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DER STATUS QUO der veganen Bewegung

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Das Jahr 2019 – 75 Jahre nachdem eine kleine Gruppe Menschen rund um Donald und Dorothy Watson das Wort »vegan« prägte – wurde von der renommierten internationalen Wochenzeitung The Economist als das Jahr des Veganismus betitelt.20 Im selben Jahr gelang dem amerikanischen Unternehmen Beyond Meat mit seinen veganen Fleischersatzprodukten der mit Abstand beste Börsengang unter allen börsennotierten Unternehmen seit dem Jahr 200021, und in Berlin eröffnete an der technischen Universität (TU Berlin) die erste rein vegane Mensa Deutschlands unter dem Namen Veggie 2.0.22 Im Folgejahr zeigte eine auf Statista veröffentlichte Publikation, dass 2020 bereits 1,13 Millionen Veganer*innen in Deutschland lebten.23 2008 gab es laut Hochrechnungen erst etwa 80.000 vegan lebende Menschen, und so hat sich ihre Zahl in zwölf Jahren mehr als vervierzehnfacht (siehe Seite 12, Abb. 5). Zudem meldete das Bundesinformationszentrum Landwirtschaft (BZL), dass der Pro-Kopf-Fleischverzehr in Deutschland 2020 so gering war, wie er es in den vergangenen 30 Jahren nicht mehr gewesen ist.24 Derart positive Entwicklungen sind bei Weitem nicht alleine auf Deutschland beschränkt. Noch 1946 schätzte Donald Watson, dass es im gesamten Vereinigten Königreich etwa 70 vegan lebende Personen gab.25 2014 waren es etwa 150.000 und im Jahr 2019 ganze 600.000 britische Veganer*innen.26

Abb. 3. Wachstumsverlauf der rein veganen Gastronomiebetriebe in Deutschland

Das entspricht heutzutage sowohl im Vereinigten Königreich als auch in Deutschland zwar immer noch nur etwa 1,2 Prozent der Gesamtbevölkerung, aber der Vegantrend wird nicht nur von strikt vegan lebenden Menschen vorangetrieben. Auch all die vegetarisch, pescetarisch und flexitarisch essenden Personen und diejenigen, die zumindest hin und wieder bewusst auf tierische Lebensmittel in ihrem Speiseplan verzichten, haben dazu beigetragen, dass hierzulande bereits im Jahr 2018 ganze 14 Prozent aller Produktneueinführungen im Lebensmittel- und Getränkesektor vegan waren.27 2012 war es hingegen nur 1 Prozent (Abb. 4). Damit befindet sich Deutschland im weltweiten Vergleich an der Spitze der Länder mit dem höchsten Anteil an veganen Produktneueinführungen.28 Im Supermarkt wächst vor allem das Sortiment an veganen Fleisch- und Milchalternativen seit Jahren stetig. Fleischalternativen verzeichnen seit 2008 ein stetiges Umsatzplus von jährlich rund 30 Prozent.29

Schon jetzt ist jeder zehnte verkaufte Liter Milch in Deutschland nicht mehr vom Tier, sondern von einer Pflanze, und die Umsatzzuwächse mit veganen Milchalternativen sollen laut Zukunftsprognosen weiter steigen.30 Auch die Restaurantlandschaft hat sich in Deutschland in den vergangenen Jahren enorm verändert. Zum einen bietet mittlerweile beinahe jede Restaurant- und Fast-Food-Kette auch vegane Speisen an und zum anderen hat sich die Anzahl rein veganer Restaurants und Cafés in den letzten Jahren vervielfacht. Seit 1994 das erste vegane Restaurant Deutschlands – das Restaurant »Sehnsuchtsküche« in Mühlacker im Nordwesten Baden-Württembergs – seine Küche zur Gänze auf vegan umgestaltet hat, ist viel passiert.31 Wie Abbildung 3 zeigt, waren es im Jahr 2013 deutschlandweit nur 75 rein vegane Gastronomiebetriebe, 2015 gab es bereits 137, im Jahr 2018 schon 250 und bei Erscheinen dieses Buchs 2021 sind es ganze 298.32 Im Januar 2021 verzeichnete außerdem die bereits 2014 initiierte Veganuary-Kampagne (eine kostenlose Kampagne, die Menschen darin unterstützt, im Januar einen Monat lang eine vegane Ernährung auszuprobieren) Rekordzahlen. Erstmals seit ihrer Entstehung meldeten sich mehr als 500.000 Menschen aus über 200 Ländern an.33 Unter allen Angemeldeten gaben etwa 40 Prozent in einer nachgelagerten Umfrage an, sich weiterhin komplett vegan ernähren zu wollen und zumindest drei Viertel derer, die nicht vorhatten, sich weiterhin komplett vegan zu ernähren, wollen den Konsum tierischer Lebensmittel mindestens halbieren.34

Abb. 4. Anteil veganer Produkte an den Neueinführungen in Deutschland (Lebensmittel und Getränke)

Auch weitere positive Meldungen unterstreichen das Voranschreiten der veganen Bewegung in 2021: Im Libanon stellte weltweit erstmals ein Hospital die gesamte Verpflegung der Patient*innen auf eine vegane Kost um,35 Israel verbot als weltweit erstes Land den Pelzverkauf zu Modezwecken,36 in Frankreich wurde dem »ONA« als weltweit erstes von Beginn an rein veganes Restaurant ein Michelin-Stern verliehen37 (2020 stellte das deutsche Restaurant »Seven Swans« seine Küche auf rein vegan um und konnte dennoch seinen Michelin-Stern halten)38, und die bekannte Fitnessmarke Rocka Nutrition, die 2015 im Jahr ihrer Gründung alles andere als vegan war, stellte aufgrund des Sinneswandels des Gründers Julian Zietlow das komplette Sortiment innerhalb eines Jahres komplett auf vegan um. Damit folgte sie anderen Unternehmen wie The Body Shop, die ebenfalls 2021 bekannt gaben, dass sie bis spätestens 2023 ihr gesamtes Sortiment vegan gestalten werden.39 Ein weiterer historischer Tag lag im Jahr 2021: Die Albert Schweitzer Stiftung bezeichnete den 25. Juni 2021 als den Tag, der den »Anfang vom Ende der Massentierhaltung« in Deutschland markiert, da an diesem Tag fast alle großen Lebensmitteleinzelhändler (Aldi Nord/Süd, die Rewe-Gruppe (u. a. Rewe und Penny), die Schwarz-Gruppe (u. a. Lidl und Kaufland) und der Edeka-Verbund (u. a. Edeka und Netto)) verkündet haben, bis 2030 kein Billigfleisch mehr zu verkaufen (also eine Abkehr von den Stufen 1 und 2 des Haltungsform-Systems in der Nutztierhaltung).40 Im Jahr 2021 wird die Gesamtheit der weltweit vegan lebenden Menschen auf etwa 79 Millionen geschätzt.41 Selbst klassische Fleischunternehmen wie Rügenwalder Mühle erzielen hierzulande mittlerweile knapp die Hälfte ihres Umsatzes mit veganen und vegetarischen Fleischalternativen.42

Was all diese Zahlen nahelegen, bestätigen die Umfrageergebnisse des britischen Marktforschungsinstituts Ipsos MORI: Der Veganismus ist eine der am schnellsten wachsenden Lifestyle-Bewegungen unserer Zeit.43 Noch besser trifft es allerdings die amerikanische Psychologin Dr. Melanie Joy, wenn sie vom Veganismus als eine der am schnellsten wachsenden sozialen Gerechtigkeitsbewegungen unserer Zeit spricht.44 Auch wenn heutzutage Menschen aus unterschiedlichsten Gründen zu einer veganen Ernährung finden, und es augenscheinlich immer mehr »Lifestyle-Veganer*innen« gibt, sind es die ethischen Argumente des Veganismus, die für sein starkes Wachstum verantwortlich sind. Die Ausbeutung von fühlenden Individuen zu kulinarischen Zwecken ohne ernährungsphysiologische Notwendigkeit wird von Jahr zu Jahr für immer mehr Menschen inakzeptabel.

Abb. 5. Anzahl vegan lebender Personen in 2008 und 2020

Zur Vertiefung: Das Buch Tierethik kurz + verständlich der Philosophin Dr. Friederike Schmitz bespricht diverse Argumente zu den wichtigsten praktischen tierethischen Fragen (Tierversuche, Nutztier- und Haustierhaltung etc.). Es bietet einen guten Einstieg für alle, die sich systematisch und aus ethischer Perspektive mit der Mensch-Tier-Beziehung beschäftigen möchten. Im Rahmen dessen werden die wichtigsten Tierethik-Positionen von u. a. Peter Singer und Tom Regan vorgestellt und bewertet und auch neuere ethische Positionen beleuchtet.


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