Читать книгу Vegane Ernährung für Einsteiger - Niko Rittenau - Страница 13
GRÜNDE für die Exklusion von Milchprodukten
ОглавлениеAuch wenn sich Milchprodukte in so gut wie jeder Ernährungsempfehlung der offiziellen Fachgesellschaften wiederfinden, zeigt die Datenlage, dass aus gesundheitlicher Sicht auch Ernährungsformen ohne Milchprodukte bei entsprechend guter Kostzusammenstellung bedarfsdeckend sind.53,54,55 Um es mit den Worten des amerikanischen Mediziners Dr. Michael Klaper zu sagen: »Der menschliche Körper hat ebenso wenig einen zwingenden Bedarf an Kuhmilch wie an Hundemilch, Pferdemilch oder Giraffenmilch.«56 Eine Kuh ist außerdem keine Milchmaschine, sondern gibt nur dann Milch (ebenso wie der Mensch und alle anderen Säugetiere), wenn sie Nachwuchs zur Welt gebracht hat. Dieser Umstand läuft allerdings zuwider der in den vergangenen Jahrzehnten kontinuierlich steigenden Nachfrage nach Milchprodukten, weshalb die Milchindustrie durch immer wiederkehrende Zwangsschwängerungen sowie Milchkuh-Qualzuchten mit immer höherer Milchleistung gegensteuert, um die hohe Nachfrage nach möglichst preiswerten Milchprodukten zu decken.
In Deutschland gab eine Kuh im Jahr 1900 im nationalen Durchschnitt »nur« knapp über 2.000 Liter Milch pro Jahr, wohingegen es 2019 zuchtbedingt mit jährlich über 8.000 Litern Milch etwa die vierfache Menge war.57 Der durchschnittliche Pro-Kopf-Verzehr an Frischmilcherzeugnissen beträgt in Deutschland etwa 90 Kilogramm (davon etwa 50 Kilogramm Konsummilch)58 pro Jahr.59 Dazu kommen etwa 25 Kilogramm Käse (für 1 Kilogramm Emmentaler werden beispiels–weise 12 Liter Milch benötigt)60 und etwa 12 Kilogramm an weiteren Milchprodukten. Insgesamt verzehrt also jeder Bewohner Deutschlands durchschnittlich mehr als 120 Kilogramm Frischmilcherzeugnisse und Käse pro Jahr, wofür ein Vielfaches an Milch benötigt wird.
Es wird deutlich, wie groß die Nachfrage nach Milch und daraus hergestellten Lebensmitteln hierzulande ist. Deutschland ist mit einer Gesamtproduktion in Höhe von über 30 Millionen Tonnen der größte Milcherzeuger der EU.61 Um solche enormen Mengen produzieren zu können, wurden 2020 etwa vier Millionen Milchkühe in Deutschland gehalten.62 Vor allem im Süden Deutschlands ist die besonders qualvolle Anbindungshaltung von Milchkühen trotz zahlreicher tierschutzrelevanter Einwände immer noch weit verbreitet. Rund die Hälfte der etwa 30.000 Milchviehbetriebe in Bayern hält ihre Tiere in Anbindungshaltung.63 Deutschlandweit lebt etwa ein Viertel der Milchkühe in Anbindungshaltung und ist somit häufig monatelang – oft sogar jahrelang – praktisch bewegungslos an einen Fleck gefesselt.64 Die Tiere sind dabei über Halsrahmen, Gurte oder Ketten um den Hals fixiert und können wesentliche Verhaltensweisen wie das Bewegungs-, Sozial- und Komfortverhalten nicht artgerecht ausleben. Auch unter den restlichen drei Vierteln der Kühe, die in Laufställen gehalten werden, wird einem Großteil ein artgerechtes Leben verwehrt. Mit friedlichem Grasen auf grünen, saftigen Weiden – wie es Milchpackungen den Konsument*innen oft suggerieren – hat das Leben der meisten Milchkühe in Deutschland nichts zu tun. Weit mehr als die Hälfte der Milchkühe hierzulande verbringt ihr Leben in Stallhaltung gänzlich ohne Weidegang.65
Ein weiteres ethisches Problem stellt in der Milchindustrie die Enthornung der Kälber dar. Das sehr schmerzhafte Ausbrennen der Hornanlagen ist derzeit in Deutschland laut Tierschutzgesetz bis zum Alter von sechs Wochen sogar gänzlich ohne Betäubung erlaubt.66 Ein heißer Brennstab zerstört dabei die Hornanlagen, die von Nerven durchzogen und entsprechend empfindsam sind. Kälber werden in der »Nutztierhaltung« enthornt, damit die Kühe sich später in den engen Laufställen nicht gegenseitig mit ihren Hörnern verletzen. Verletzungen treten jedoch vor allem durch das Halten auf zu engem Raum auf, wodurch die Milchkühe unter Stress stehen.67 Ein zusätzliches ethisches Problem stellt die auf Milchleistung optimierte Qualzucht der Milchkühe dar. Die sichtbarste Folge der auf maximale Milchleistung ausgelegten Züchtung ist das große Euter, das so groß werden kann, dass es die normalen Bewegungsabläufe der Kuh einschränkt. Auch diverse Stoffwechsel- und Eutererkrankungen treten zuchtbedingt häufiger auf.68 Mehr als ein Drittel der Milchkühe in Deutschland leidet beispielsweise an Euterentzündungen (Mastitis).69 Weitere ethische Probleme stellen die frühzeitige Tötung der Kühe in der Milchwirtschaft sowie die Tötung des männlichen Nachwuchses dar. Wie Abbildung 8 (siehe S. 22) zeigt, liegt die durchschnittliche maximale Lebenserwartung einer Kuh bei 15 bis 25 Jahren. In der Milchindustrie werden Milchkühe jedoch aufgrund von abnehmender Fruchtbarkeit und Milchleistung, Eutererkrankungen, Erkrankungen an Klauen- und Gliedmaßen oder anderen Gründen meist bereits im Alter von vier bis sechs Jahren geschlachtet, da sie dann nicht mehr rentabel sind.70 Darüber hinaus wird der Milchkuh ihr Nachwuchs kurz nach der Geburt weggenommen, obwohl Kuh und Kalb eine sehr enge Bindung zueinander aufbauen. Kälber verbringen ein Drittel ihrer Zeit auch abseits des Säugens in unmittelbarer Nähe der Mutterkuh71 und leiden ohne diese Nähe zur Mutter unter chronischem Stress.72 Nach der Trennung steht den weiblichen Kälbern ein Lebenslauf wie der ihrer Mütter bevor, wohingegen die männlichen Kälber drei bis acht Monate aufgezogen und dann getötet und zu Kalbfleisch verarbeitet werden. So werden in Deutschland jährlich über 300.000 Kälber geschlachtet.73 Die Milch- und die Fleischindustrie gehören also unweigerlich zusammen, und die falsche Vorstellung, dass Milchprodukte kein Leid und keinen Tod verursachen, könnte nicht weiter von der Realität entfernt sein. Wie der amerikanische Rechtswissenschaftler Gary Francione diesbezüglich richtig anmerkte: »Jedes Mal, wenn man ein Glas Milch trinkt oder ein Stück Käse isst, schadet man einer Mutter.«74 Glücklicherweise haben Milchprodukte – wie auch alle anderen tierischen Lebensmittel – kein Monopol auf überlebensnotwendige Nährstoffe. Man kann sich in jeder Phase des Lebenszyklus auch ohne die Muttermilch einer artfremden Spezies bedarfsdeckend ernähren.75 Wie Abbildung 17 (siehe S. 35) zeigt, gibt es in der veganen Ernährung außerdem zahlreiche Milch-, Sahne-, Butter- und Käsealternativen.
Warum vegan lebende Menschen keine Milch(-produkte) essen
Kühe werden oft verstümmelt
Viele Kälber werden in der Milchwirtschaft ohne Betäubung enthornt. Dieser Eingriff ist nicht nur äußerst schmerzhaft, sondern die Hörner sind auch wichtig bei sozialen Auseinandersetzungen und der Körperpflege.
»Milchkühe« werden zwangsbesamt und ihres Nachwuchses beraubt
Kühe werden in der Milchwirtschaft im Laufe ihres kurzen Lebens mehrfach zwangsgeschwängert. Ihr Nachwuchs wird ihnen kurz nach der Geburt entrissen, obwohl bekannt ist, dass Kuh und Kalb eine enge Bindung zueinander aufbauen.
Auch »Milchkühe« werden getötet
Die durchschnittliche maximale Lebenserwartung einer Kuh liegt bei 15 bis 25 Jahren. In der Milchindustrie werden Kühe jedoch aufgrund Unfruchtbarkeit, zuchtbedinger Erkrankungen, nachlassender Milchleistung und weiterer Gründe nach vier bis sechs Jahren geschlachtet.
Milchprodukte haben kein Monopol auf Nährstoffe
Alle in der Milch enthaltenen überlebensnotwendigen Nährstoffe findet man auch in anderen nicht tierischen Lebensmitteln, sodass eine gesunde Ernährung auch ohne Kuhausbeutung gelingen kann.
»Milchkühe« leben nicht artgerecht
Weit mehr als die Hälfte der deutschen Milchkühe verbringt ihr Leben in Stallungen ohne Weidegang. Etwa ein Viertel aller Milchkühe in Deutschland lebt sogar immer noch in grausamer Anbindungshaltung. Dort sind die Tiere quasi bewegungslos auf einem Fleck gefesselt und können viele Verhaltensweisen nicht artgerecht ausleben.
Milchkonsum tötet Kälber
Über 300.000 männliche Kälber wurden 2019 in Deutschland als »Nebenprodukt« der Milchindustrie nach wenigen Lebensmonaten geschlachtet und zu Kalbfleisch verarbeitet. Milch- und Fleischindustrie hängen also unweigerlich zusammen.
Kühe stammen aus Qualzuchten
Kühe geben nur Milch wenn sie Nachwuchs haben und auch dann nur in einer Menge, die ausreichend für das Kalb ist. Heutige Kühe stammen aus Qualzüchtungen, die viermal mehr Milch pro Jahr geben als noch um 1900. Die hohe Milchleistung geht dabei u. a. zu Lasten der Eutergesundheit.
Abb. 16. Probleme verbunden mit dem Verzehr von Milch(-produkten)
Vegane Alternativen zu Milch(-produkten)
Käsealternativen
•Veganer Pizzakäse (Rezept siehe S. 234 oder gekauft von Wilmersburger oder Veganz)
•Veganer Frischkäse (Rezepte siehe S.99, 102 oder von Soyana)
•Veganer Parmesan (Rezept siehe S. 103 oder von Vantastic Foods oder Violife)
•Veganer Brotzeitkäse (Rezept siehe S. 100 oder von Soyana oder Lord of Tofu)
•Veganer Mozzarella (Rezept siehe S. 106 oder von Mozzarisella oder Mondarella)
•Veganer Hirtenkäse (Rezept siehe S. 99 oder gekauft von Soyana oder Lord of Tofu)
Milchalternativen
•Haferdrink (z. B. Oatly)
•Sojadrink (z. B. Alpro)
•Reisdrink (z. B. Provamel)
•Erbsendrink (z. B. Vly)
•Mandeldrink (z. B. Joya)
•Dinkeldrink (z. B. Allos)
•Kokosmilch (z. B. Rapunzel)
Wann immer möglich, eine mit Kalzium angereicherte Sorte wählen
Alternativen zu Butter, Sahne usw.
•Butter Margarine (z. B. Naturli oder Alsan)
•Sahne Hafer- oder Sojacuisine (z. B. Natumi)
•Crème fraîche Creme VEGA (Dr. Oetker)
•Schlagsahne vegane Schlagcreme (z. B. Soyatoo)
•Saure Sahne Soyananda (von Soyana)
Joghurtalternativen:
•Sojajoghurt (z. B. Sojade)
•Mandeljoghurt (z. B. Alnatura)
•Haferjoghurt (z. B. dmBio)
•Kokosjoghurt (z. B. Harvest Moon)
•Cashewjoghurt (z. B. Dr. Mannah's (ehemals Happy Cashew))
Abb. 17. Vegane Milch- & Käsealternative
Um 1900 betrug die jährliche Milchleistung deutscher Kühe in der Milchwirtschaft »nur« etwa 2.000 Liter. Durch die auf Milchleistung optimierte Qualzucht geben heutige »Milchkühe« mit durchschnittlich über 8.000 Liter pro Jahr etwas viermal so viel Milch.
Abb. 18. Kuheuter an der Melkmaschine
Zur Vertiefung: Das Thema des von Andreas Pichler produzierten Dokumentarfilms Das System Milch ist die Intensivierung der Milchwirtschaft samt der damit einhergehenden negativen Folgen für Mensch, Tier und Umwelt. Er zeigt, dass Milch in den allermeisten Fällen nichts mit dem idyllischen Bild von glücklichen Kühen auf Bauernhöfen zu tun hat, sondern ein knallhartes Business ist, das zulasten der Milchkühe geht. Der Film wirft einen Blick hinter die Kulissen der Milchindustrie, offenbart die versteckten Kosten und Folgen der globalen Produktion von Milcherzeugnissen und erörtert mögliche Lösungsansätze.