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DIE GESCHICHTE des Veganismus

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Die Einbeziehung von Tierrechten in die Ethik und der damit einhergehende bewusste Verzicht auf tierische Nahrung sind keineswegs Phänomene der Neuzeit, sondern können über die Jahrtausende hinweg bis weit in die Antike zurückverfolgt werden.1,2,3,4 Eine der bekanntesten Erwähnungen der Tierrechte, die das Fundament des Veganismus bilden, ist bereits über 1.000 Jahre alt. Sie stammt aus einem Gedicht des im Jahr 973 in Syrien geborenen Philosophen al-Ma‘arri. Er schrieb darin:

Esst nicht unrechtmäßig den Fisch, den das Wasser ausgespien, und begehrt nicht als Nahrung das Fleisch geschlachteter Tiere, oder die weiße Milch von Müttern, die ihren puren Trank ihren Kindern und nicht noblen Damen zugedacht haben. Bringt keinen Kummer zu den ahnungslosen Vögeln, indem Ihr ihre Eier nehmt; denn Ungerechtigkeit ist das schlimmste aller Vergehen. Überlasst den Honig den Bienen, die ihn emsig sammeln von den Blumen wohlduftender Pflanzen; den sie weder zusammentrugen, damit er sei für andere, noch gesammelt als Gabe oder Geschenk. 5


Donald Watson (2. September 1910 – 16. November 2005) ist Mitbegründer der Vegan Society und war maßgeblich an der Wortneuschöpfung »vegan« beteiligt.

Abb. 1. Donald Watson beim Lesen von »The Vegan News«

Der Veganismus kann somit auf eine lange Tradition zurückblicken, aber seinen konkreten Ursprung fand er erst im November 1944, als Donald Watson, Dorothy Morgan (spätere Watson), Elsie Shrigley, Fay und Allan Henderson und weitere jene Gruppierung gründeten, die später als The Vegan Society bezeichnet werden sollte.6 Dabei einigten sie sich als neue Bezeichnung für ihre Lebensweise auf das Wort »vegan«, das sich aus den ersten drei sowie den letzten beiden Buchstaben des Wortes »vegetarian« zusammensetzt. Dieses wiederum hat seinen Ursprung im Wort »vegetable«, das im frühen 19. Jahrhundert allerdings nicht im Sinne seiner heutigen Bedeutung lediglich Gemüse beschrieb, sondern sämtliche pflanzliche Lebensmittel wie Gemüse, Obst, Hülsenfrüchte, Getreide usw.7 Obwohl bereits zuvor eine Handvoll gänzlich tierproduktfreie Kochbücher erschienen waren, erlangte vor allem das erste explizit als veganes Kochbuch deklarierte Buch namens »Vegan Recipes« der Vegan-Society-Mitbegründerin Fay Henderson aus dem Jahr 1946 Bekanntheit als weltweit erstes veganes Kochbuch, das auch im Titel als solches bezeichnet wird.8

Das erste deutschsprachige vegane Kochbuch erschien 1962 unter dem Titel »Vegan-Ernährung« von Käthe Schüder.9 Die Ideale des Veganismus standen zwar bereits zur Gründung der Vegan Society fest, aber erst 1951 folgte auf Anregung des damaligen Vizepräsidenten der Vegan Society namens Leslie Cross eine offizielle Definition des Veganismus. In der ursprünglichen Definition wurde dieser kurz und knapp als eine Lebenseinstellung beschrieben, nach der Menschen ein Leben ohne die Ausbeutung anderer Tiere führen.10 Bereits 1947 schrieb Fay Henderson im Magazin »The Vegetarian« (später bekannt unter dem Titel »The Vegetarian World Forum«), noch vor der Festlegung einer offiziellen Definition, über die vegane Lebensphilosophie: »Das Wort Veganismus […] beschreibt einer Person, die keine tierischen Lebensmittel als Nahrungsquelle verwendet. […] Der Umstieg auf eine vegane Ernährung ist in der Regel auch gefolgt von einer Veränderung in der Einstellung gegenüber Kleidung und anderen Konsumgütern und der Erkenntnis, dass man unabhängig von Leder, Knochen, Seide, Wolle und anderen tierischen Produkten leben sollte.«11 Henderson merkte in ihrem Artikel außerdem treffenderweise an: »Der Veganismus ist im Grunde die logische Weiterentwicklung des Vegetarismus; keine fanatische Theorie, sondern eine praktikable Lebenseinstellung basierend auf Fakten und Vernunft.«12 In seiner bis heute gültigen Definition, die mit nur geringen Änderungen der Wortwahl seit 1979 in ihren Grundzügen unverändert blieb, wird der Veganismus wie folgt definiert:

»Veganismus ist eine Philosophie und eine Lebensweise, die danach strebt, alle Formen der Ausbeutung von und Grausamkeiten gegenüber Tieren – soweit es möglich und praktisch durchführbar ist –, sei es für die Ernährung, für Kleidung oder für irgendeinen anderen Zweck, zu vermeiden. Darüber hinaus fördert er zum Vorteil von Mensch, Tier und Umwelt die Entwicklung und Nutzung tierfreier Alternativen. Auf die Ernährung bezogen, bezeichnet der Veganismus die Praxis, auf alle Produkte zu verzichten, die ganz oder teilweise von Tieren stammen.«13

Wie Leslie Cross in einem Artikel betonte, war und ist die treibende Kraft hinter dem Veganismus also stets das Mitgefühl gegenüber allen Tieren.14 Veganismus ist aber weit mehr als nur der bloße Nichtkonsum tierischer Produkte. Es ist die grundlegende Lebenseinstellung, dass keine Tiere (menschliche genauso wie nicht menschliche) ungerecht behandelt und ausgebeutet werden sollen. Im Jahr 1981 war der Veganismus bereits so weit verbreitet, dass in Dänemark das erste International Vegan Festival stattfand.15

Mittlerweile finden weltweit Hunderte derartige Veranstaltungen statt. Auch in den DACH-Staaten gibt es heutzutage mit der Veggieworld, der Veggienale, der Veganmania, dem Vegan Street Day, der Vegan Planet und vielen weiteren Events zahlreiche Gelegenheiten, um sich über den veganen Lebensstil zu informieren, interessante Vorträge mitzuerleben, neue Produkte zu testen und schmackhaftes veganes Essen zu genießen. Am 1. November wird zudem der jährliche Weltvegantag gefeiert, der erstmals 1994 von der veganen Tierrechtlerin Louise Wallis zur Feier des 50. Jahrestags der Vegan Society ins Leben gerufen wurde.16

Obwohl sich seit der Gründung der Vegan Society jahrzehntelang vegan lebende Menschen bester Gesundheit erfreuten, dauerte es dennoch bis 2003, bis die weltweit größte Ernährungsfachgesellschaft namens Academy of Nutrition and Dietetics (AND) als erste Fachgesellschaft eine vegane Ernährung bei guter Planung als nährstoffbedarfsdeckend und damit sicher in jeder Lebensphase klassifizierte.17 Dies bestätigte die AND in den Neuveröffentlichungen ihres Positionspapiers zu veganer Ernährung in den Jahren 200918 und 2016.19 Wie Abbildung 37 (siehe S. 70) zeigt, folgten aufgrund der verfügbaren wissenschaftlichen Datenlage seither zahlreiche Ernährungsfachgesellschaften diesem Vorbild.


Abb. 2. Meilensteine der veganen Bewegung

Zur Vertiefung: Das Buch Animal Liberation – Die Befreiung der Tiere des Philosophen Peter Singer erschien im Jahr 1975 in englischer Sprache und gilt ebenso wie Tom Regans The Case for Animal Rights (1983) als ein Klassiker im Bereich der Tierrechtsliteratur. Die aktuellste deutsche Version von Singers Werk stammt aus dem Jahr 2015. Wie Singer selbst betont, ist dieses Werk kein sentimentaler Aufruf zur Sympathie gegenüber Tieren, sondern eine gründliche, sorgfältige und in sich schlüssige Aufarbeitung der Mensch-Tier-Beziehung und der Frage, was wir anderen Tieren schuldig sind.


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