Читать книгу DER ERZENGEL JOHANNES - Nicole Sturm - Страница 17
Оглавление_KAPITEL 12
Petrus
_See Genezareth // 30
E
s ist ein geschäftiger Morgen am See Genezareth. Egal wo man hinsieht, tragen Leute Waren umher, flicken ihre Boote oder treiben Vieh zum Markt. Sie plaudern lautstark, während sie wild gestikulieren. Andreas zieht das Boot, seines Bruders Simon, an Land. Johannes und Jakobus, den die Leute seinen Bruder nannten, greifen nach dem leeren Fischernetz. Nicht nur das Netz ist leer, auch im Boot ist kein einziger Fisch. Simon ist stinkwütend und mault seine Tagelöhner Johannes und Jakobus an.
Geht das nicht schneller, wofür bezahle ich euch?
Die zwei gereizten Tagelöhner lassen das Netz entnervt auf den Boden fallen.
Womit willst du uns den bezahlen? Womit?!
Johannes zeigt mit der flachen Hand auf das leere Netz. Er weiß, dass er hier sein muss, aber er kann nicht die geringste Sympathie für den Besitzer des prophezeiten finden. Simon geht schnellen Schrittes auf ihn zu und will gerade zu einer Ohrfeige aus holen, als die Hand eines Zimmermanns sein Handgelenk ergreift. Der zornige Mensch dreht sich um und sieht in die ruhigen Augen des Messias.
Fahrt mich hinaus auf den See, Gott wird es euch vergelten.
Eine Horde von Männern und Frauen strömt an das Ufer. Ihre Blicke schweifen suchend über die Fischer und Händler. Ein junger Mann erspäht Jesus aus der Ferne und zeigt auf ihn.
Meister, hier ist er, sprich zu uns!
Hunderte Füße folgen nur noch einem Willen. Alte Frauen strecken ihre Arme nach ihm aus, Menschen auf Krücken hasten voran so schnell sie nur können. Andreas, Petrus und Jakobus sehen verwirrt auf die zuströmende Masse. Johannes und Jesus tauschen einen kurzen Blick aus. Sie wissen voneinander. Johannes weiß was der Menschensohn tun wird und Jesus weiß was die Seele im Dämon tun wird. Sein gütiger Blick fürchtet sich nicht vor der Menge, er flüchtet nicht. Er ist zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Seine Hand entlässt den Arm des zukünftigen Apostels.
Fahrt mich hinaus auf den See, ich will euch zu Menschenfischern machen! …
Simons Augen wandern stockend zurück zu Jesus.
… Und nehmt das Netz mit. Ihr werdet es füllen.
Der Verstand des glücklosen Fischers ist benebelt, wozu soll er diesen Mann einen Gefallen tun? Er hat heute noch keinen einzigen Fisch gefangen. Alles in ihm sträubt sich wieder auf den See hinaus zu fahren, aber er muss es tun. Wie aus einer Schockstarre heraus gibt er die Befehle.
Hebt das Netz wieder ins Boot, Andreas das Seil!
Als der große Zeh der ersten jungen Frau das Wasser berührt, stößt Jakobus das kleine Boot vom Ufer.
Rabbi, bitte, wartet!
Als das Wasser die Knöchel der jungen Frau umspült, bleibt sie im weichen Sand des Sees stecken und muss ihren Fall mit den Händen abbremsen.
Fahrt hinaus auf die Mitte des Sees! Schnell!
Sofort setzt jeder menschliche Muskel die Worte des Fremden in die Tat um. Niemand spricht ein Wort, während die Horde, wie Lemminge, ins flache Wasser läuft.
Du bist ein Jünger von Johannes ben Sacharja, dem Täufer.
Petrus Bruder Andreas wendet sich zu dem Mann, der ihnen, vor so langer Zeit, prophezeit wurde. Seine Stimme bejaht nur Scheu.
Ja, das bin ich, Rabbi.
Sein Blick ruht immer noch auf dem Ufer.
Rabbi, was wollen diese Menschen von euch?
Das Falsche, Andreas. Und nennt mich bitte nicht Rabbi.
Einen Moment lang ist es still auf dem kleinen Boot.
Bist du Elija?
Simons Frage klingt konfus. Er schafft es noch immer nicht seine Gedanken zu sammeln. Jesus Blick schwappt über den Bootsrand.
Es ist Elia schon gekommen, und sie haben ihn nicht erkannt.
Andreas wendet seinen Blick von der Menschenmenge. Die Worte rutschen von seinen Lippen.
Was ist ein Menschenfischer?
Der Wind kämpft sich durch das schwarze Haar des Messias.
Ich werde euch neue Netze geben, mit diesen werdet ihr befreien und nicht fangen. Den zwölf Stämmen soll die frohe Botschaft verkündet werden.
Die Menschen im Boot verstehen nicht wovon der Nazarener spricht. Wie soll man etwas mit einem Netz befreien. Johannes ist gespannt auf jedes der folgenden Worte. Auch Andreas Neugierde ist noch nicht befriedigt.
Und was ist die Botschaft?
Jesus deutet auf das Netz.
Ein Fischer kann nicht jeden Fisch fangen, aber jeder ist eine Freude.
Der Messias sprach wahre Worte in die richtigen Ohren. Andreas sieht verwirrt zu seinem Bruder Simon. Jesus lässt seine Hand über den Rand des Bootes ins Wasser gleiten. Er legt seinen Kopf zur Seite und starrt, ein Gebet lang, auf die Wasseroberfläche. Seine Hand hebt sich aus dem See und sein Zeige-, Mitte- und Ringfinger deuten auf eine Stelle vor ihnen im See.
Dort, werft eurer Netz aus.
Simons Mund traut dem Gefühl in seinen Händen nicht.
Rabbi, wir haben die ganze Nacht gearbeitet und nichts gefangen.
Das klare Wasser tropft von Jesus Fingern in den See zurück.
Du hast den Herrn gehört.
Dies war das erste und letzte Mal, dass Johannes für Jesus geantwortet hat. Jakobus Finger umklammern das Fischernetz. Simon sieht zu den Donnerbrüdern.
Auf dein Wort, sollen sie das Netz auswerfen.
Johannes und Jakobus greifen nach dem Netz und werfen es ohne Diskussion in die gewiesene Richtung. In der Stille des Sees sinkt es tiefer und tiefer. Andreas blickt erwartungsvoll ins blaue Element. Er spricht leise, um die Fische nicht zu verschrecken.
Herr sei gnädig zu uns und fülle unseren Tisch.
Plötzlich springt ein Fisch aus dem Wasser und landet direkt vor Jesus Füßen. Die Köpfe wenden sich ungläubig zu dem überdurchschnittlich großen Tier, doch bevor sie einen klaren Gedanken fassen können, gewinnt das Boot ruckartig an Tiefgang. Simon und Andreas greifen hastig nach dem Netz.
Zieht! Zieht!
Jesus Finger umschließen das Tau hinter Johannes Händen, doch selbst die vereinte Kraft der fünf Männer, bringt den Fischschwarm nicht davon ab, das Boot weiter nach unten zu ziehen. Es gerät in Schräglage und eine kleine Welle schwappt hinein. Zu der kräftezehrenden Anstrengung mischt sich nun Angst in Simons Augen.
Lasst das Netz los, wir gehen unter!
Schweig still du Narr!
Simon hätte Johannes normalerweise für diese Beleidigung von Bord geworfen, doch er folgt seinem Befehl! Wenn Jesus eines an den Menschen nicht leiden konnte, war es Kleingläubigkeit und Simon war kleingläubig. Eine zweite Welle schwappt hinein. In Andreas Augenwinkel erscheint ein anderes Boot. Er reißt seinen Blick nach oben.
Helft uns! Schnell!
Eine Windböe später greifen acht weitere Hände nach dem alten Netz. Der Fischschwarm kämpft, bis sich die Wasseroberfläche, um das Seil, hebt und überschlägt. Erst als das zweite Boot ebenfalls zu sinken droht, schwindet die Kraft der Tiere.
Zieht!
Mit einem verzweifelten Ruck ziehen die Männer das Netz an die Wasseroberfläche. Die ersten Fische purzeln in die Boote, doch der Anblick des riesigen Fischschwarms lässt einen Schauer durch die Körper der Menschen fahren. Soviel hatte zuvor noch niemand gefangen. Jesus hat sein Wort gehalten. Sie stehen schon knietief in Fischen und das Netz scheint gar nicht leerer zu werden. Die Tiere ziehen nicht mehr an den Booten, doch die Last ihrer sterbenden Körper, ist nun der Grund für den existenzbedrohenden Tiefgang der Boote. Die Gier entflammt in Simons Augen. Der Fremde wird in seinen Augen zu einem Segen. Etwas kriecht seinen Nacken hinauf und es bleibt dort.
Simon es reicht, wir werden kentern.
Willst du den Fang hier zurücklassen, Bruder?
Wir werden sinken wie ein Stein.
Simon zieht gierig am Netz. Die Maschen schneiden sich in die Innenseiten seiner Hände. Er fletscht die zusammengebissenen Zähne, plötzlich macht das Boot einen kurzen Tauchgang, um sich darauf einmal, um die eigene Achse zu drehen.
Die Fischer des anderen Bootes lachen aus voller Kehle. Neben dem erleichterten Boot, taucht ein Kopf nach dem anderen, wieder aus dem See auf. Andreas und Johannes teilen denselben Gedanken. Jesus wischt sich das Wasser aus den Augen und dreht sich paddelnd, bis er Simon erblickt.
Du bist Simon, Sohn von Jona, du sollst »Stein« heißen.