Читать книгу Fälle und Lösungen zum BPolG für die Ausbildung in der Bundespolizei - Nils Neuwald - Страница 15

Ziffer 3 Eingriff Ziffer 3.1 Befugnisnorm

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Nach dem verfassungsmäßigen Grundsatz des „Vorbehalt des Gesetzes“ bedürfen Eingriffe in die Rechte von Personen einer gesetzlichen Ermächtigung. Bei der Auswahl der in Frage kommenden Befugnis (präventiv oder repressiv) sind an dieser Stelle des Prüfschemas die gesetzlichen Voraussetzungen der jeweiligen Befugnisnorm zu prüfen.

Diese gesetzlichen Voraussetzungen unterscheiden sich je nach Befugnisnorm und sind individuell abzuprüfen. So verlangt beispielsweise der § 38 BPolG (Platzverweisung) das Vorliegen einer „Gefahr“ als gesetzliche Voraussetzung, während § 22 Abs. 1 BPolG (Befragung) „Tatsachen“ erfordert, die die Annahme rechtfertigen, dass eine Person sachdienliche Angaben zu einer bestimmten, der Bundespolizei obliegenden Aufgabe machen kann.

An dieser Stelle ist zu prüfen, ob sämtliche Voraussetzungen der jeweiligen Befugnisnorm vorliegen. Hierbei bietet es sich an, strukturiert jede gesetzliche Voraussetzung einzeln im Gutachtenstil abzuprüfen. Bei offensichtlich unstrittigen gesetzlichen Voraussetzungen kann im Einzelfall auch der Urteilstil angewendet werden.

Formulierungsbeispiel:

1. Voraussetzung: konkrete Gefahr als 3-schichtige Polizeigefahr

– Einleitungssatz:

Zunächst müsste eine konkrete Gefahr i. S. d. § 14 Abs. 2 Satz 1 BPolG vorliegen.

– Definition:

Das ist die im Einzelfall bestehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung im Aufgabenbereich der Bundespolizei.

Erste Stufe der 3-schichtigen Polizeigefahr

– Einleitungssatz:

Es müsste sich um eine im Einzelfall bestehende Gefahr handeln.

– Definition:

Die im Einzelfall bestehende Gefahr ist die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines/r Schadenseintritts/-vertiefung an einem Rechtsgut in absehbarer Zeit.

– Sachverhaltsanwendung:

Durch das hier gezeigte Verhalten des Mannes (Brecheisen in der erhobenen Hand) ist es hinreichend wahrscheinlich, dass er die Streife angreifen wird. Er geht auch direkt auf diese zu und ist nur noch wenige Meter entfernt, ohne das Brecheisen fallen zu lassen, das heißt, er wird die PVB auch in absehbarer Zeit angreifen und damit den Beamten erhebliche gesundheitliche Schäden zufügen.

– Ergebnissatz:

Somit handelt es sich um eine im Einzelfall bestehende Gefahr.

Zweite Stufe der 3-schichtigen Polizeigefahr

– Einleitungssatz:

Diese im Einzelfall bestehende Gefahr müsste für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bestehen.

– Definition:

Unter der öffentlichen Sicherheit versteht man den Schutz der Allgemeinheit und des Einzelnen vor Schäden, die dem Bestand und der Funktionsfähigkeit des Staates und seinen Einrichtungen, den Individual- und Universalrechtsgütern und der gesamten Rechtsordnung drohen.

– Sachverhaltsanwendung:

Betroffen sind die Rechtsgüter der öffentlichen Sicherheit, die objektive Rechtsordnung und die Rechtsgüter der PVB auf Gesundheit und körperliche Unversehrtheit sowie Leben. Da es sich um Polizeibeamte handelt, ist auch der Bestand und die Funktionsfähigkeit des Staates und seiner Einrichtungen betroffen. Der Mann versucht, die Kollegen anzugreifen. Dadurch können sie ihre Maßnahme nicht oder nur mit Verzögerung durchführen. Somit ist auch das ungestörte Funktionieren der Dienstausführung der Streife betroffen.

– Ergebnissatz:

Demnach liegt eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit vor.

Dritte Stufe der 3-schichtigen Polizeigefahr

– Einleitungssatz:

Der Vorfall müsste sich im Aufgabenbereich der Bundespolizei ereignen.

– Definition:

Das sind alle präventiven Aufgaben gem. der §§ 1 bis 7 BPolG.

– Sachverhaltsanwendung:

Die Streife befindet sich zwar im Hauptbahnhof Hamburg bei der bahnpolizeilichen Aufgabenwahrnehmung gem. § 3 Abs. 1 Nr. 1 BPolG. Allerdings kommt hier vorrangig zunächst die Gefahrenabwehr zur Sicherung eigener Einrichtungen (Eigensicherung der PVB) gem. § 1 Abs. 3 BPolG in Betracht, um die Gefahr von den Beamten abzuwehren.Eine präventive Aufgabe der Bundespolizei ist also betroffen.

– Ergebnissatz:

Somit ereignet sich der Vorfall im Aufgabenbereich der Bundespolizei.

– Zwischenergebnis:

Somit liegt insgesamt eine konkrete Gefahr i. S. d. § 14 Abs. 2 Satz 1 BPolG vor.

2. Voraussetzung: keine speziellere Befugnis

– Einleitungssatz:

Eine weitere Voraussetzung wäre, dass es für die Aufforderung, das Brecheisen fallen zu lassen, im BPolG keine speziellere Befugnis gibt.

– Definition:

Speziellere Befugnisse sind typische polizeiliche Standardmaßnahmen nach §§ 21 ff. BPolG, die der Generalklausel vorgehen.

– Sachverhaltsanwendung:

Das ist hier der Fall, da es im BPolG keine spezielle Befugnis für die beabsichtigte Maßnahme gibt. Die §§ 21 ff. BPolG enthalten keine Befugnis für die Aufforderung, das Brecheisen fallen zu lassen.

– Zwischenergebnis:

Somit ist keine speziellere Befugnis vorhanden.

3. Voraussetzung: notwendig

– Einleitungssatz:

Schließlich dürfen nur die notwendigen Maßnahmen getroffen werden.

– Definition:

Notwendig ist eine Maßnahme, wenn die Gefahr nicht auf andere, weniger eingreifende Weise behoben werden kann.

– Sachverhaltsanwendung:

In dieser Lage kann der polizeiliche Zweck der Gefahrenabwehr auf andere Weise nicht, auch nicht teilweise, erreicht werden als durch die Anwendung der Generalklausel.

– Zwischenergebnis:

Somit ist die Maßnahme notwendig.

– Gesamtergebnis aller Voraussetzungen:

Insgesamt liegen alle Voraussetzungen des § 14 Abs. 1, 2 BPolG vor.

Fälle und Lösungen zum BPolG  für die Ausbildung in der Bundespolizei

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