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Veganer*innen sind dogmatisch

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Wenn Menschen sich gegen Leid und Gewalt engagieren, wird das meist umso positiver gesehen, je engagierter sie dabei auftreten. Konsequent vegan lebende Menschen werden hingegen von ihren Kritikern häufig abwertend als dogmatisch bezeichnet. Letztendlich wird damit gesagt, dass die Ausbeutung von Tieren zu tolerieren sei, und der Versuch, konsequent ethisch verantwortlich zu handeln, wird als blinder Dogmatismus diffamiert. Als Dogma bezeichnet man laut Duden eine quasi unumstößliche Lehrmeinung, die den Anspruch der absoluten Gültigkeit besitzt.13 Und natürlich ist es kritikwürdig, ohne gute Begründung auf einer Ansicht zu beharren. Aber der Begriff Dogma wird leider nicht selten auch als Kampfbegriff für feste Überzeugungen verwendet, die einem unbequem sind. Damit kann man Ansichten, mit denen man sich sonst auseinandersetzen müsste, die die eigenen Überzeugungen in Frage stellen und gegen die man vielleicht keine guten Argumente hat, einfach als quasireligiös und unvernünftig darstellen, um sie damit beliebig zu machen, sie abzuwerten und die Vertreter*innen dieser Überzeugung in eine Fundamentalist*innenecke zu stellen. Das könnte in Bezug auf den Veganismus kaum falscher sein. Die vegane Philosophie ist ein Konzept, das Abwägung und Graubereiche durchaus zulässt. Schon die Definition des Veganismus (siehe Einleitung) beschränkt den Veganismus auf »so weit wie möglich« und ist damit im Kern bereits das Gegenteil von dogmatisch.

Dogmatisch ist es vielmehr, wenn jemand eine Handlung ausführt, weil vorherige Generationen das schon immer so getan haben und man trotz guter Gegenargumente stur darauf beharrt, sie fortzuführen. Das ist nicht der Fall beim Veganismus, dafür aber bei praktisch allen Fleischesser*innen. Man könnte also auch vielmehr das Essen von Fleisch und anderen tierischen Produkten als Dogma bezeichnen. Die meisten vegan lebenden Menschen haben sich, anders als die meisten Nicht-Veganer*innen, diese Überzeugung aufgrund ethischer Überlegungen selbst angeeignet. Wenn man kein Fleisch isst, weil man sehr gute Argumente dafür hat, dann ist das kein Dogma, egal wie nachdrücklich und konsequent diese Überzeugung vertreten wird. An Überzeugungen festzuhalten, die man vernünftig, anhand von klar nachvollziehbaren Kriterien erläutern, verteidigen und begründen kann und für die man sehr gute Argumente hat, oder weil die Gegenargumente schwach, falsch oder fehlerhaft sind, hat nichts mit »Dogmatismus« zu tun.

Zu fordern, dass es in der Kantine jeden Tag Fleisch zu geben hat, könnte man beispielsweise viel eher dogmatisch nennen. Wenn man sich ansieht, wie viele Menschen sich über den Vorschlag eines freiwilligen Veggie-Days empören und dergleichen als eine Art vegane Diktatur betrachten, gegen die sich das demonstrativ demokratische Volk unbeugsam erhebt, dann lässt dies den Schluss zu, dass der Konsum von Fleisch für viele Menschen eine Art quasireligiöses Dogma zu sein scheint. Es hat sich vermutlich noch nie irgendwer darüber empört, dass es nicht jeden Tag Brokkoli gibt, oder dass es letzten Montag nichts aus Bohnen gab. Das würden die meisten Menschen berechtigterweise auch sehr absurd finden. Aber bei Fleisch legt man völlig andere Standards an, obgleich das in dieser Hinsicht ebenfalls nur eine willkürliche, mögliche Zutat von vielen und zudem ernährungsphysiologisch oder auf anderem Wege nicht rational begründbar ist.

Tierausbeutung ist so tief in unserer Kultur und unseren Glaubenssätzen verankert, dass die meisten Menschen nicht realisieren, dass man sie ebenfalls als Dogmatiker*innen bezeichnen könnte, wenn man so argumentieren wollte. Nur dass dieses Dogma unnötiges Leid, Tod, Ungerechtigkeit und Umweltzerstörung verursacht, während das vermeintliche Dogma des Veganismus solche Dinge zu verhindern bzw. zumindest zu reduzieren versucht. Ersteres ist durch seine Allgegenwärtigkeit aber wesentlich subtiler und oft geradezu unsichtbar, da es sich ja in den Mantel der »Normalität« kleidet. Normal bedeutet aber nicht gleich undogmatisch. Wenn nun Einzelpersonen eine Überzeugung wie den Veganismus vertreten, ohne gute Argumente dafür zu haben, kann man das natürlich erst einmal kritisieren. Daraus folgt aber nicht automatisch, dass die Überzeugung selbst falsch oder nicht begründbar ist und dass man diesen eventuellen Dogmatismus dann auf alle anderen oder auf die Überzeugung selbst übertragen kann. Dieser logische Fehlschluss ist bekannt als Fehlschluss-Fehlschluss (argumentum ad logicam).14

Wenn man die möglichst konsequente Ablehnung von egoistischer Gewalt und das Kritisieren von Tierausbeutung, Leidverursachung, Umweltzerstörung und Ressourcenverschwendung trotz sehr guter Argumente pauschal als Dogma bezeichnen möchte, dann ist das zumindest das beste Dogma, das man haben kann, und wohl eines der wenigen, das Gutes bewirkt. Und es ist sicherlich besser als egoistische Dogmen wie: Jeder soll machen, was er will, egal wie viel Gewalt, Ausbeutung, Leid und Ungerechtigkeit er damit verursacht. Mit so einer Argumentationskultur könnte man jede einigermaßen überzeugte Aussage als Dogma bezeichnen. Das ist aber nicht mehr als unkonstruktive Polemik und hat mit einem sachlichen Diskurs nichts zu tun. Und man sollte auch auf die eigene undogmatische Geisteshaltung nicht zu unkritisch stolz sein, denn das ist oftmals nur ein beschönigender Ausdruck für Gleichgültigkeit.

Vegan ist Unsinn!

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