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Kapitel 2
ОглавлениеNoch immer stand er auf dem Parkplatz im Hinterhof, die Arme um sich geschlungen, den Blick wie gelähmt auf den Asphalt der Straße gerichtet, auf der vor wenigen Minuten der Rothaarige auf seinem Motorrad ins Dunkel der Nacht verschwunden war. Das Knattern des Motorrads dröhnte noch immer in seinen Ohren. Sein Atem bildete in der kalten Luft kleine Wölkchen vor seinem Gesicht, die seine Sicht verschleierten.
Was war das? Was war hier noch vor wenigen Minuten passiert?
Nachdem er sich langsam aus seiner eigenen Umklammerung gelöst hatte, trat er den Heimweg an.
Heimweg. Bei dem Gedanken an das Wort verzog er sein Gesicht. Ein Heimweg würde ein Zuhause implizieren und das war ein Wort, das in ihm so viele ungewollte Gefühle auslöste wie kein zweites. Bevor er jedoch tiefer in diese Gedanken eintauchen konnte, schob sich das Bild eines rothaarigen jungen Mannes vor sein inneres Auge. Wie dieser dort vor ihm auf dem Tresen gelehnt und ihn nahezu unerträglich intensiv angesehen hatte.
Ihm war zu diesem Zeitpunkt sofort der Cut in seiner linken, im Kontrast zu den orangefarbenen Haaren stehenden, schwarzen Augenbraue aufgefallen, sowie die Piercings am linken Ohr. Ein schwarzer, breiter Ring an der oberen Außenseite seines Ohres und zwei schwarze, platte, kreisförmige Ohrringe. Ein größerer, direkt mittig am Ohrläppchen, und ein zweiter kleinerer etwas weiter darüber.
Nathan. Er konnte sich nicht erklären weshalb, aber ihn überkam sofort ein mulmiges Gefühl, als er an diesem Abend das erste Mal in seine haselnussbraunen Augen geblickt hatte.
Er hatte sich nicht unwohl gefühlt, aber dieser Blick war anders gewesen als alle, die er bisher mit anderen Menschen ausgetauscht hatte. Nathans Blicke war einschüchternd, aber nicht bedrohlich. Eindringlich, aber nicht unheimlich. Seine Blicke waren tief, vielsagend, lebendig. Wer ihn näher kannte, konnte wohl aus seinen Blicken lesen, so viel schienen sie sagen zu wollen.
Noch wurde er nicht schlau aus diesen Blicken, noch weniger aber aus Nathans Worten. Hatten sich die letzten Worte ihres Gesprächs gerade eben bewusst angehört wie eine Drohung? Oder kümmerte Nathan sich wirklich darum, dass er heil nach Hause kam?
An sich konnte es ihm egal sein. Er brauchte niemanden, der sich um ihn sorgte. Seit Jahren war er auf sich alleine gestellt. Und daran hatte er sich gewöhnt. Nicht, dass er je eine andere Wahl gehabt hätte. Niemand durfte Zeuge dessen werden, was er in seinem Inneren mit sich herumtrug.
Während er sich gekonnt durch die Büsche am Rande des Waldes schlängelte, sah er sich ein letztes Mal um. Er musste sichergehen, dass ihn niemand verfolgte und ihm auch die nächsten Monate keiner auf die Schliche kommen würde.
-
„Ayden, mein Liebling. Lauf!
Lauf, so schnell und so weit wie du nur kannst!
Schau nicht zurück. Ich werde immer bei dir sein.
Auch wenn ich nicht mehr neben dir sein kann,
bin ich trotzdem bei dir.
Das verspreche ich dir.
Und jetzt lauf, bitte!
Irgendwann wird es jemanden geben,
dem du dein wahres Ich zeigen kannst.
Du wirst spüren, wer und auch wann es soweit ist.
Aber bis dahin, bleib bitte sicher, auch wenn das bedeutet,
dass du nicht lange Zeit am selben Ort bleiben kannst.
Egal wo du bist, ich wache über dich.
Ich liebe dich, mein Engel.
Und jetzt renn!“
-
Die Worte seiner Mutter schnellten ihm durch den Kopf, so schlagartig und schmerzhaft wie Pistolenschüsse. Sie erwischten ihn völlig unvermittelt.
Warum jetzt? Warum hörten diese quälenden Erinnerungen und Albträume nicht endlich auf, ihn zu verfolgen? Warum konnte er nicht endlich das finden, was seine Mutter ihm vor Jahren prophezeit hatte? Warum irrte er immer noch planlos umher, warum war er immer noch so rastlos, nach all den Jahren?
Und dann setzte auch schon ein, was er vor allen Menschen verstecken musste. Der Grund, weshalb er niemanden in seinem Leben hatte und niemanden dauerhaft in sein Leben lassen konnte. Die Luft um ihn herum wurde eiskalt und färbte sich in lebhaftes Cyanblau. Ein so helles und kühles Blau wie das seiner Augen. Die zahllosen, winzig kleinen eisblauen Luftpartikel hüllten den Wald um ihn herum in ein beinahe mystisches Lichtspiel. Die Rinden und Blätter der umliegenden Bäume absorbierten das Blau und erschufen damit verschiedenste Farbnuancen, von tiefem Ultramarin bis hin zu grellem Türkis. Er spürte, wie seine Pupillen sich zu senkrecht stehenden Schlitzen verformten, seine Augen nun umrahmt von tiefschwarzen, geschwungenen Lidern. Seine Ohren verlängerten sich, zum oberen Ende hin angespitzt. Er betrachtete seine Arme, die sich wellenartig mit blauem Fell überzogen und seine Hände, welche sich in Pfoten verwandelten, eingehüllt von grauem, weichem Fell.
Ehe er sich versah, fiel er lautlos auf seine vier Pfoten und versuchte, sich schnell an die neue Höhe zu gewöhnen, die nun nur noch etwas über einen halben Meter betrug. Er konnte im Dunkeln gut sehen, was aber in diesem Augenblick nur von geringer Bedeutung war, denn durch die Verwandlung war seine Umgebung wie durch Sternenstaub in hellem Blau erleuchtet. Abseits der guten Sehkraft in der Dunkelheit war seine Sehschärfe jetzt weitaus schlechter als bei Tageslicht.
Auf seine Ohren und seine Nase war nun absolut Verlass. Obwohl er in seiner animalischen Form bedeutend besser hören und riechen konnte, hatte er auch als Mensch ein immer noch weitaus feineres Hör- und Riechorgan als andere Menschen, wenn er sich darauf konzentrierte.
Sein Erscheinungsbild war nicht das eines gewöhnlichen Fuchses, was nicht zuletzt an seiner Farbe zu erkennen war. Seine Pfoten waren mit grauem Fell überzogen, welches auf Höhe seiner Ellbogen in ein Eisblau und auf Höhe seiner Schienbeine in ein Ozeanblau überging. Die Spitze seines buschigen Schwanzes war weiß, genau wie das Fell auf und unterhalb seiner Schnauze, welches über seine Brust reichte und zwischen seinen Vorderbeinen wieder zu einem Blau überging. Seine Ohren umgab dasselbe eisblaue, geschmeidige Fell wie der Part, der von seinen Ellenbogen über seinen Rücken bis zu seinem Schwanzansatz reichte und sich von dem ozeanblauen Fell darunter stark absetzte.
Als er seine temporäre Unterkunft, genauer gesagt „seine“ Höhle, schließlich erreichte, genügte ihm ein kurzer Blick ins Innere um sich zu vergewissern, dass der Rucksack mit all seinen Besitztümern noch an Ort und Stelle war. Seine derzeitige Bleibe war eine dunkle, feuchte und modrig riechende Höhle in einem teilweise bemoosten Felsen, verhangen von Ranken aus Efeu, wodurch der Eingang versteckt im Schatten der Pflanzen lag. Das Loch reichte ein paar Meter tief in den Felsen hinein, bevor der Höhlenverlauf eine Kurve nach rechts einschlug.
Dort, am Ende der Höhle, komplett im Dunkeln, bewahrte er einen Rucksack auf. Er war gerade so groß, dass er ihn als Fuchs mit sich tragen konnte. Geformt wie zwei Taschen, die man normalerweise an den Seiten des Gepäckträgers eines Fahrrads befestigte. Damit war es ihm möglich, sich den Rucksack über den Rücken zu schnallen, während die Taschen an seinen Seiten herunterbaumeln würden, nur verbunden durch ein flaches Stück Stoff auf seinem Rücken. Er konnte die Taschen aber auch so auseinander- und wieder zusammenbauen, dass sie sich übereinander gestapelt in seiner Menschengestalt wie ein zweiteiliger Rucksack tragen ließen.
In diesem befanden sich seine Papiere, die nötigsten Kleidungsstücke - der Länge nach aufgerollt, um sie platzsparend zu verstauen -, eine Notfallration an Dosen mit dazugehörigem Besteck und die gängigen Hygieneartikel, falls es ihm auf seinen Reisen über einen längeren Zeitraum nicht möglich war, sich zu verwandeln. Oder auch einfach, um sich unter Menschen begeben zu können, die ihm nicht sofort ansehen sollten, dass er in den Wäldern in Höhlen lebte wie ein Neandertaler.
Nachdem er sich vergewissert hatte, dass sein Hab und Gut noch sicher war, schlich er zum Eingang seiner Höhle, drehte sich ein paar Mal um die eigene Achse und ließ seinen Fuchskörper daraufhin sanft auf die dünne Blätterdecke unter sich sacken. Er kringelte sich zu einer Kugel zusammen, alle vier Beine nah an sich herangezogen und den schneeweißen, buschigen Schwanz schützend um sich gelegt. Er schloss seine Augen und merkte erst jetzt, dass er am ganzen Körper zitterte, zusammengekauert auf dem kalten Waldboden.
Zu lange war er schon auf diese Weise unterwegs. Ohne Konstante in seinem Leben, ohne dauerhafte Bleibe. Auch wenn er all seinen Bedürfnissen in seiner Fuchsgestalt nachkommen konnte und daher nicht zwingend eine Wohnung oder ein Haus brauchte, fehlte ihm ab und zu das wohlige Gefühl eines richtigen Heims. Eines Ortes, an den er zurückkehren und sich einfach fallen lassen konnte. Stattdessen blieb er immer nur wenige Monate in derselben Stadt, um kurz darauf wieder das Weite zu suchen, wenn er drohte aufzufallen oder zu enge Bekanntschaften aufzubauen.
Es war nicht so, als würde er keine Freunde finden wollen. Er wollte nichts lieber als ein paar vereinzelte Menschen um sich herum, mit denen er eine schöne Zeit haben konnte. Aber es gab immer diesen einen Punkt, an dem es für ihn nicht weiterging. Der Punkt, an dem genau diese Menschen misstrauisch wurden. Wissen wollten, wo er wohnte, wie er wohnte, woher er kam. Er konnte es diesen Menschen nie verübeln, wissen zu wollen, mit wem sie es eigentlich zu tun hatten. Vielmehr hatte er jedes Mal das Verlangen, ihnen alles zu erzählen. Endlich jemandem sein Herz auszuschütten. Aber dann erinnerte er sich an seine Mutter. Daran, dass er niemandem sein wahres Ich zeigen sollte, außer dieser einen Person. Und das waren die Momente, in denen er sich schweren Herzens seinen Rucksack umschnallte und sich auf den Weg in die nächste Stadt machte, bevor ihn das Gefühl, endlich irgendwo dazugehören zu wollen, drohte von Innen heraus aufzufressen.
Weshalb er sich nicht einfach einen festen Job suchte und eine vernünftige Wohnung bezahlte? Würde das nicht all seine Probleme lösen? Versucht hatte er es. Und wie sehr er es auch wollte, es funktionierte nicht. Jedes Mal hatte er Probleme mit seinen Kräften. Seine Verwandlungen konnte er einigermaßen kontrollieren, aber seine geringe Körpertemperatur und die Kraft, das Element Eis als Hilfe oder gar Waffe einzusetzen, hatte ihn schon öfter in ausweglose Situationen gebracht. Ein kleiner Nebenjob, wie der in einer Bar, war für ihn weitaus einfacher und länger händelbar als ein Vollzeitjob. Er hatte einfach nicht genug Einfluss auf seinen eigenen Körper, um seine Kräfte über Stunden so gut im Zaum zu halten, dass niemand misstrauisch werden würde. Da er dadurch aber natürlich auch weniger verdiente, gerade so viel, dass es für seine Bedürfnisse reichte, war eine Wohnung absolut undenkbar.
Die einzige Hoffnung, an die er sich klammerte, waren die Worte seiner Mutter. Mit einem leisen Grummeln, das mehr einem Seufzer glich, kauerte er sich noch weiter zusammen und versuchte, das Zittern, das seinen ganzen Körper bis auf die Knochen bedrohlich vibrieren ließ, weitestgehend zu ignorieren. Sein letzter Gedanke, bevor ihn der Schlaf endgültig überkam, ging an den spitzbübisch lächelnden Rothaarigen, welcher ihn am Parkplatz vor der Jagdsaison gewarnt hatte, bevor er ins Dunkel der Nacht verschwunden war.
•
Das Zwitschern der zahlreichen Vögel um ihn herum weckte Ayden aus seinem Schlaf. Er spürte die ersten schwachen Sonnenstrahlen auf sich, die sich ihren Weg durch die Baumkronen kämpften und damit allmählich sein dichtes Fell erwärmten. Seine dritte Nacht in der neuen Umgebung hatte er überstanden. An neue Gegenden gewöhnte er sich schnell, eine andere Wahl blieb ihm auch nicht. Alles, was wichtig war, war eine Wasserquelle in der Nähe, um zu trinken und sich und seine Kleidung waschen zu können. Seine Kleidung. Augenblicklich wurde ihm bewusst, dass er seine Hose, das weiße Hemd und die schwarze, taillierte Weste, welche er immer in der Bar trug, nach seiner Verwandlung am Waldrand liegen gelassen hatte. Aydens Fuchsgestalt schnellte in die Höhe. Noch nicht ganz wach, kniff er die Augen zusammen, sah sich um und schnupperte gleichzeitig in die Luft.
Gefolgt war ihm auch in dieser Nacht niemand. Es mischte sich kein fremder Geruch unter die vertrauten Aromen des Waldes. Es roch nach Harz, nasser Erde und Moos. Durch Letzteres versuchten sich die zahlreichen Blumen ihren Weg an die Oberfläche zu erkämpfen, um ein paar Sonnenstrahlen zu ergattern. Er atmete tief durch seine schwarze, leicht feuchte Nase ein, streckte seine Vorderbeine vor sich aus, krallte sich in den Boden und senkte seinen Kopf zwischen seinen Vorderbeinen ab. Unter seinen Pfoten raschelten die Blätter, auf denen er die Nacht über geschlafen hatte. Die eingeatmete Luft stieß er nun mit einem tiefen Seufzen aus, was eher einem Winseln gleichkam, während er seine Hinterbeine und damit seinen Hintern nach oben und den Rücken tief nach unten durchstreckte. Er zog seine Lefzen gen Himmel und versuchte gar nicht erst, sein Gähnen zu unterdrücken, während er sein Gewicht auf seine Vorderbeine verlagerte und seine Schnauze in die Höhe ragen ließ.
Nachdem er sich einmal ausgiebig geschüttelt und sein Fell von den Blättern befreit hatte, machte er sich auf den Weg zu seinen zurückgelassenen Kleidungsstücken. Mit leisen, aber eiligen Schritten huschte er durch das Dickicht des Waldes. Vorbei an kleinen, verwilderten Tümpeln, hinweg über umgefallene, bemooste Baumstämme.
Die morgendlichen Sonnenstrahlen verbreiteten eine einzigartige und friedvolle Stimmung im Wald. Ayden begegnete keinen wilden Tieren, egal wo er war. Er selbst wurde nicht als Wildtier von ihnen wahrgenommen. Er war weder Tier noch Mensch, das war sowohl ihm, als auch den Tieren um ihn herum bewusst. Mit domestizierten Haustieren konnte er dafür recht gut kommunizieren, denn diese waren an den Menschen gewöhnt und freuten sich noch mehr darüber, dass er ihre tierischen Bedürfnisse so gut wahrnehmen und verstehen konnte. Das machte sein Leben allerdings noch einsamer, als es sowieso schon war. Ein Haustier konnte er nicht in der freien Wildbahn halten und die wilden Tiere hielten Abstand zu ihm.
Mit gesenktem Kopf und hängenden Schultern schnellte er durch den dichten Wald, sprang so mühelos über Zweige und Baumstümpfe, als würde er fliegen, nur um alle paar Meter zu pausieren und sich geduckt nach Spaziergängern oder Pilzsammlern umzusehen. Er konnte diese unangenehmen Zwischenfälle zwar zum Glück an einer Hand abzählen, aber auch das war schon zu viel. Je mehr Menschen einen so farblich auffälligen und ein - verglichen mit normalen Füchsen - ungewöhnlich großes Exemplar mit sehr langen spitzen Ohren und eisblauen Augen in den Wäldern erblickten, desto größer wurde die Bedrohung für ihn. Schließlich ging es hier immer noch um Menschen. Wenn es etwas gab, was für Menschen in kein Muster oder eine Schublade passte, wurde es weder in Ruhe gelassen, noch geschützt. Stattdessen würde versucht werden, dieses Etwas zu jagen, einzusperren, auszubeuten und zu vermehren, bis auch der Letzte von ihnen seinen Profit daraus gezogen hatte, nur um es letztlich zu töten, wenn sein Soll erfüllt war.
Schließlich hatte er sein Ziel erreicht. Seine Kleidung lag noch an derselben Stelle auf dem feuchten Waldboden, an welcher er sich letzte Nacht verwandelt hatte. Er öffnete seine Schnauze und nahm die Stoffe behutsam zwischen seine Kiefer. Ein letztes Mal sah er sich um und drehte sich zwischenzeitlich lautlos um seine eigene Achse, bevor er das Tempo aufnahm und sich mit schnellen Schritten rasch zurück zu seiner Höhle navigierte.
Dort angekommen verwandelte er sich in seine menschliche Form, zog sich eine schwarze, eng anliegende Jeans an, warf sich einen petrolfarbenen Pullover über und machte sich auf den Weg zur nahegelegenen Quelle. Er wusch seine Arbeitskleidung gründlich im kristallklaren Wasser, wrang sie aus und nahm sie wieder mit zurück zu seiner Höhle, in der er sie an hervorstehenden Felskanten zum Trocknen aufhing. Daraufhin teilte er seine Haardecke von den darunter liegenden ab und band sie zu einem kleinen Zopf zusammen. Gerade, als er den Haargummi das letzte Mal drehte und über die Haare stülpte, fing sein Magen an besorgniserregend laut zu knurren. Seine linke Hand fasste reflexartig an seinen Bauch, während er sich mit seiner rechten an der kalten Höhlenwand abstützte.
Seine letzte richtige Mahlzeit war schon viel zu lange her. An sich konnte er in seiner Fuchsform gut jagen und der Erfolg war dabei geradezu garantiert, allerdings offenbarten sich auch hier Probleme. Neben der Tatsache, dass er durch den rauschartigen Zustand, den er bei der Jagd empfand, seine Umgebung vernachlässigte und dadurch eine Begegnung mit Menschen zu spät bemerkte, machte ihm die Jagd keinen Spaß. Im Gegenteil. Er verabscheute das Gefühl, einem anderen Tier Todesangst einzujagen, es zu verfolgen und in die Enge zu treiben, bis es unter seinem eisernen Biss aufhörte, sich zu wehren. Er hasste die Emotionen, die ihn überkamen, sobald er aus seiner Trance erwachte und feststellte, dass all das Leben in dem Tier zwischen seinen Fangzähnen, das vor einigen Sekunden noch quietschlebendig durch den Wald gesprungen war, plötzlich nicht mehr existierte.
Allein aus diesem Grund brauchte er Geld, um sich Nahrung zu kaufen, die ihn sättigte. Der ernährungstechnische Vorteil an seinem Hybrid-Dasein war jedoch, dass er nicht so oft essen musste. Er kam länger ohne Verpflegung aus als ein gewöhnlicher Mensch. Aber heute war es wieder soweit. Er zog sich seine alten, braunen Stiefel an, die jeden Moment drohten in ihre Einzelteile zu zerfallen, streckte sich ein letztes Mal mit den Handflächen seiner verflochtenen Finger gen Himmel und trat seinen Weg in den nächsten Ort an.