Читать книгу Fälle und Lösungen zum BPolG für die Ausbildung in der Bundespolizei - Nils Neuwald - Страница 10

1.4 Erläuterungen zum Prüfschema Ziffer 1 Entscheidung Ziffer 1.1 Entscheidung zu präventivem oder repressivem Handeln

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Der Einstieg in die öffentlich-rechtliche Fallbearbeitung erfolgt über die Betrachtung des polizeilichen Anlasses, der sich regelmäßig als Rechtsgutverletzung, d. h. vielfach als Verstoß gegen eine oder mehrere gesetzlich festgeschriebene Normen verstehen lässt.

In den meisten Fällen handelt es sich um eine Gefahr, eine Straftat oder eine Ordnungswidrigkeit (OWi), die in einer Gemengelage in unterschiedlicher Vielzahl und Kombination vorliegen können. Zu beachten ist, dass in dieser Prüfziffer noch keine umfängliche rechtliche Würdigung erfolgt.

Der polizeiliche Anlass ist nur kurz wiederzugeben. Damit soll gezeigt werden, was offensichtlich erkannt wurde und was weiterhin wahrscheinlich oder möglich ist.

Dabei sollte die Art der Rechtsgutverletzung (RGV) betrachtet werden und zur Entscheidungsfindung des präventiven oder repressiven Handelns beitragen.

Es werden drei Arten der RGV unterschieden, die dann präventives (Gefahren abwehrendes) oder repressives (strafverfolgendes) Tätigwerden erforderlich werden lassen. Dabei ist stets der Grundsatz „Prävention vor Repression“ zu beachten.

Überblick über die drei Arten der Rechtsgutverletzungen


Eine RGV ist bevorstehend, wenn nach allgemeiner Lebenserfahrung die hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, ein Schaden werde bei ungehindertem Geschehensablauf innerhalb einer bestimmbaren oder bereits absehbaren Zeit eintreten.

Eine RGV ist anhaltend, wenn ein Schaden bereits entstanden ist und der sicherheitswidrige Zustand andauert und dadurch eine Schadensvertiefung oder eine Schadensvergrößerung eintreten kann. Oft handelt es sich um Dauerdelikte (z. B. Hausfriedensbruch oder Freiheitsberaubung), die zwar vollendet, aber noch nicht beendet sind.

In Betracht kommen ferner Straftaten im Versuchsstadium und solche Delikte, bei denen eine Schadensvertiefung noch möglich ist. Dies gilt sinngemäß auch für Ordnungswidrigkeiten oder für Rechtsverletzungen nach dem Privatrecht (z. B. Verletzung der elterlichen Sorge (§ 1626 BGB) gegenüber ihren Kindern).

RGV, in der Regel Straftaten und Ordnungswidrigkeiten, gelten dann als abgeschlossen, wenn sie keinen weiteren unmittelbaren polizeilichen Schaden im Sinne einer Schadensvertiefung oder -vergrößerung bewirken können. Die möglichen mit Strafe bedrohten Handlungen oder Unterlassungen (Straftaten/rechtswidrige Taten) sind vom Bearbeiter zu nennen. Entsprechend ist bei Ordnungswidrigkeiten zu verfahren.

Dabei bietet sich generell folgender Aufbau des Prüfpunktes 1.1 an:

(1) Einleitungssatz

(2) kurze Sachverhaltswiedergabe

(3) bisheriger Schaden

(4) zukünftiger Schaden/Schadensvertiefung

(5) betroffene Rechtsgüter/Straftat/OWi

(6) Entscheidung

Formulierungsbeispiel für eine bevorstehende RGV:

Sachverhalt: Während Ihrer Streife erkennen Sie den polizeibekannten A wieder, der bereits mehrfach wegen Körperverletzungsdelikten in Erscheinung getreten ist. A geht direkt auf den B zu und nimmt dabei eine drohende Haltung ein.

Einleitungssatz: Die Entscheidung zu präventivem oder repressivem Handeln ist zu treffen.

Kurze Sachverhaltswiedergabe: A ist bereits mehrfach wegen Körperverletzungsdelikten in Erscheinung getreten und pöbelt soeben den B an.

Bisheriger Schaden: Noch ist kein Schaden eingetreten.

Zukünftiger Schaden/Schadensvertiefung: Doch ohne polizeiliches Einschreiten könnte der Streit eskalieren und zu Straftaten (wie z. B. Beleidigungen und Körperverletzung) führen.

Betroffene Rechtsgüter/Straftat/OWi: Es würde sich dann um die Straftat Beleidigung gem. § 185 StGB und Körperverletzung gem. § 223 Abs. 1 StGB handeln. Betroffene Rechtsgüter wären die Ehre, das Recht auf körperliche Unversehrtheit und Gesundheit des B sowie die objektive Rechtsordnung.

Entscheidung: Es handelt sich um eine bevorstehende Rechtsgutverletzung als Gefahr für die öffentliche Sicherheit. Daher ist hier zunächst präventives Einschreiten zur Abwehr der Gefahr erforderlich.

Formulierungsbeispiel für eine anhaltende RGV:

Sachverhalt: Während Ihrer Streife werden Sie Zeuge, wie T den O mit der Faust ins Gesicht schlägt. T holt erneut zu einem zweiten Schlag aus.

Einleitungssatz: Die Entscheidung zu präventivem oder repressivem Handeln ist zu treffen.

Kurze Sachverhaltswiedergabe: T hat O bereits mit der Faust ins Gesicht schlagen und holt nun zum zweiten Schlag aus.

Bisheriger Schaden: Ein Schaden ist bereits eingetreten.

Zukünftiger Schaden/Schadensvertiefung: Doch ohne polizeiliches Einschreiten wird T den O erneut mit der Faust ins Gesicht schlagen und der Schaden würde sich vertiefen.

Betroffene Rechtsgüter/Straftat/OWi: Es handelt sich um die Straftat Körperverletzung gem. § 223 Abs. 1 StGB. Betroffene Rechtsgüter sind das Recht auf körperliche Unversehrtheit und Gesundheit des O sowie die objektive Rechtsordnung.

Entscheidung: Es handelt sich um eine anhaltende Rechtsgutverletzung als Gefahr für die öffentliche Sicherheit und daher ist hier zunächst präventives Einschreiten zur Abwehr der Gefahr erforderlich. Das schließt jedoch repressive Maßnahmen im Anschluss zur Strafverfolgung der Straftat Körperverletzung nicht aus.

Formulierungsbeispiel für eine abgeschlossene RGV:

Sachverhalt: Während Ihrer Streife werden Sie Zeuge, wie A den B mit der Faust ins Gesicht schlägt. Als der A Sie erblickt, stellt er seine Schläge auf den B ein.

Einleitungssatz: Die Entscheidung zu präventivem oder repressivem Handeln ist zu treffen.

Kurze Sachverhaltswiedergabe: A hat B mit der Faust ins Gesicht schlagen, aktuell seine Handlungen aber eingestellt.

Bisheriger Schaden: Ein Schaden ist bereits eingetreten.

Zukünftiger Schaden/Schadensvertiefung: Von einer Schadensvertiefung ist derzeit nicht auszugehen.

Betroffene Rechtsgüter/Straftat/OWi: Es handelt sich um die Straftat Körperverletzung gem. § 223 Abs. 1 StGB. Betroffene Rechtsgüter sind das Recht auf körperliche Unversehrtheit und Gesundheit des B sowie die objektive Rechtsordnung.

Entscheidung: Es handelt sich um eine abgeschlossene Rechtsgutverletzung als Gefahr für die öffentliche Sicherheit. Daher ist hier ein repressives Einschreiten zur Strafverfolgung der Straftat Körperverletzung erforderlich.

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