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(1) Bedürfnisbeeinträchtigungen

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Bei der Klassifikation von Bedürfnissen wird gemeinhin zwischen physiologischen und psychischen Bedürfnissen unterschieden.

Eine solche Unterteilung findet sich u. a. sowohl in der humanistischen Psychologie von Maslow als auch in der Motivationstheorie in Form einer Handlungstheorie.

Ohne hier die Frage beantworten zu wollen, welche psychischen Bedürfnisse es im Einzelnen gibt, seien beispielhaft einige benannt, die von Dritten beeinträchtigt werden können:

 Herr Schmitz ist gekränkt darüber, dass sein Arbeitskollege ihn morgens nicht begrüßt (Missachtung) (a)

 Frau Weiner „tut es weh“, dass ihr Mann immer so barsch mit ihr redet (mangelnde Zuneigung) (b)

Im Rahmen eines Gordonschen partnerschaftlichen Beziehungskonzepts, dem das hier vorliegende Konfliktmodell zugrunde liegt, spielen derartige Deprivationen keine Rolle, da es bei Gordon um Beeinträchtigungen im Sinne von konkreten, d. h. objektiv wahrnehmbaren, und spürbaren negativen Folgen geht. Werden die vorgenannten Beeinträchtigungen im Gordon-Konzept auch nicht unter Bedürfnisbeeinträchtigungen eingeordnet, so lassen sie sich jedoch im Sinne von Wertbeeinträchtigungen interpretieren:

- Arbeitskollegen haben sich morgens zu grüßen. (a)

- Man sollte wertschätzend miteinander umgehen. (b)

In diesem Sinne können die genannten unannehmbaren Verhaltensweisen zum Gegenstand der Lösung von Wertkonflikten gemacht werden.

Was sind nun spürbare Beeinträchtigungen, die ja von Bedeutung für die Gordonsche Bedürfnisdeprivation sind? Im Folgenden werden einige Beispiele dargestellt:

 So muss die Mutter die Diele und das Wohnzimmer noch einmal durchwischen, weil ihr Sohn, vom Spielplatz kommend, mit den dreckigen Schuhen in die Wohnung gestürmt ist. Dadurch kann sie nicht ein Buch lesen, wie sie es vorhatte (mangelnde Freizeit).

 Die Ehefrau dreht den CD-Spieler sehr laut auf, obwohl ihr Mann zu Hause noch Arbeiten fürs Büro erledigen muss und so in seiner Konzentration gestört wird. Dadurch befürchtet er, Fehler zu machen und sich eine Rüge vom Chef einzuhandeln. Zudem muss er länger arbeiten (mangelnde Freizeit, berufliche Nachteile).

 Die Mutter ist müde und muss sich überwinden, noch einmal die Diele und das Wohnzimmer zu putzen, wo ihr Sohn gerade mit schmutzigen Schuhen durch die Wohnung gelaufen ist (unangenehme Anstrengung).

 Der Mann gibt im Wirtshaus 40 Euro aus, obgleich seine Familie von Hartz IV lebt. Dadurch muss die Familie sich materiell einschränken (Verzicht auf den Kauf von nützlichen Gegenständen).

 Frau R. hat ihre Freundin eingeladen, die nun schon die siebte Zigarette raucht. Dadurch bekommt sie allmählich Atemnot (Beeinträchtigung des physischen Wohlbefindens).

Wie die Beispiele verdeutlichen, liegt eine Bedürfnisbeeinträchtigung u. a. vor, wenn

- sich die Freizeit verringert

- eine Anstrengung erfolgt, die als unangenehm erlebt wird,

- weniger Geld zur Verfügung steht und dadurch wünschenswerte Anschaffungen nicht getätigt werden können,

- der Körper/die Sinne beeinträchtigt werden.

Die Unterscheidung von spürbaren und nicht spürbaren Folgen im Sinne von objektiv wahrnehmbaren Auswirkungen eines Verhaltens ist (möglicherweise) nicht immer eindeutig zu treffen:

 Im Falle der Mutter, die die Wohnung noch einmal zum Teil durchwischen muss, ist die Folge einer geringeren Freizeit direkt wahrnehmbar: Wenn sie noch putzen muss, kann sie nicht gleichzeitig eine Zeitung oder ein Buch le-sen.

 Die Müdigkeit der Mutter und die damit einhergehende Anstrengung beim Putzen der Wohnung sind hingegen interne Personenzustände, die über andere wahrnehmbare Sachverhalte erschlossen werden. (Die Mutter hat vor der Hausarbeit schon halbtags gearbeitet und sich noch nicht ausgeruht als Anzeichen für Müdigkeit; sie keucht und seufzt beim Putzen als Anzeichen für Anstrengung).

Wie in einem späteren Kapitel dargelegt wird, werden Bedürfnisbeeinträchtigungen mittels einer bestimmten Botschaft mitgeteilt. Letztendlich kommt es dann darauf an, dass eine vorgetragene Beeinträchtigung für eine andere Person verständlich, d. h. nachvollziehbar ist. Und das ist in der Regel eher gegeben, wenn die Folgen in irgendeiner Form (direkt oder indirekt) wahrnehmbar sind.

Konflikte einvernehmlich lösen und vermeiden - ein Lernprogramm

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