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_KAPITEL 8

Der falsche Weg

_Rumänien // Vor 13 Jahren

V

inzenz schließt die Holztür hinter seinem Meister Nepomuk. Er will sich bei seinem ersten Einsatz beweisen, sein junges Alter steht immer noch im Mittelpunkt einiger missgünstigen Diskussionen im Vatikan. Das Geräusch der schließenden Türe fährt durch jede dünne Wand des Hauses, doch es stoppt an Nepomuks ledernen Schuhsohlen. Muffig süßlicher Geruch frisst sich aus der Tapete. Das einzige übriggebliebene Möbelstück im Raum ist ein 1,10 Meter breites Bett, indem vor neun Wochen noch der Großvater der Besessenen geschlafen hat. Die Arme und Beine der Besessenen sind mit Gürteln und zerrissenen Hemden an das Bettgestell gefesselt. Die Augen der jungen Frau folgen dem alten Exorzisten als würde ihr Leben davon abhängen. Sie würdigt Vinzenz keines Wimpernschlages. Nepomuk faltet seine Hände um das Gestell zu ihren Füßen.

Dämon, weißt du wer ich bin?

Er liefert sich ein eisiges Wettstarren mit der Besessenen.

Du weißt wer ich bin, nicht wahr?

Der Exorzist lehnt sich auf seine erfahrenen Schultern.

Hast du deine Zunge verschluckt, Dämon?

Die junge Frau öffnet langsam ihren Mund. Ihre gesammelte Spucke läuft ihre Mundwinkel hoch und tropft an die Decke. Vinzenz folgt mit großen Augen dem Verstoß gegen die Naturgesetze.

Scheiße.

Bruder Rocco, du sollst nicht fluchen.

Verzeihung, Monsignore.

Nepomuks Augen haben die der Besessenen nicht verlassen.

Wozu bist du hier?

Der Dämon fletscht langsam seine Zähne. Als die blauen Lippen schwarze Zähne und eiterndes Zahnfleisch freilegen, wird aus dem Drohen ein zaghaftes, aber überlegendes Lachen.

Bruder Rocco wir beginnen.

Ja, Monsignore.

Vinzenz stellt sich an das Kopfende des Bettes. Als er seine Hände zum Gebet faltet, schiebt sich das gesamte Gestell an die andere Seite des Raumes. Die Köpfe der Exorzisten folgen.

Bruder Rocco.

Ja, Monsignore.

Bemüht zieht der junge Geistliche das Bett an seinen vorgesehenen Platz. Der Holzfußboden hätte darunter gelitten, wenn er nicht schon genug gelitten hätte. Vinzenz faltet seine Hände erneut. Eine panische Männerstimme entspringt aus dem teilnahmslosen Gesicht der jungen Frau, die Wörter kratzen und quietschen zur selben Zeit.

Eure Welt steht auf dem Kopf, du wirst es sehen Exorzist.

Eine Pfütze aus Urin sammelt sich in ihrem Nachthemd. Die ersten Tropfen fließen in einem, tiefgelben fast braunen Strahl, an die Decke. Der Dämon verdreht seine Augen und beginnt mit seinem eigenen Exorzismus.

In nomine Patris, et Filii, et Spiritus Sancti. Amen.

Der junge Exorzist sieht verwundert zwischen Dämon, Meister und Zimmerdecke hin und her. Sein Mund steht ein Stück weit offen. Nepomuk fährt fort.

Sag mir deinen Namen, Dämon. Ich befehle es dir, im Namen Jesu Christi.

Ich, bin, Luzifer.

Ja, den Witz habe ich schon mal irgendwo gehört.

Du glaubst mir nicht?

Nepomuk und Vinzenz heben die Hände zum Gebet.

Im Namen und in der Kraft unseres Herrn Jesu Christi beschwören wir dich, jeglicher unreine Geist, jegliche satanische Macht, jegliche feindliche Sturmschar der Hölle, jegliche teuflische Legion, Horde und Bande …

Langweilig!

Nepomuk greift nach dem Weihwasserfläschchen in seiner Kutte.

Ihr werdet ausgerissen und hinausgetrieben aus der Kirche Gottes, von den Seelen, die nach Gottes Ebenbild erschaffen und durch das kostbare Blut des göttlichen Lammes erlöst wurden.

Vinzenz übernimmt selbstsicher.

Wage es nicht länger, hinterlistige Schlange, das Menschengeschlecht zu täuschen, die Kirche Gottes zu verfolgen und die Auserwählten Gottes zu schütteln und zu sieben wie den Weizen.

Die Tapete löst sich an den Fußleisten und reißt sich, in Fransen, nach oben. Vinzenz verstummt, sein Lehrer fährt fort.

Dir gebietet Gott, der Allerhöchste, dem du in deinem großen Hochmut noch immer gleichgestellt sein willst. Er, der will, dass alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen.

Die Stimme des alten Exorzisten droht mit der Faust.

Sag mir Dämon, warum bist du hier?

Im Schein der roten Friedhofskerzen stehen drei schwarz gekleidete Halbstarke und eine übergewichtige Gothprinzessin, die selbst für ein Mitglied der Blue Man Group überschminkt ist. Zwischen Grabsteinen und Blumen liegt Ruhe auf den dunklen Wegen.

Ich glaube noch immer, du solltest das aus einem Buch vorlesen und nicht von einem Blatt aus einem Kopierer, so beeindruckst nie und nimmer, den Fürst der Unterwelt.

Sei still ich muss mich konzentrieren.

Das Kerzenlicht flackert auf dem dürren Gesicht.

Antichrist, Luzifer, gefallen und verbannt aus dem Paradies, erhöre mich, dein treuer Diener …

In diesem Moment knallt es und eine Wolke aus Licht verbirgt für einen Augenblick den Beschworenen und Vinzenz. Erschrocken weichen die Teenager zurück, wobei die Gothprinzessin fast über einen Grabstein fällt. Vinzenz Beine sind zu schwach, um ihn zu tragen, er fällt auf die Knie und übergibt sich auf den Kiesweg. Luzifer wischt sich das restliche Licht von der Schulter.

Ich bin Satan, in den Staub ihr Sünder.

Die vier Kinder der Nacht befolgen seinem Befehl und knien sich sofort auf den Boden.

Ich habe euch etwas mitgebracht. Es ist ein Exorzist.

Vinzenz atmet schwer, Luzifers Art zu reisen bekommt einem Menschen nicht sonderlich. Sein Körper zuckt in Panik. Verstört meldet sich der Rädelsführer.

Und was sollen wir mit ihm machen?

Ihr sollt ihm erklären, was falsch ist am Exorzismus.

Verwundert sehen sich die vier Erhörten an. Die Gothprinzessin beginnt.

Ich, ich, ich hab keine Ahnung. Vielleicht wegen den Epileptikern?

Luzifer wendet seinen Blick zu einem unserer bisher stillen Anwesenden.

Er ist stumm, mein Fürst.

Ich weiß, aber wenn er die Antwort hat, darf er sie aussprechen.

Überfordert prallen die Gedanken des Stummen an seine Schädeldecke, er strengt sich an, aber findet keine gute Antwort auf die Frage des Höllenfürsten. Luzifer wendet sich zu dem anderen Schweigsamen.

Und du? Bist du auch stumm?

Scheu beginnt der Seelenträger.

Ein Dämon ist ein gefallener Engel. Auch wenn er Gott nicht mehr folgt, so will er nichts Böses für den Menschen. Das Böse sagt und tut der Mensch. Der Dämon will ihn hindern. Ihr müsst den Menschen heilen, dann wird der gefallene Engel von alleine gehen. Wer den Dämon vertreibt, vertreibt auch das Böse, aber es zieht weiter und nimmt sich einen anderen Menschen. Es ist der falsche Weg.

Luzifer senkt seinem Blick zum Exorzisten.

Hast du gehört, Vinzenz? Das war eine verdammt gute Antwort. Zur Belohnung darf der Seelenträger mir eine Frage stellen.

Er dreht wieder zu dem Halbstarken.

Krass, Boah. Ich muss kurz überlegen.

Ob es einen Gott gibt, hat sich für den Satanisten, nun deutlich geklärt, darum stellt er die zweite Frage die ihm in den Kopf kommt.

Wie ist das so der Teufel zu sein?

Meistens ist es geil, sehr geil sogar, aber wenn ihr solche Dinge tut wie die Inquisition, den Holocaust oder die Sklaverei, kommt in mir immer wieder dieselbe Frage auf. Warum erlaubt Gott euch eine eigene Meinung, wenn er dieses Privileg seinen Engeln verwehrt?

Luzifer streicht sich durch sein Haar.

Vinnie, wir müssen los. Keine Panik, beim zweiten Mal ist es nicht mehr so schlimm.

Der stumme Satansanbeter öffnet seinen Mund.

Machen Sie 's gut.

Du auch.

Mit offenem Mund starren die jungen Seelenträger auf ihren Freund, der zum ersten Mal in ihrer Gegenwart ein Wort gesprochen hat. Luzifer wirft einen letzten Blick in die Runde.

War nett euch kennen zu lernen.

Vinzenz steht wieder im Zimmer der Besessenen. Ihre Mutter kniet, vor Glück weinend, auf dem Bett und umarmt ihre befreite Tochter. Nepomuk dreht sich zu seinem Schüler.

Gut gemacht, Bruder Rocco.

DER ERZENGEL JOHANNES

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