Читать книгу Vollmondnacht - Nina Johanna - Страница 13
ОглавлениеGlücklich erwachte Luna am dritten Tag ihrer Reise aus einem erholsamen tiefen Schlaf, der wieder durch die sanften Worte der lieblichen Stimme untermalt wurde. Sie setzte sich auf und schaute sich nach Joseph um, dessen Körper sie ruhend auf der Decke neben ihr erwartet hatte. Der Platz war allerdings leer, und weit und breit war keine Spur von dem Gesuchten zu erkennen. „Joseph?“, rief Luna in den von der Sonne wachgeküssten Wald. Hinter ihr raschelten die Blätter, und als sie sich umdrehte, entdeckte sie ihren besten Freund, der zwischen den Bäumen spazierte. „Hallo! Ich habe mich nur ein bisschen umgeschaut!“, sagte er ruhig, das Messer hielt er fest in der Hand. „Hast du eigentlich diese Landkarte mitgenommen?“ Luna nickte und reichte ihm das sorglos zusammengefaltete Papier aus ihrem Rucksack, das ihr ordnungsliebender Freund kopfschüttelnd entgegennahm. Einer seiner schlanken Finger fuhr die Karte geschickt ab. „Hier ist unser Dorf. Das muss das Grundstück des Bauern sein. Dann haben wir ungefähr hier den Wald betreten und sind immer weiter Richtung Osten gegangen.“ Eine Zeitlang herrschte Stille. Erwartungsvoll betrachtete Luna das nachdenkliche Gesicht ihres besten Freundes. „Hm“, machte dieser nur. „Was ist denn?“, wollte sie neugierig wissen, während sie mit den Fingern versuchte, ihre von der Nacht zersausten, lockigen Haare zu kämmen. „Ich glaube, wir befinden uns irgendwo hier.“ In kreisenden Bewegungen strich er über einen von Wald bedeckten Teil der Landkarte. „Und?“, fragte Luna ungeduldig. „Ich wollte wissen, ob irgendwo in der Umgebung Häuser eingezeichnet sind. Das würde erklären, warum ich gestern Schritte gehört habe. Ich dachte, vielleicht wohnt hier in der Nähe jemand, aber hier ist weit und breit nichts als Wald!“ Er legte die Karte auf seinen Schoß und schaute sich um. „Ach, darum geht es dir! Hör zu, Joseph, das könnte alles gewesen sein. Ein Tier, der Wind, oder vielleicht hast du es dir nur eingebildet“, vermutete Luna beruhigend. „Wahrscheinlich hast du recht“, sagte Joseph, von dieser These sichtlich unbefriedigt. „Unser nächstes Problem ist, dass auf dieser Karte weder ein Bach noch ein Wasserfall eingezeichnet ist“, fuhr er fort und studierte das Papier in seinen Händen nochmals konzentriert. Auch Luna widmete ihre Aufmerksamkeit nun der Karte. „Du hast doch gesagt, wir befinden uns etwa hier? Das ist ja schon fast der Rand der Karte! Wahrscheinlich sind der Bach und der Wasserfall einfach nicht mehr eingezeichnet.“ Joseph reagierte nicht. „Komm, ich stecke die Karte wieder ein, und wir gehen weiter!“ Luna zog ihm die Karte aus den Händen, legte sie auf die Größe eines Briefumschlags zusammen und stopfte sie zurück in den Rucksack. Gemeinsam räumten sie die Decke ein und betraten den linken Weg an der Gabelung. Gleich von Anfang an war der sehr steile Aufstieg kräftezehrend, und das Keuchen der beiden ergänzte die ruhigen Geräusche des Waldes. Nach mehrstündigem Aufstieg und vielen Pausen, in denen sie Wasser tranken und Nüsse aßen, betraten die beiden schließlich den ebenen, aber sehr schmalen Weg weit oben am Berg. Joseph blickte links den steilen Abhang hinunter. „Pass bitte auf, wohin du trittst, Luna! Hier geht es wahnsinnig steil hinunter!“, bemerkte er besorgt. „Mach dir um mich keine Sorgen, ich bin den Weg schon so oft gegangen!“ Mit auf den Boden konzentrierten Blicken setzten sie einen Fuß genau vor den anderen, um den Weg nicht zu verfehlen und in den Abgrund zu stürzen. Anstrengung lag in der Luft, und keiner brachte die Energie auf, ein Wort zu sagen. Irgendwann blieb Joseph abrupt stehen und ging langsam in die Knie, um etwas am Boden genauer betrachten zu können. „Schau einmal, da sind Fußabdrücke!“ Luna beugte sich langsam über ihn und erkannte die Abdrücke von Schuhen in der weichen Erde sofort. „Und?“, fragte sie erstaunt.
„Vielleicht haben diese Abdrücke etwas mit den gestrigen Schritten zu tun?“
„Jetzt fängst du schon wieder damit an, Joseph! Selbst wenn es ein Mensch gewesen sein sollte, ist es kein Grund zur Beunruhigung! Der Waldweg ist nicht nur für uns da! Jeder darf hier gehen!“ Ohne ein Wort zu sagen, stand Joseph auf und ging grübelnd weiter. Bei Einbruch der Dunkelheit suchten sich die beiden ein etwas breiteres, flacheres Stückchen rechts vom schmalen Weg und ließen sich dort für die Nacht nieder.