Читать книгу Vollmondnacht - Nina Johanna - Страница 21

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Der nächste Morgen begann mit strahlendem Sonnenschein. Wohlig schälte sich Joseph aus seiner Decke, setzte sich auf und streckte die Arme. Sein halb schläfriger Blick fiel sogleich auf seine Freundin, die neben ihm auf der Decke saß und ihr Gesicht mit geschlossenen Augen der Sonne entgegen streckte. Kurze Zeit betrachtete er Lunas feine Gesichtszüge genau. Die blasse Haut, das zarte Kinn und die leicht geschwungene Stupsnase reflektierten die warmen Sonnenstrahlen. Die erdigen Flecken auf ihrem Gesicht und die leicht verfilzten Haare waren verschwunden, sie musste sich gestern im Bach gewaschen haben, dachte Joseph.

Als Luna den Blick von der Seite bemerkte, drehte sie ihren Kopf und lächelte ihren Freund an. Ertappt schaute dieser sofort in die andere Richtung, fuhr sich durch die Haare und umfasste anschließend sein nicht verletztes Bein. „Bist du schon lange munter?“, fragte er schließlich beiläufig und spielte mit einem Grashalm. „Ja, ich habe den Sonnenaufgang beobachtet“, sprach Luna, die die Tatsache, dass sie die ganze Nacht nicht geschlafen hatte, verheimlichen wollte. „Wie geht es deinem Bein?“, erkundigte sie sich und begann, den Verband zu wechseln. „Schon um einiges besser als noch vor einem Tag“, antwortete Joseph ehrlich. Es stimmte, das Bein sah zwar noch immer nicht gut aus, aber dennoch um einiges besser als noch vor Kurzem.

Lunas Magen knurrte laut und verkrampfte sich anschließend. Sie ließ sich ihren großen Hunger allerdings nicht anmerken, da sie vor Joseph, der bestimmt ebenso hungrig und außerdem stark verletzt war, nicht jammern wollte. Sie gingen weiter den endlos wirkenden Bach entlang. Joseph humpelte immer noch sehr, stützte sich aber nur noch auf den Ast und nicht mehr auf seine Freundin, was diese sehr freute, da die Stelle unter ihrer linken Schulter immer noch stark schmerzte. Zufrieden stellte Luna fest, dass der Bach immer mehr an Geschwindigkeit zunahm und mit lautem Krachen an ihnen vorbeizischte. „Der Wasserfall kann nicht mehr weit sein“, sagte sie strahlend zu Joseph, der ihr Lächeln erwiderte. Es war bereits später Nachmittag, als Joseph ruckartig stehen blieb und einen Finger auf seine geschwungenen Lippen legte. „Hörst du das?“, flüsterte er mit funkelnden Augen. Luna lauschte in die Natur, sie hörte die Geräusche des Waldes, das aufdringliche Rauschen des Baches und... Voller Begeisterung riss sie die Augen weit auf. „Der Wasserfall!“, rief sie und konnte ihr Glück gar nicht fassen. Gar nicht weit von ihnen entfernt ertönte das donnernde Abstürzen der Wassermassen. Mit beschleunigtem Schritt wagten sich die beiden immer näher an das laute Krachen heran. Der Bach schlug mit riesiger Geschwindigkeit gegen nasse Felsen und suchte sich seinen Weg an ihnen vorbei. Mit in die Höhe gerissenen Armen blieb Luna schließlich am Rand eines großen Felsens stehen.

„Hier ist er! Wir haben ihn tatsächlich gefunden!“, brüllte sie, um den Lärm des Wassers zu übertönen, und legte beide Hände voller Begeisterung auf ihren Kopf. Joseph hinkte zu ihr und blieb keuchend stehen. Sein Blick schweifte über das beeindruckende Naturschauspiel, das sich ihnen bot. Auf der linken Seite fiel das Wasser des Baches wie schwerelos in die Tiefe, streifte einige schwarze Felsvorsprünge und knallte schließlich in den kleinen See, der bezaubernd vor dem Wasserfall ruhte. „Wer hätte das gedacht…“, flüsterte der auf seine Gehhilfe gestützte Joseph, als hätte er nicht damit gerechnet, jemals einen Wasserfall zu finden. Mehrere Minuten standen sie erleichtert und fasziniert am Rande des Felsens und beobachteten die beeindruckende Szene vor ihnen. „Jetzt müssen wir nur noch hinunter!“, sagte Luna schließlich mit entschlossenem Blick und in die Hüfte gestemmten Armen. Josephs eben noch begeistertes Gesicht ließ alle Spannung fallen, und er starrte seine Freundin ausdruckslos an. „Ich hoffe, das ist nicht dein Ernst“, sagte er ruhig. Mit zuckenden Schultern erwiderte Luna flüchtig seinen Blick. „Springen“, verkündete sie beiläufig, als läge vor ihnen ein kleiner Felsvorsprung und nicht ein mehrere Meter tiefer Sturz. „Wir müssen einfach springen.“

„Springen?!“, schrie Joseph entsetzt und griff sich mit einer Hand an den Kopf. „Springen? Das kann doch nicht dein Ernst sein! Weißt du, wie weit es da hinunter geht? Siehst du die Felsen überall?“ Luna wirkte unbeeindruckt und zog den Rucksack auf ihrem Rücken fester zusammen. „Spinnst du? Das überleben wir nie!“, rief Joseph fassungslos und ging einige Schritte rückwärts, um sich etwas vom Felsrand zu entfernen. Es handelte sich um Bruchteile von Sekunden, in denen Joseph nicht einmal annähernd begriff, was gerade passierte. Luna nahm Anlauf, lief, ohne abzubremsen, auf den Abgrund zu und ließ sich mit einem Schrei von Freude und Freiheit in die Tiefe fallen, bis sie schließlich im türkis-grünlichen Wasser des Sees mit einem lauten Knall in spritzenden Wasserwänden verschwand. Luna sah, nachdem sie wieder aufgetaucht war, dass Joseph mit offenem Mund an der Felskante stand und sich ungeschickt vorbeugte. Er brachte keinen Ton heraus, sondern beobachtete seine Freundin, die sich lachend im Wasser treiben ließ. „Das Wasser ist herrlich!“, rief sie den Wasserfall hinauf. „Los, spring!“ Sie beobachtete Joseph, der nervös an der Kante des Felsens auf und ab humpelte. Luna wusste, er hatte große Zweifel, und es würde ihn viel Überwindung kosten, sich einfach fallen zu lassen. „Tu es einfach!“, rief sie wieder und durchteilte mit ihren Armen das klare, frische Wasser. Zitternd versuchte Joseph nun, an den kleinen Felsvorsprüngen hinunter zu klettern, doch schon bei der Berührung des ersten Steins rutschte sein gesundes Bein gefährlich ab. Mühevoll zog er sich zurück auf den sicheren Boden und legte sich schnell atmend flach auf die Erde. „Ich kann das nicht!“, schrie er mit vor Angst zusammengekniffenen Augen. „Du musst!“, war die Antwort seiner Freundin. Mit neuem Mut stand er nach einiger Zeit wieder auf und starrte in die Tiefe. „Okay, ich werfe zuerst den Rucksack hinunter!“, sagte er und tat dies sofort. Mit einem dumpfen Schlag prallte der Rucksack genau auf einen aus dem Wasser ragenden Felsen und rutschte anschließend in den See ab. Joseph riss beide Hände in die Luft, als wollte er 'Hab ich’s nicht gesagt?' damit ausdrücken. „Du musst näher am Wasserfall abspringen! Schau doch, hier sind keine Felsen!“, rief Luna, deren Haare und Kleidung komplett nass waren, als sie Josephs Rucksack zu sich zog. Es dauerte noch einige Zeit, bis sich Joseph schließlich mit seinem gesunden Bein und einem angstvollen Schrei von der Kante abstieß, einige Zeit lang in die Tiefe fiel und schließlich das Wasser des Sees mit seinem Körper teilte. Sofort schwamm Luna zu ihm und hielt ihn an seinem Oberarm. „Alles klar?“, fragte sie grinsend in Josephs ungläubiges Gesicht. Er spuckte Wasser aus und blickte den Wasserfall hinauf. „Ja, alles klar!“, antwortete er nervös.

Mit gekonnten Bewegungen schwammen sie durch den immer seichter werdenden See zum Ufer, zogen die nassen, schweren Rucksäcke an Land und setzten sich schließlich pitschnass auf die von Moos bewachsenen Felsbrocken direkt vor den Wasserfall. Joseph schüttelte seine Haare, als wäre er ein Hund, sodass das Wasser in alle Richtungen spritzte. Luna lachte und drückte das Wasser aus ihren eigenen dichten Haaren. Joseph entfernte das nasse Tuch von seiner Wunde am Bein und legte es in die Sonne, die warm und freundlich vom Himmel strahlte und die Kleidung schnell trocknete. „Da haben wir doch tatsächlich den Wasserfall gefunden“, flüsterte er ungläubig, aber zufrieden. Er legte den Inhalt der Rucksäcke geordnet nebeneinander zum Trocknen aus. In der Hoffnung, etwas Essbares zu finden, schaute sich Luna ein bisschen in der Umgebung um, doch sie blieb erfolglos. Ermattet setzte sie sich wieder zu Joseph und sagte: „Ich habe solchen Hunger! Mein Magen tut schon richtig weh, mein Kopf schmerzt, und irgendwie habe ich das Gefühl, dass ich schlechter sehe.“ Joseph schaute sie mit seinem schiefen Grinsen an. „Probier‘s doch damit!“, sagte er und hielt ihr einen Grashalm unter die Nase. „Ha, ha! Sehr witzig!“, sagte Luna trotzig und warf den Halm in den kleinen See. „Ich bin auch wahnsinnig hungrig, aber im Moment lenkt mich das hier ein bisschen ab!“ Er zeigte auf den faszinierenden Ausblick, auf den herrlichen Wasserfall und den See, in dem sich die umliegenden Bäume und Gräser in den verschiedensten Blau- und Grüntönen spiegelten.

„Und nun?“, fragte Joseph schließlich, der sich inzwischen gemütlich auf seinen Rücken ins hohe Gras gelegt hatte und sein Gesicht zur Sonne streckte. Was nun?, dachte Luna planlos und starrte ins Wasser. Sie war bis zum Wasserfall gekommen, aber was sollte nun passieren? Sie hatte gehofft, dass die Stimme zu ihr sprechen würde, oder dass sie intuitiv wissen würde, was sie tun sollte, sobald sie vor dem Wasserfall stand, doch dem war nicht so. Nachdenklich spielte sie mit einer immer noch feuchten Haarsträhne und ging in Gedanken den Traum durch. „Vielleicht sollte ich versuchen, ein bisschen zu schlafen, damit die Stimme mir sagt, was ich tun soll“, überlegte sie laut. „Das klingt nach einem Plan! Ich werde wach bleiben und schauen, ob irgendetwas Untypisches passiert“, sagte Joseph, die Wärme der Sonne genießend. Langsam erhob sich Luna und suchte sich einen Platz im weichen Gras unter einem großen schattenspendenden Baum. Nachdem sie die Augen geschlossen hatte, passierte lange Zeit nichts. Sie hörte das Donnern des Wasserfalls und das vertraute Rascheln von Blättern aus dem umliegenden Wald, doch einschlafen konnte sie nicht. Die Stimme machte keine Anstalten, zu ihr zu sprechen. Enttäuscht setzte sich Luna wieder auf und starrte zu ihrem Freund hinüber, der gerade dabei war, aus kleinen Steinen einen Turm zu bauen. Zum ersten Mal seit Beginn der Reise hatte Luna Zweifel und verspürte Schuldgefühle. Wenn sie daran dachte, welche Schmerzen Joseph, der ihr immerzu half und sich freiwillig mit ihr auf den Weg gemacht hatte, hatte durchleben müssen und vermutlich immer noch musste, wurde ihr schlecht vor Kummer. Die Tatsache, dass es den Wasserfall tatsächlich gab, überraschte ihren besten Freund anscheinend sehr, doch Lunas Grund, hierher zu kommen, war nicht der, die Existenz des Wasserfalls zu verifizieren. Was war eigentlich der Grund, weswegen sie hergekommen war? Unruhig legte Luna ihren Kopf in die Hände. Sie wusste nicht weiter. War die ganze Reise umsonst gewesen? Hatte sie das Leben ihres besten Freundes und ihr eigenes grundlos in Gefahr gebracht? Wie sollten sie ohne Proviant und mit Josephs verletztem Bein den kompletten Weg wieder zurückkehren? Sie fühlte sich von der sonst so berauschenden Stimme in ihrem Kopf im Stich gelassen. Luna war zum Weinen zumute, doch sie wehrte sich dagegen, aufzugeben. „Wir warten bis morgen früh, und dann schauen wir weiter. Vielleicht spricht die Stimme bis dahin zu mir“, beschloss sie, ohne von ihren eigenen Worten überzeugt zu sein.

Mit der untergehenden Sonne begannen auch der Wasserfall und der davor liegende See immer mystischer zu wirken. Die vorher in der Sonne glitzernden Felsen wirkten nun schwarz und kalt, das strahlende Türkisgrün des Sees würde von einem dunklen Blau ersetzt, und der Wasserfall donnerte bedrohlich. Joseph, der in kleiner Entfernung zum Wasser die Decke ausgelegt hatte, ließ sich davon nicht beeindrucken. „Morgen ist ein neuer Tag! Vielleicht hast du dann eine Eingebung, was zu tun ist“, sagte er mit sanfter Stimme und verständnisvollem Blick. „Leg dich noch mal hin und schlaf ein bisschen, vielleicht spricht die Stimme dann zu dir!“ Ohne ihren Blick vom Wasserfall zu nehmen, setzte sich Luna neben ihn auf die Decke. „Ich werde jedenfalls ein bisschen schlafen! Mein Bein tut wieder stärker weh, und ich bin ganz schön erschöpft“, verkündete ihr Freund und rollte sich sogleich gemütlich zusammen. Luna hypnotisierte den Wasserfall. Irgendwo mussten Antworten versteckt sein.

Das Licht war verschwunden, aus Hell wurde Dunkel, aus Sonne wurde Mond. Luna nahm ihren leicht verschmierten, aber inzwischen trockenen Zeichenblock zur Hand und verglich ihr letztes Werk mit der Szene vor ihr. Weiß, wie die Haare einer alten Frau, und schäumend floss das Wasser vor ihr den Felsabhang hinunter und verschwand im ruhigen See. Der Mond stand nun direkt über dem Wasserfall, genau so, wie Luna es vor mehreren Tagen gezeichnet hatte. Nachdenklich seufzte sie und hob ihr Muttermal neben den Mond am Himmel. Gestern noch war ihr Muttermal etwas schmaler gewesen als der tatsächliche Mond, doch heute war kein Unterschied zu erkennen, es war, als hätte sie den Mond am Himmel auf ihrem Unterarm abgezeichnet. In Gedanken versunken, erhob sie sich mit kribbelnder Haut. Luna ging um den See herum näher zum Wasserfall. „Mondsichel“, murmelte sie immer wieder vor sich hin, als wäre sie kurz vor einem mentalen Durchbruch. So nah am Wasserfall spritzte ihr das Wasser ins Gesicht, und sie fuhr mit ihren schlanken Fingern den nassen Felsen entlang, bis sie ihre Augen plötzlich kurzzeitig zusammenkneifen musste. Dort, an der äußeren Stelle des in die Tiefe stürzenden Wassers, reflektierte das kühle Licht des Mondes so stark, dass es sie blendete. Aufgeregt näherte sie sich der mysteriösen Stelle im Wasser und betrachtete sie genau. Bis auf die glitzernde Reflektion des Lichtes war kein Unterschied zum restlichen Wasserfall zu entdecken. „Schau hinter den Vorhang“, schoss es Luna plötzlich ein, sodass sie sich vor lauter Überraschung am Felsen festklammern musste. „Schau hinter den Vorhang“, hatte die Stimme gesagt. „Schau hinter den Vorhang. Trau dich in die Dunkelheit.“ Jede Zelle in Lunas Körper war plötzlich munter und in Alarmbereitschaft. Gänsehautschauer liefen über ihre Haut, sodass sich ihre feinen Haare wie elektrisiert aufstellten. Sie fühlte sich lebendig. „Schau hinter den Vorhang.“ Langsam streckte Luna ihren linken Arm zur glitzernden Stelle im Wasser aus, bis sie sie schließlich mit ihren Fingerspitzen berührte. Das Wasser war kalt und strömte schnell durch die Zwischenräume der schlanken Finger hindurch. Langsam schob sie die Hand weiter in den Wasserfall, bis ihre Handfläche schließlich ganz verschwunden war. Nun glitt der Wasserstrahl sanft über das Muttermal auf ihrem inneren Unterarm. Kurzzeitig setzte ihre Atmung aus, bis sie nach wenigen Sekunden hastig nach Luft schnappte. Eine schmale Stelle des Wasserfalls, in die sie ihre Hand gerade gehalten hatte, öffnete sich wie der Vorhang einer Bühne zu beiden Seiten, als hätte jemand an den richtigen Schnüren gezogen, und offenbarte einen Eingang, der in die Dunkelheit im Hintergrund des Wasserfalls führte. Erschrocken zog Luna die Hand zurück, der Vorhang schloss sich sogleich wieder, und das Wasser lief als breite Wand vor ihrer Nase in den See. Ungläubig starrte Luna in die Nacht. Das kann doch nicht wirklich passiert sein! Wie ferngesteuert schob sie ihr Muttermal erneut in die vom Mond angestrahlte Stelle des Wasserfalls. Wie erhofft teilte sich die Wasserwand wieder, und die Dunkelheit dahinter kam zum Vorschein. In Lunas Gesicht breitete sich ein breites Grinsen aus. Das war es! Sie hatte es gefunden! Sie war sich zwar nicht sicher, was es war, doch sie wusste, es war für sie bestimmt. Schnell zog sie ihre Hand wieder zurück, der Wasservorhang schloss sich, und Luna rannte zur Decke, auf der Joseph ruhig schlief. „Joseph!“, schrie sie, „Joseph, ich hab’s gefunden!“ Erschrocken fuhr ihr Freund hoch und schaute alarmiert um sich. „Was ist los? Ist was passiert? Wo ist mein Messer?“ Seine Worte überschlugen sich vor Aufregung, und er tastete die Decke nach seinem Messer ab. „Nein, nein! Es ist nichts passiert! Ich habe nur – die Stimme hat mir – ich weiß jetzt – der Wasserfall!“ Fragend und bemüht, ihren Wortschwall zu verstehen, schaute er Luna in die Augen. „Ich weiß, wie es weitergeht!“, sagte sie schließlich mit sicherer Stimme. „Schnell, pack die Rucksäcke ein, wir müssen weiter!“

„Mitten in der Nacht?“, fragte Joseph ungläubig und half seiner Freundin, nachdem er keine Antwort bekommen hatte, schweigend die zum Trocknen ausgelegten Dinge in die Rucksäcke zu packen. Mit genervtem Blick beobachtete er, wie sie ihre Sachen, ohne großartig nachzudenken, einfach hineinstopfte, während er sie sorgfältig einordnete. „Also, so viel Zeit muss wirklich sein!“, sagte er streng, doch Luna ignorierte ihn. Sobald die Rucksäcke fertig eingepackt waren, schnappte Luna die Hand ihres Freundes und zog ihn schnell hinter sich her auf die richtige Seite des Wasserfalls. Tollpatschig humpelte er über den glitschigen Boden und stolperte über einige Steine. „Au, Luna, nicht so schnell, mein Bein!“ Seinem Jammern wurde keine Aufmerksamkeit geschenkt, und sie kamen erst vor der im Mondlicht glitzernden Stelle des Wasserfalls zum Stehen. Joseph hielt sich die Hand vor das Gesicht, um die Wasserspritzer davon abzuhalten, in seinem Auge zu landen. „Schau doch mal!“, rief Luna, um den Lärm des Wasserfalls zu übertönen, und hielt ihm ihr Muttermal unter die Nase. Dann fuhr sie mit ihrer Hand in den Wasserfall, bis der Mond auf ihrem Arm schließlich komplett von Wasser bedeckt war. Wie bereits die Male zuvor öffnete sich die Wasserdecke wie ein Vorhang zu beiden Seiten, sodass ein erwachsener Mensch aufrecht stehend problemlos hindurchgehen konnte. Dahinter offenbarte sich Dunkelheit. Erwartungsvoll warf Luna einen Blick über ihre Schulter. Joseph stand mit fassungslosem Gesichtsausdruck und weit aufgerissenem Mund da. „Na, was sagst du?“, fragte Luna stolz, doch Joseph war offenbar unfähig zu antworten. „Komm, wir müssen da durch!“ Luna zog ihren Freund am Ärmel näher zum Wasserfall. „Aber wie...? Wie kann...? Was soll...?“, stammelte Joseph vor sich hin und ließ seinen unwilligen Körper von seiner Freundin immer weiter zum Wasserfall und schlussendlich in die Dunkelheit dahinter ziehen.

Vollmondnacht

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