die Wahrheit, die in diesen Bildern liegt, auf sich wirken zu lassen. Am besten angeleitet von einer erfahrenen Hand.« Caterina brach am Rücken der Schweiß aus. Zwischen ihrem Vater und dem Gast spielte sich etwas ab, das sie nicht benennen, nicht einmal greifen konnte. Wie ein unausgesprochener Wettstreit, in dem aber keine wirkliche Feindseligkeit lag.

»Abgesehen davon sind diese Bilder zweifellos begehrt und deshalb eine gute Geldanlage«, schwenkte der Marchese auf einen leichteren Tonfall um. »In meinem Besitz findet sich mancherlei Kunstwerk, das einen Besuch lohnt. Vielleicht möchtet Ihr Euren Vater einmal begleiten, wenn er meiner nächsten Einladung nachkommt, Donzella?«

Caterina sah erneut ihren Vater an, der kurz die Lider schloss und wieder öffnete.

»Gewiss, sehr gerne«, antwortete sie gehorsam.

»Ich freue mich darauf«, erwiderte der Marchese. Sein Mund zeigte ein Lächeln, das seine Augen nicht erreichte.

Caterina entspannte sich wieder, als Radolovich und ihr Vater dazu übergingen, das Gespräch der Regierung von Vizekönig Bonavente zu widmen. Gleichzeitig stieg kribbelnde Ungeduld in ihr auf; inständig hoffte sie, dass bald nach dem Käse und Simonettas mustaccioli, saftig durch Traubenmost im Teig und süß durch Honig und kandierte Fruchtstückchen, ihr Vater das Zeichen geben würde, die Tafel aufzuheben, sich mit Radolovich zurückzöge und sie auf ihr Zimmer schickte.

Wo Annas ländliche Tracht auf ihrem Bett ausgebreitet lag, bereit, um einfach hineinzuschlüpfen und in die Nacht hinauszulaufen.

Die Caravaggio-Verschwörung

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