Читать книгу Die Musenfalle - Nora Miedler - Страница 12
Lilly, 17:00
ОглавлениеUm fünf war es stockfinster. Ich hatte mir auf dem Nachhauseweg ein halbes Grillhuhn gekauft, das ich nun in der Mikrowelle wärmte. Dazu aß ich Chips aus der Tüte und sah mir Sitcoms an. Das würzige Essen trocknete mich aus, mein Gaumen fühlte sich so an, wie ich mir eine Mondkraterlandschaft vorstellte – öde, rissig und angestaubt. Doch keine zehn Raumfahrer hätten mich dazu gebracht, aufzustehen und mir ein Glas Wasser zu holen. Ich war satt, rund und träge, ich würde nie wieder aufstehen.
Irgendwann kam Flo nach Hause, den neuerdings unvermeidbaren Phil im Schlepptau. Im Liegen berichtete ich ihnen von meinem Vormittag. Wenigstens erntete ich ein paar Lacher für die Kostümgeschichte.
Kaum hatten sich die beiden zu einem romantischen Abendessen in die Küche verzupft, mit Kerzen und Austern, bla, bla, bla, kam Britta mich stören. Sie blieb neben dem Sofa stehen, beäugte das Hendlgerippe, in dem die leere Chipstüte steckte, und sagte: »Ich hoffe, es hat gemundet.«
Ich rülpste, so laut ich konnte. »Nachdem ich ab morgen diätieren muss, hab ich’s mir heute noch mal gut gehen lassen.«
»Du solltest keine Diät halten, sondern Sport treiben, das wäre wesentlich gesünder und sinnvoller.«
Bla, bla, bla.
»Hast du denn deinen Vertrag unterschrieben?«
Ich leckte mir das Salz von den Fingern. »Mit Tinte und Schweiß.«
»Und wann fängst du an?«
»Liebäugelst du jetzt mit meiner Branche? Gibst du die Pharmazie auf oder willst du dir nur was zum Studium dazuverdienen?«
Sie runzelte die Stirn. »Was, denkst du, mache ich jeden Vormittag im Büro? Ich verdiene mir seit sechs Jahren etwas dazu.« Sie schüttelte den Kopf. »Möchtest du den Teller nicht hinaustragen? Das Ding da drauf riecht.«
»Na, ich hoffe doch, dass es riecht. Es ist Essen.«
»Essen sollte nicht riechen.« Damit stolzierte sie mit ihrem viel zu mickrigen Hintern und den Strohhalmbeinen aus dem Zimmer – während ich mich mit prall gefülltem Wanst auf dem Sofa aalte und innerlich immer unrunder wurde. Es frustrierte mich, dass Flo schon wieder anderweitig besetzt war, ich wollte endlich meinen Triumph begießen. So aber blieb mir nichts übrig, als mich irgendwann doch aufzurappeln und mich nach zwei Gläsern Wasser in mein Zimmer zu schleichen, um mir wieder einen einsamen Joint zu drehen. Und dann einen zweiten, noch einsameren. Beim dritten fühlte ich mich nicht mehr einsam. Okay, ich geb’s zu, als mein Handy klingelte, war ich ordentlich bedient.
»Ja?«
Schweigen am anderen Ende. Oh ja, Schweigen tat gut, wieso war ich überhaupt rangegangen, ich war so müde.
»Lilly, hier ist Alexander Strehl.«
»Oh.«
»Ich hoffe, ich störe Sie nicht zu so später Stunde?«
»Nein … nein.« Ich lachte, das Lachen klappte hervorragend, nur das Reden fiel mir schwer.
»Das freut mich. Ich würde Sie gerne wiedersehen …«
»Oh ja, ja gern.« Was redete der da? Was redete ich da?
»Sagen wir morgen Abend? Ich gebe Ihnen die Adresse.«
Immerhin war ich geistesgegenwärtig genug, einen Stift zur Hand zu nehmen. Böhmgasse 1, schrieb ich auf die Rechnung von meinem Zeitungsabonnement. Und: 20 Uhr.
Keine Ahnung, wie das Gespräch endete, ich hoffe, nicht mit einer Peinlichkeit meinerseits, wobei das rückblickend eigentlich auch egal wäre.
Irgendwann klopfte es an meiner Tür. Ich reagierte nicht, wollte meine Ruhe haben. Ich schaffte es gerade noch, zu denken, dass ich hoffentlich keinen Brand gelegt hatte, dann war ich weg. Die einzige Droge, die ich brauchte, war Schlaf.