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Kapitel 1

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Seine Augen wanderten achtsam durch den nebelverhangenen Raum, als wären sie auf der Suche nach etwas. Nach jemandem. Als Nathans Blick schließlich den des anderen kreuzte, konnte er dessen Unsicherheit regelrecht in seinen eigenen Knochen spüren, zusammen mit einem Gefühl, das er zuerst nicht zuordnen konnte, welches ihm später aber einen Schrecken durch den ganzen Körper jagen würde.

Die Bar, in welcher Nathan in diesem Moment saß, befand sich an einem Waldrand, in der Nähe einer kleinen Vorstadt. Obwohl durch die Lage nur wenige neue Gäste ihren Weg in die Kneipe fanden, war sie stets gut besucht. Die Besitzerin der Bar, Shadow, war Nathans beste Freundin und die Bar zentraler Angelpunkt ihres gemeinsamen Freundeskreises.

Die meisten Gesichter kannte man aus den umliegenden Orten, wodurch neue darunter umso mehr auffielen. Und so war es an sich keine Überraschung, dass der Junge mit den silbrig weißen Haaren Nathan sofort ins Auge sprang. Shadow hatte zwar erwähnt, dass sie nach Verstärkung in der Bar suchen würde, aber nicht, dass sie scheinbar sofort jemanden gefunden hatte. Und vor allem nicht, wen sie gefunden hatte.

Der Neue sprach in diesem Moment, während er ein Glas abtrocknend hinter dem Tresen stand, mit Shadow. Dabei wirkte der Unbekannte weder besonders gesprächig, noch hatte man das Gefühl, dass ihm die Unterhaltung unangenehm war. Stattdessen antwortete er knapp aber freundlich, fast schon so, als würde er absichtlich unscheinbar wirken wollen. Aber genau das erweckte Nathans Aufmerksamkeit.

Es war Nathan schlicht unmöglich seinen Blick abzuwenden, während er leicht nach vorne gelehnt auf dem grauen Ledersofa im Dunkeln saß, seine Ellenbogen auf seinen Knien abgestützt. Mit zur Seite gekipptem Kopf betrachtete er die Szene, die sich vor ihm abspielte. Obwohl die Geräuschkulisse in der Bar beinahe ohrenbetäubend laut war und sich immer wieder das tanzende und torkelnde Partyvolk vor sein Blickfeld schob, gelang es ihm, das Gespräch zwischen dem Unbekannten und Shadow mitzuverfolgen.

»Du arbeitest wirklich schnell und ordentlich dafür, dass es erst dein zweiter Tag hier ist! Wirklich gute Arbeit!«, lobte Shadow ihren neuen Mann im Team mit einem energischen Tätscheln auf die Schulter. Sie trug ein schwarzes Kleid mit Perlenkragen und eine Schürze um die Hüfte, an der sie sich zuvor ihre vom Abwaschen nassen Hände abgetrocknet hatte.

»Vielen Dank, ich werd auf jeden Fall weiterhin mein Bestes geben«, entgegnete der Neue mit leicht geröteten Wangen, scheinbar peinlich berührt von den lobenden Worten.

»Echt ein glücklicher Zufall, dass du gerade dann aufgetaucht bist, als ich darüber nachgedacht habe, einen Barkeeper einzustellen!«, bekräftigte sie lachend, während sie sich mit einem Unterarm auf den Tresen stützte.

»Da hab ich wohl Glück gehabt. Hat mir auch erspart, mich noch länger nach einem Job umsehen zu müssen«, bemerkte der Grauhaarige mit einem kaum merklichen Lächeln auf den Lippen, während er behutsam das Glas in seinen Händen mit einem roten Geschirrtuch abtrocknete, als könnte es jede Sekunde in seinen Händen zerbrechen.

»Das nenn ich dann mal eine Win-Win-Situation!«, rief Shadow fröhlich, bevor sie sich abwendete, um ihre Aufmerksamkeit einem Gast zu widmen, der sich gerade auf einem Barhocker niederließ. Nathan legte sein Hauptaugenmerk daraufhin wieder auf den Fremden. Im selben Moment trafen sich ihre Blicke erneut, was Nathan dazu veranlasste, aufzustehen und den Bartresen anzusteuern.

Auf seinem Weg zum Tresen, obwohl dieser nur ein paar Meter betrug, konnte er die steigende Verunsicherung in seinem Gegenüber wahrnehmen als wäre sie greifbar. Die Musik dröhnte durch die Boxen an den restaurierten, steinernen Wänden von allen Seiten auf ihn zu. Die verschiedenfarbigen Lichter, welche durch den sonst dunklen Raum tanzten, erhellten hin und wieder das dunkle Parkett. Körper schmiegten sich aneinander, bewegten sich ausgelassen in der Menge, mehr oder weniger zum Rhythmus der Musik.

Anders als in den meisten Bars oder Clubs lag hier alles auf einer Ebene, es gab keine Erhöhungen oder gar eine Bühne. Da das Gebäude L-förmig gebaut war, diente die Wand, welche dann zum etwas schmäleren, kürzeren und auch ruhigeren Teil des Gebäudes führte, als kleine Abtrennung.

Um die Ecke befanden sich ein paar Spielautomaten, Billard-Tische und der Zugang zu den Toiletten. Sitzgelegenheiten in Form von Sofas und Sesseln waren an den Seiten des Raumes verteilt, um die Mitte den Tanzenden zu überlassen.

Das Sofa, auf dem Nathan eben noch gesessen hatte, stand mit der Rückenlehne zur Wand, links davon die Spielautomaten und die Toiletten, rechts davon der Bartresen und geradeaus der Haupteingang, durch den man vom Sofa aus direkt auf die Veranda blicken konnte, auf der sich die Leute versammelten, die entweder rauchen, ungestört sprechen oder ihren berauschten Köpfen etwas Frischluft gönnen wollten.

Die paar Schritte zum Tresen zogen sich wie Kaugummi. Die Person dahinter schien immer unruhiger zu werden, während sie verzweifelt versuchte, Nathans durchbohrenden Blick nicht zu erwidern.

»Hey, du musst der Neue sein, richtig? Ich bin Nathan, aber du kannst mich gerne Nate nennen! Freut mich, dich kennenzulernen!«, stellte sich der nun am Tresen Angekommene mit einem breiten Lächeln auf seinem Gesicht vor. »Magst du mir ein alkoholfreies Bier reichen?«, fragte Nathan den neuen Barkeeper, während er sich zu ihm vorlehnte, sein Blick weiterhin auf ihm ruhend. Es kam Nathan so vor, als würde sich sein Gegenüber regelrecht unter seinem Blick winden, während er wortlos nickte und in die Hocke ging, um das Bier aus dem Kühlschrank unterhalb des Tresens hervorzuholen.

Nathan stand an der Bar, den Ellenbogen auf dem Tresen abgestützt, während sein Kinn auf seiner Faust ruhte. Er wippte mit seinem Bein zur Musik, als er die nun wieder ruhigen und bedachten Bewegungen seines Gegenübers verfolgte und ihn dabei gründlich musterte. In diesen Sekunden, die sich anfühlten wie eine Ewigkeit, schenkte Nathan ihm seine ungeteilte Aufmerksamkeit. Seine weiß-grau gesträhnten Haare, welche das faszinierende Farbenspiel der Stroboskoplichter fast schon hypnotisierend reflektierten, gingen ihm etwas über die Schultern, der Scheitel weiter rechts als mittig, die obere Partie der Haare zu einem kleinen Zopf am Hinterkopf zusammengebunden. Ein paar Haare, die zu kurz waren, um im Haargummi Halt zu finden, fielen heraus und umrahmten sein Gesicht wie ein Gemälde. Obwohl er versuchte, sie sich aus dem Gesicht zu pusten, fielen sie ihm direkt wieder über die Stirn. Seine Haut war blass und makellos wie seine Lippen, die Nase kurz und spitz. Die gräulichen Augenbrauen schmal und filigran geschwungen, seine Wimpern hingegen tiefschwarz, lang und voll. Gerade als Nathan drohte, in einen tranceartigen Zustand zu verfallen, riss ihn eine Stimme aus seinen Gedanken, die überraschend tief, aber dennoch wahnsinnig sanft und zart klang.

»Hier, bitteschön«, hörte Nathan den Barkeeper sagen, während dieser ihm das Bier mit einer Hand reichte, ohne ihn dabei anzusehen.

»Danke!«, entgegnete Nathan und streckte seine Hand nach dem Bier aus.

»Darf es sonst noch-«, wollte der Grauhaarige gerade zur Frage ansetzen, als Nathan ihn mit einem Ausruf unterbrach.

»Woah! Du bist ja eiskalt!« lachte er laut, nachdem sich ihre Finger beim Annehmen des Bieres für eine Millisekunde leicht gestreift hatten. In diesem Moment erwiderte der hinter der Bar Stehende endlich seinen Blick, was Nathan allerdings fast zum Taumeln brachte. Ein stechendes, eisblaues Augenpaar starrte Nathan schockiert an, die Pupillen geweitet und die Augen so weit aufgerissen, als würde er seinem schlimmsten Albtraum geradewegs in die Augen blicken.

In diesem Moment durchfuhr es Nathan wie ein Feuerstoß. Nun wusste er, woher er diese eisblauen Augen kannte. Das weiß-graue Haar, die blasse Haut, die Kälte, die von dem bisher unbekannt Geglaubten abstrahlte.

Eine Welle aus unerträglicher Hitze durchfuhr Nathans Körper. Seine Venen fühlten sich an, als würden sie jeden Augenblick unter dem steigenden Druck zerbersten und seine Fingerspitzen kribbelten unaufhörlich. Die Glasflasche in seiner Hand erwärmte sich schlagartig und ehe er sich versah, warf er das Geld dafür hastig auf den Tresen vor sich, bedankte sich nochmals und schlängelte sich blitzartig durch die ausgelassen tanzende Menge dem Ausgang entgegen, ohne sich noch einmal umzusehen.

Auch nach Stunden, in denen Nathan im Hinterhof der Bar an sein mattschwarz foliertes Motorrad gelehnt stand, den Kopf in den Nacken gelegt, konnte er keinen klaren Gedanken fassen. Die Hitze in seinem Körper schien sich nicht zu regulieren und die Bierflasche, welche er die ganze Zeit über nervös zwischen seinen Händen drehte, war im Augenblick das Einzige, an das er sich klammern konnte, um sich irgendwie im Zaum zu halten und seinen Verstand nicht zu verlieren.

Es fühlte sich an, als würde sein dunkles T-Shirt auf seiner Haut verbrennen und zu Asche zerfallen. Die olivfarbene Lederjacke, die er darüber trug, machte die Hitze, die sich darunter aufstaute, nahezu unerträglich. Erneut fuhr Nathan sich mit seinen langen Fingern durch seine orangefarbenen, zerzausten Haare, die ihm sofort wieder zurück ins Gesicht fielen. Er seufzte und schüttelte seinen Kopf, wodurch seine Haare nun seine rechte Gesichtshälfte verdeckten.

Nathan hatte schon im Alter von zwölf Jahren aufgegeben, seine Haare irgendwie zu bändigen, was aber allem Anschein nach auch niemanden störte. Von anderen erntete er immer wieder Komplimente für seine Frisur, und die Fragen, wie er diesen „gewollt wilden Look“ hinbekam, konnte er nicht beantworten, weil er es nicht einmal versuchte. Beschreiben könnte man seine Frisur als irgendetwas zwischen „gerade aufgestanden“ und „eine Stunde versucht, die Haare voluminös in alle möglichen Richtungen zu verteilen und mit Haarspray zu betonieren, um danach allen zu sagen, dass man direkt nach dem Aufstehen immer so aussähe“. Nur traf das bei Nathan auch wirklich zu. Wenigstens verdeckten ein paar Haarsträhnen gerade so seine Augen, dass niemand auf dem Hinterhof das Flackern sehen konnte, das in ihnen aufleuchtete. Während er auf das Etikett auf der Flasche in seinen Händen starrte, schwirrten die Gedankenfetzen weiter durch seinen Kopf.

Konnte es denn wirklich sein, dass er gerade hier auf ihn traf? Gab es derartige Zufälle überhaupt? Was tat er hier? Wie lange war er schon hier? Und die weitaus wichtigere Frage, die Nathan sich seit Stunden stellte, war: Hatte er ihn erkannt?

Dass der blasse junge Mann mit den geradezu cyanfarbenen Augen sich in Nathans Gegenwart nicht wohlzufühlen schien, hatte Nathan zweifellos bemerkt. Die Frage, ob er Nathan erkannt hatte, konnte damit aber nicht eindeutig beantwortet werden. Denn wenn er Nathan wirklich als die Person, die er war, wahrgenommen hätte, wäre er keinesfalls so ruhig geblieben. Auch wenn der Neue Nathan wohl oder übel nicht wiedererkannt hatte, war auch ihm die Spannung zwischen ihnen sicher nicht entgangen.

Nathan schlenderte nun in Richtung der Mülltonnen, um seine Bierflasche darin zu entsorgen. Erst jetzt realisierte er, dass sich der Parkplatz im Hinterhof langsam aber sicher leerte. Aus den sich lauthals verabschiedenden Menschenmengen, welche nun vermehrt auf den Hinterhof strömten, konnte er schließen, dass die Barbesitzerin Shadow den Feierabend eingeläutet hatte. Die Grüppchen auf dem Parkplatz lösten sich langsam auf und folgten ihren jeweiligen Mitfahrgelegenheiten zu deren Autos. Auch ihm winkte eine Gruppe, bestehend aus vier jungen Frauen, jede davon kaum älter als 18, auf dem Weg zu ihrem Auto zu. Er hob seine Hand leicht an und winkte kurz mit einem schiefen Lächeln zurück, was die Damen dazu veranlasste, die Köpfe zusammenzustecken und zu kichern, woraufhin auch Nathan leicht schmunzelnd den Kopf schütteln musste.

Die letzten Motorengeräusche verstummten langsam in der Ferne und Nathan sah gerade wieder zum klaren Sternenhimmel hinauf, als das schwache Licht im Gebäude hinter ihm gelöscht wurde. Inzwischen wieder an sein Motorrad, welches direkt an der Hauswand stand, gelehnt, die Hände in den Hosentaschen vergraben, wartete er auf nur eine Person.

Ihm war durchaus bewusst, wie das für Außenstehende aussehen musste und das Letzte, was er wollte, war es, dem anderen Angst einzuflößen. Aber Nathan musste um jeden Preis herausfinden, ob der Neue ihn erkannte, ohne ihm zu offenbaren, wer er wirklich war.

Plötzlich tauchte in Nathans rechtem Augenwinkel eine Gestalt auf, welche so leise am Zaun entlang huschte, als würde sie schleichen. Der Zaun, welcher aus senkrechten Gittern bestand, reichte vom Eingang der Bar zum Tor des Hinterhofs und war mit Büschen und Ranken bepflanzt, welche sich an den Stäben empor kämpften. Der mit rotem Fischgrätenmuster gepflasterte Hinterhof war nur verschwindend gering ausgeleuchtet, weshalb dem die Mülltonnen Ansteuernden nicht auffiel, dass Nathan in unmittelbarer Umgebung zu den Tonnen stand. Die nächstgelegene Laterne befand sich an der Hauswand, da Nathan aber nicht mehr in ihrem Lichtkegel stand, war es unmöglich, ihn zu bemerken. Deshalb wunderte es Nathan noch mehr, dass sein Gegenüber keine ihm ersichtliche Reaktion zeigte, als er aus dem Dunkel heraus in den hellen Schein der Laterne trat wie ins Rampenlicht und ihn ansprach.

»Du bist der Letzte, nicht wahr?«, fragte Nathan und konnte im selben Moment nicht glauben, dass er diese Frage wirklich gestellt hatte.

Der nun merklich kleinere Mann neben ihm drehte den Kopf in Nathans Richtung, im selben Moment wohl erst seine Größe realisierend. Nathans Gegenüber hob den Kopf und sah ihm mit hochgezogener Augenbraue misstrauisch in die Augen.

»Der letzte was? Um abzuschließen? Ja, scheint so«, entgegnete er mit einem leicht gereizten Unterton und war schon dabei, sich von Nathan abzuwenden.

»Das ist nicht das, worauf ich hinauswill.« Nathans Stimmlage änderte sich schlagartig. Er klang bestimmt, fast schon streng, als er einen Schritt auf seinen Gesprächspartner zumachte.

Sein Gegenüber seufzte und sah ihm über die Schulter hinweg nun wieder in die Augen. Diesmal hielt er Nathans Blick stand, als er sprach: »Ich weiß nicht, worauf du hinauswillst, aber würde es dir was ausmachen, den Parkplatz zügig zu verlassen? Ich muss das Tor schließen.«

Nathan sah sich auf dem Parkplatz um, wodurch ihm jetzt erst auffiel, dass sein Motorrad der letzte verbleibende fahrbare Untersatz war. Kein anderes Motorrad, Fahrrad oder Auto war in Sichtweite.

Womit fuhr er nach Hause? Wo wohnte er? Würde er gleich abgeholt werden? Ein Taxi vielleicht?

Bevor sich die Rätsel in Nathans Kopf häufen konnten, kam ihm seine nächste Frage genauso schnell über die Lippen, wie jene, mit der er das Gespräch begonnen hatte.

»Soll ich dich dann vielleicht nach Hause fahren?«

Die eisblauen Augen, welche im Begriff waren, sich von seinen zu lösen, weiteten sich und das prägnante Stirnrunzeln hinterließ einen fragenden, fast schon besorgten Ausdruck auf dem Gesicht des anderen.

»Kein Bedarf, ich wohn eh um die Ecke!«, erwiderte der neue Barkeeper hastig aber bestimmt, und wedelte ablehnend mit den Händen.

»Um die Ecke? Wir sind hier doch mitten im Nirgendwo?«, antwortete Nathan, während er sich ahnungslos umsah, seine Arme leicht angewinkelt, mit den Handflächen zum Himmel zeigend. »Das nächste Dorf ist doch mindestens 'ne halbe Stunde Fußweg entfernt.« Als Nathan seinen Blick daraufhin wieder auf dem blassen Gesicht des jungen Mannes ruhen ließ, stand dieser mit verschränkten Armen vor ihm, während er sich unruhig umschaute.

»Ach egal, vergiss es. Ich komm klar, danke.«

Nathan konnte ein verschmitztes Lächeln nicht unterdrücken. Da er sich nun beinahe sicher war, dass der Grauhaarige ihn nicht wiedererkannte, sondern sich nur aufgrund seiner Direktheit so unwohl fühlte, wollte er es dabei belassen und wählte seine letzten Worte vor der Abfahrt mit Bedacht.

»Alles klar, dann sei vorsichtig auf dem Weg nach Hause. Es ist immerhin Jagdsaison, es wär also besser, wenn du nicht zu lange alleine draußen unterwegs bist. Nicht, dass dich noch jemand mit einem Wildtier verwechselt. Also, bis dann!« Noch während Nathan sich winkend umdrehte, um auf sein Motorrad zu steigen, konnte er die Person neben sich nahezu versteinern sehen. Die kurze Zeit über, in der er sich seinen Helm aufzog, sich auf sein Motorrad schwang und zur Abfahrt ansetzte, beobachtete er den anderen aus dem Augenwinkel genau. Er bewegte sich keinen Zentimeter, sondern starrte Nathan mit leeren Augen an. Der Mund leicht geöffnet und die Augen aufgerissen, bohrten sich die Finger des jungen Mannes in den jeweils gegenüberliegenden Oberarm der vor seiner Brust verschränkten Arme, als wäre ihm gerade seine verbleibende Lebenszeit offenbart worden.

Wusste er es nun doch? Hatten sich seine Erinnerungen zurück in sein Bewusstsein gekämpft? Hatte Nathan all das aufgewühlt, was bisher unberührt tief in ihm verborgen gelegen war? Oder war er einfach grundsätzlich so ängstlich und misstrauisch?

Nathan war bewusst, dass er sich mehr hätte zurückhalten können. Andererseits hatte ihn der Anblick des neuen Barkeepers wahrhaftig kalt erwischt. Niemals hätte er gedacht, ihn anzutreffen.

Ihn hier anzutreffen.

Ausgerechnet hier.

In ihrem Revier.

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