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Kapitel 9

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Hey Nate, da bist du ja endlich!«

Ayden riss, erschrocken von Shadows Ausruf, seinen Kopf in die Höhe und sah zur Eingangstür des Clubs. Sein Herz schnürte sich beim Anblick von Nathan erneut zusammen, doch diesmal war Ayden darauf vorbereitet. Er atmete einige Male tief durch und widmete sich wieder ganz dem Mixen eines Cocktails.

Nathans Herz drohte ihm aus dem Hals zu springen, so nervös war er in diesem Moment. Bei dem Gedanken, Ayden endlich wiedersehen zu können, hatte er schon Stunden zuvor schwitzige Hände bekommen. Ihm war bewusst, dass er sich trotzdem zurückhalten musste. Ayden hatte vor seiner Haustür nicht den Anschein gemacht, als hätte er das Bedürfnis verspürt, überhaupt mit ihm zu sprechen. Oder ihn sich gar erklären zu lassen.

Er begrüßte und umarmte seine Freunde, von denen er allesamt liebevolle Predigten kassierte, da er sich die letzten drei Tage bei keinem von ihnen gemeldet hatte und setzte sich schließlich auf einen Barhocker neben seinen Freund Rin.

Rin war mit seinen 19 Jahren der Jüngste der Truppe, aber nicht minder erwachsen, um nicht zu sagen wahrscheinlich reifer als die anderen fünf von ihnen zusammen. Er war ein stiller Zeitgenosse, beobachtete und analysierte mehr, als zu sprechen. Immer dunkel gekleidet, verdeckten seine schwarzen, glatten Haare seine Augen fast vollständig, wenn er sie nicht immer wieder mit seinen Fingern zur Seite streichen würde. Rins Fingernägel waren, passend zum Rest, immerzu schwarz lackiert.

Rin war schon immer ein guter Zuhörer. Nur weil er nicht viel sprach, hieß das nicht, dass er nicht geistig anwesend war. Er hörte den anderen immer aufmerksam zu und alles, was er sagte, hatte Gewicht. Er sprach kein Wort, das nicht ausgesprochen werden musste. Auch heute saß er still neben Nathan und observierte.

Shadow eilte direkt in Nathans Richtung und stellte ihm eine bereits geöffnete Colaflasche auf den Tresen. Er bedankte sich und ließ seinen Blick daraufhin von ihr zu Ayden wandern. Nathan war nicht entgangen, dass Shadow schon ihre Vermutungen über ihn und den Neuen angestellt hatte. Deshalb wunderte es ihn wenig, als Shadow Ayden zum Gläserwaschen aufforderte. Zufälligerweise befand sich das Spülbecken direkt vor Nathan. Shadow zwinkerte ihm unauffällig zu, woraufhin er ihr die Zunge herausstreckte.

»Hey«, sprach er Ayden daraufhin vorsichtig an.

»Hey«, erwiderte dieser, den Blick weiter starr auf die nassen Gläser zwischen seinen Händen gerichtet.

»Ich glaub, du hast das heute Morgen in den falschen Hals gekriegt, ich wollte nur-«

»Ich hab dir gesagt, dass du mir keine Erklärung schuldig bist. Du kannst mit deiner Freundin machen was und wann immer du es willst.«

Seine Freundin? Das war es wirklich, was Ayden vermutet hatte?

»Ich wusste doch, dass es falsch bei dir angekommen ist«, wiederholte Nathan und seufzte dabei erleichtert.

»Wovon redest du?« Ayden sah ihn nun mit seinen eisblauen, hypnotisierenden Augen direkt an.

»Das vorhin auf meiner Couch« Nathan machte eine kurze Pause, um den nächsten Worten damit mehr Nachdruck zu verleihen, »war meine Mutter.«

Ayden konnte die Verwunderung nicht verbergen, die sich auf seinem Gesicht widerspiegelte.

Warum hatte Nathan sie dann so vehement vor ihm versteckt?

Viel mehr als Verwunderung, fühlte er allerdings Erleichterung. Und da war es wieder. Nathans schelmisches Grinsen. Endlich.

»Wie auch immer«, Ayden senkte seinen Kopf. Er war es leid, dass Nathan ihm scheinbar genau ansah, wie er sich eigentlich fühlte.

»Mhm«, brummte Nathan nur grinsend und hob seine Flasche an, um einen Schluck aus ihr zu nehmen, sein Blick kontinuierlich auf Aydens Gesicht gerichtet, um jede mögliche Regung darauf einzufangen. »Meine Mom hat vorhin meine Maße für einen Anzug genommen, deshalb hatte ich kein Shirt an.«

»Wie. Auch. Immer«, wiederholte Ayden mit zusammengebissenen Zähnen.

Plötzlich spürte Ayden, wie sich ein Arm um seine Schulter schlang und sich ein Kinn von hinten auf seiner anderen Schulter ablegte. »Na, alles in Ordnung bei euch?«, fragte Shadow vergnügt, die ihn dabei fest an sich heranzog.

»Alles bestens«, erwiderte Nathan, während er die beiden belustigt ansah.

»Ayden, warum bist du immer so kalt? Mach das Spülwasser doch mal wärmer!«, schimpfte Shadow, woraufhin Ayden einen Schritt zur Seite treten wollte, um Shadow ans Spülbecken zu lassen, die ihm aber zuvorkam und ihn auch schon gekonnt mit der Hüfte davon wegschubste.

»Ist mir auch schon aufgefallen«, bekräftigte Nathan Shadow und visierte dabei Aydens Augen an. »Wo lodert denn das kleine Feuer in dir?«

Ayden verstand kein Wort. Er kippte seinen Kopf etwas zur Seite und sah Nathan mit gerunzelter Stirn fragend an. »Was?«

»Dein Name«, warf nun eine Person ein, die Ayden bislang unbekannt war. Der unscheinbare Junge saß auf dem Barhocker neben Nathan. Ayden hatte ihn zwar schon ein paar Male in der Bar gesehen und nahm an, dass er zu Shadows und Nathans Freundeskreis gehörte, bekannt war er ihm allerdings trotzdem nicht. »Die Bedeutung dahinter«, fuhr der Unbekannte fort, als wäre es offensichtlich, worauf Nathan anspielte.

»Was Rin sagt«, meinte Nathan und klopfte Rin mit einer Hand auf den Rücken. »Dein Name bedeutet „kleines Feuer“. Ich frag mich, wo das schlummert.«

»Ich sag's dir, wenn ich's gefunden habe.« Nun war es Ayden, der Nathan intensiv in die Augen sah. Ihm war, als wären Nathans Augen gerade für eine Millisekunde hellrot aufgeflackert.

»Ich bitte darum«, antwortete Nathan, hob die Flasche in Aydens Richtung, als würde er ihm zuprosten wollen, und nahm erneut einen Schluck, ohne den Blickkontakt abbrechen zu lassen.

Ayden kam es vor wie eine Ewigkeit, bis er seine Augen von Nathans lösen konnte. Die Flasche in Nathans Hand tropfte durch das darauf abperlende Wasser auf die Marmorplatte des Tresens. Ayden verfolgte einen Tropfen bis zum Aufprall auf der Oberfläche und konnte erst dann, als hätte ihn etwas aus seiner Tagträumerei geschnipst, wieder weiterarbeiten. Er nahm das Handtuch und trocknete die von Shadow bereits gespülten Gläser ab.

»Ich würde sagen, wir nehmen ihn am Freitag mit, oder?«, verkündete Shadow, während sie die zwei vor ihr auf dem Barhocker sitzenden Personen euphorisch ansah. Rin zuckte nickend mit den Achseln, Nathan sah hingegen etwas besorgt aus. Ayden wusste unterdessen nicht, worauf Shadow überhaupt anspielte. »Ich hab mit Roxy, Finn und Kyla schon gesprochen und sie meinten, je mehr, desto besser!« Shadow lachte und sah daraufhin neben sich auf Ayden hinunter. »Im Nachbarort ist am Wochenende ein kleines Festival geplant. Wacken für Arme sozusagen.« Sie grinste und setzte dann fort: »Ich würd mich freuen, wenn du uns begleitest.« Daraufhin lehnte sie sich etwas zu ihm hinunter und flüsterte ihm, während sie Nathan dabei ansah, leise ins Ohr. »Und der Dösbaddel da mit Sicherheit auch.« Aydens Ohr glühte heiß auf und er hob schnell die Hand, um sich zu vergewissern, dass seine Haare es auch wirklich noch überdeckten.

»Danke für die Einladung, aber ich glaub das ist keine so gute Idee.« antwortete Ayden, während er Shadow ansah.

»Ach doch, das glaub ich schon!«, entgegnete Shadow voller Elan.

»Dräng ihn nicht, Shadow«, erhob Nathan nun das Wort. Ayden durchfuhr eine Welle aus … ja, aus was eigentlich? Enttäuschung? Nathans Worte versetzten Ayden einen unerwarteten Dämpfer, so hatte ein kleiner Teil in ihm damit gerechnet, dass sich der zerzauste Rotschopf mit den haselnussbraunen Augen mehr dafür einsetzen würde, dass Ayden sie begleitete. Die Distanz, die Nathan damit zwischen ihnen aufbaute, ließ Ayden frösteln. »Aber auch ich würde mich sehr freuen, wenn du mitkommst.«

Nathan schaffte es, in Ayden eine Achterbahnfahrt der Gefühle auszulösen. Im einen Moment himmelhoch jauchzend, im anderen zu Tode betrübt. Diesmal war die Reihenfolge jedoch eine andere. Ohne es zu merken, machte sich ein schwaches, aber fast dankbares Lächeln auf Aydens Gesicht breit, das genau bei der Person ankam, für die es unbewusst auch bestimmt war. Nathan erwiderte das Lächeln mit einem Grinsen bis über beide Ohren, welches seine Augen regelrecht aufleuchten ließ.

Die nächsten Worte, die Aydens Lippen verließen, konnte er selbst nicht glauben. So lange hatte er darum gekämpft, jegliche Art der Gefühle gar nicht erst entstehen zu lassen. So lange war er darum bemüht, Menschen aus dem Weg zu gehen, in deren Nähe er sich eigentlich wohlfühlte. So lange befand er sich schon auf der Suche nach etwas, dessen Existenz er mit der Zeit immer mehr anzweifelte. Er konnte seine Mutter nichts mehr fragen, die schon zu lange nicht mehr an seiner Seite war, ihn aber damals mit so hoffnungsvollen Worten zurückgelassen hatte. Obwohl er mit aller Kraft versuchte, die Menschen, die sich um ihn bemühten, von sich zu stoßen, schaffte er es diesmal nicht.

Noch nie in seinem Leben hatte er sich so schutzlos ausgeliefert und gleichzeitig so geborgen gefühlt. Er kannte Shadow und Nathan gerade mal eine Woche und trotzdem kam es ihm so vor, als wären sie schon jetzt fester Bestandteil seines Lebens.

Für Shadow empfand Ayden nicht nur freundschaftliche Gefühle. Er sah in ihr immer wieder Parallelen zu seiner Mutter, bei der er sich so geborgen gefühlt hatte. Shadow stand ihm zur Seite, wenn er nicht mehr wusste, wo oben und unten war. Sie sprang für ihn ein, wenn er in der Bar mal wieder - etwas überfordert von den vielen Menschen - kurzzeitig zur Statue versteinerte. Es fühlte sich an, als würde sie ihre Hand schützend über ihn legen, schaffte es aber gleichzeitig durch ihre Lebensfreude, dass Ayden sich dabei nicht unwohl fühlte.

Und dann war da natürlich noch Nathan. Was er für ihn empfand, konnte er allerdings selbst nicht deuten. Zu viel Sorge hatte er darum, was passieren würde, wenn er diese Gefühle zuließ. Menschen von sich zu stoßen war sonst so viel einfacher, nur bei Nathan war das anders. Es fühlte sich an, als würde er sich gleichzeitig sein Herz aus der Brust reißen, wenn er Nathan abweisende Worte entgegenbrachte.

Das Schlimmste an seiner undefinierbaren Beziehung zu Nathan war, dass er ihm schon jetzt vertraute. Nathan hatte sich um ihn gekümmert, ihn bekocht und bei sich schlafen lassen. Er hätte sich nicht nur einmal für ihn mit anderen Menschen angelegt. Er hatte ihm bewiesen, dass er sich von ihm fernhielt, wie er es versprochen hatte, obwohl es das Letzte war, was Ayden in diesem Moment gewollt hatte. Und auch vorhin, als Nathan Shadow bat, Ayden nicht dazu zu drängen, mit ihnen zu kommen, war Nathan allem Anschein nach darum besorgt, ihm nicht gegen seinen Willen zu nahe zu kommen.

Ayden wusste nicht mehr wo ihm der Kopf stand. Die Worte seiner Mutter rasten jeden Tag durch seinen Kopf.

Er würde es merken, wenn es soweit war.

Aber wie merkte man so etwas? Würde über der besagten Person auf einmal ein Pfeil neonrot aufleuchten und ihn unmissverständlich darauf hinweisen, dass es nun soweit war? Dass er jetzt endlich seine Suche aufgeben konnte? Dass er gefunden hatte, wonach er so lange gesucht hatte?

Da Ayden klar war, dass das aller Wahrscheinlichkeit nach nicht der Fall sein würde, entschied er sich gegen seine über Jahre aufgebaute Vernunft und stattdessen für das Gefühl in ihm, das herausfinden wollte, ob er womöglich endlich angekommen war, als er sprach:

»Bin dabei.«

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